Übernimmt Russland den CRISPR-Baby-Staffelstab von China?

Russische Forscher haben bei einem Geheimtreffen Regeln für die Erschaffung von geneditierten Kindern diskutiert. Auch Gesundheitsministerin Skvortsova zufolge lässt sich der Fortschritt nicht aufhalten, sollte aber reglementiert werden.

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Übernimmt Russland den CRISPR-Baby-Staffelstab von China?

(Bild: Photo by Alina Grubnyak on Unsplash)

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Von
  • Antonio Regalado

Hochrangige russische Genetiker haben diesen Sommer ein geheimes Treffen mit Gesundheitsbeamten in Moskau abgehalten, um einen Vorstoß des russischen Wissenschaftlers Denis Rebrikov zu erörtern. Dieser will mithilfe der Gen-Editier-Technologie CRISPR genetisch veränderte Babys erschaffen, wie der Nachrichtendienst Bloomberg Ende September berichtete.

Die ersten per CRISPR veränderten Kinder wurden letztes Jahr in China geboren, nachdem der Wissenschaftler He Jiankui HIV-resistente Menschen erschaffen wollte. Sein Forschungsprojekt wurde nach heftiger Kritik an seinen ethischen Versäumnissen und einer strafrechtlichen Untersuchung eingestellt.

Angesichts des Moskauer Geheimtreffens stellt sich nun die Frage, ob Russland den CRISPR-Staffelstab von China übernehmen wird. Wie Bloomberg weiter berichtete, hat die Kinder-Endokrinologin Maria Vorontsova, Präsident Putins älteste Tochter, die Moskauer Geneditier-Konklave besucht. Das wurde vom Kreml zwar nie öffentlich bestätigt. Auch Dmitry Peskov, der Sprecher des russischen Staatschefs, lehnte es ab, Bloomberg eine Stellungnahme dazu zu geben.

Doch Berichten zufolge ist Vorontsova der Ansicht, dass der wissenschaftliche Fortschritt nicht gebremst werden kann, sondern gesteuert werden sollte. So sollten CRISPR- Babys beispielsweise nur in staatlichen Einrichtungen erschaffen werden. Gesundheitsministerin Veronika Skvortsova erklärte gegenüber Bloomberg: "Eine Ethikkommission wird sich mit diesem sehr komplizierten Thema befassen."

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Wer nun aber die gentechnisch veränderte Zukunft kontrollieren soll, ist umstritten. Sollten es Wissenschaftler, Kinderwunschzentren oder weniger demokratische Regierungen wie die Chinas und Russlands sein? Seit Juni hat Rebrikov wiederholt öffentlich gesagt, dass er Kinder auf gentechnischem Weg resistent gegen das HIV-Virus machen wolle. Darüber hinaus arbeitet er mit gehörlosen Paaren zusammen, um vererbte DNA-Fehler zu korrigieren, damit ihre Kinder hören können.

Bloomberg zufolge plant das Nationale Forschungszentrum für Geburtshilfe, Gynäkologie und Perinatologie in Kulakow, in dem Rebikov arbeitet, im Oktober bei den Gesundheitsbehörden einen Antrag zu stellen, um eine Überprüfung der Sicherheit von CRISPR zu diesem Zweck zu veranlassen und herausfinden, ob es in Russland gesellschaftlich akzeptiert wäre und ob Putin es erlauben würde.

"Alle jammern nur", sagte Rebrikov in einem Interview mit Bloomberg. "Ich möchte, dass Regeln festgelegt werden, aber niemand tut es." Viele Wissenschaftler halten es für zu riskant, Embryonen gentechnisch zu verändern. Rebikov zufolge sei es nicht teuer und die Kosten könnten nur sinken.

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"Es kostet derzeit ungefähr eine Million Rubel (etwa 14.000 Euro), einen Embryo genetisch zu verändern – mehr als viele Autos –, aber die Preise werden mit zunehmender Nutzung sinken", sagte Rebrikov gegenüber Bloomberg. "Ich kann schon die Werbetafel sehen: Ihre Entscheidung – ein Hyundai Solaris oder ein Superkind?"

Putin hat Gen-Editierung bereits mehrfach kommentiert. Dabei verglich er die Technologie mit einer Atombombe und erwähnte die Möglichkeit, [mit der Technik] Soldaten zu erschaffen, die keine Schmerzen verspüren. Laut Bloomberg hat Putin im vergangenen Jahr zwei Milliarden US-Dollar (etwa 1,83 Milliarden Euro) für genetische Forschung ausgegeben, von der er sagte, dass sie "die Zukunft der ganzen Welt bestimmen" wird.

(vsz)