Ultraschall zum Mitnehmen

Mit Ultraschall-Scannern lässt sich ein schneller Blick in den Körper werfen, und die Geräte dafür werden kleiner und billiger. Ein Start-up geht jetzt mit einem Konzept an den Markt, das bei Preis und Größe neue Maßstäbe setzt.

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Von
  • Antonio Regalado
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John Martin ist Chefmediziner bei Butterfly Network, einem Start-up im US-Bundesstaat Connecticut. Kurz nach seinem Einstieg bei dem Unternehmen in diesem Jahr hat er dessen taschengroßes Ultraschall-Gerät an sich selbst ausprobiert, weil er ein Enge-Gefühl in seinem Hals verspürte. Also strich er etwas Gel auf seinen Nacken und fuhr ihn mit dem Gerät ab, das in etwa Form und Größe eines Elektro-Rasierers hat.

Auf dem mit dem Gerät verbundenen Smartphone erschienen rasch schwarz-graue Bilder. Martin ist kein Krebsspezialist. Aber er wusste, dass die dunkle, drei Zentimeter große Masse, die er sah, dort nicht hingehörte. "Ich war Arzt genug, um zu wissen, dass ich ein Problem hatte", sagt er. Es war ein Plattenepithelkarzinom.

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Das Gerät heißt Butterfly IQ und ist das erste dieser Art, das in den USA auf den Markt kommt. Bei Ultraschall werden Schallwellen in den Körper gesendet und die Echos ausgewertet. Normalerweise werden diese Wellen mit einem vibrierenden Kristall erzeugt. Butterfly verwendet stattdessen 9000 winzige Trommeln, die auf einen Halbleiter-Chip geätzt sind.

Die Herstellung in einer Halbleiter-Fabrik macht die Technologie laut Butterfly billiger und vielseitiger. Das Gerät soll in diesem Jahr zum Preis von 1.199 Dollar auf den Markt kommen – deutlich weniger als bei jedem anderen verfügbaren Modell.

Ultraschall, einst die Domäne weniger Experten, wird zunehmend für Standard-Untersuchungen eingesetzt. In Notaufnahmen werfen Ärzte damit einen schnellen Blick auf Herz, Lunge oder Magen, ohne röntgen zu müssen. Doch es gibt Widerstand dagegen: Krankenhäuser machen Umsatz mit ihren großen, teuren Maschinen und den Spezialisten dafür.

Butterfly wurde im Jahr 2011 gegründet von Jonathan Rothberg, einem Unternehmer, der sich bevorzugt mit dem Einsatz von Halbleiter-Technologie in der Biologie beschäftigt. Er brauchte acht Jahre, um aus seinem Konzept für das Ultraschall-Gerät ein Produkt zu machen. Statt vibrierender Kristalle nutzt es "kapazitative mikromaschinell hergestellte Ultraschall-Transducer", kurz CMUTs – winzige Ultraschall-Sender auf einem Halbleiter-Chip etwa von der Größe einer Briefmarke.

Damit betritt das mit mehr als 100 Millionen Dollar finanzierte Unternehmen einen Markt, auf dem bereits die Hersteller einer früheren Generation von tragbaren Ultraschall-Scannern präsent sind. Von Philips etwa gibt es für rund 6000 Dollar den Lumify mit der älteren Kristall-Technologie. Weil das neue Gerät so viel billiger ist, wird Butterfly sehr viele Exemplare davon verkaufen müssen, um Gewinn zu machen. "Wie es aussieht, müssen sie die das Verkaufsvolumen bei Ultraschall-Scannern weit über das bisher Übliche hinaus steigern", sagt Richard Przybyla, Mitgründer von Chirp Microsystems.

Einer der Berater von Butterfly ist John Kendall, Ultraschall-Leiter in der Notfall-Abteilung des Denver Health Medical Center. Zu den vom Butterfly-Scanner gelieferten Bildern sagt er, sie seien nicht so detailliert wie die von den großen Geräten, die auf Rollen bewegt werden müssen. Entscheidend sei aber, ob man leichter Diagnosen bekommen könne. Und hier sei das Butterfly-Gerät so viel billiger und so leicht mitzunehmen, dass der Vergleich fast nicht mehr fair sei: "Es ist unendlich mobil. Das ist nicht mehr dieselbe Geräte-Kategorie."

Als Nächstes will Butterfly sein Instrument mit künstlicher Intelligenz versehen, die unerfahrenen Nutzern beim Platzieren des Kopfes, beim Erstellen der richtigen Bilder und bei der Auswertung helfen soll. Im kommenden Jahr soll die Software erkennen können, wie viel Blut das Herz transportiert, oder Probleme wie Arterienverengungen entdecken.

Eine automatische Auswertung von unscharfen Ultraschall-Bildern könnte darauf hinauslaufen, dass die Technologie irgendwann problemlos von Krankenwagen-Besatzungen, in abgelegenen Gegenden und sogar Zuhause genutzt werden kann. "Die Fähigkeit, ein Bild zu machen und zu wissen, was man darauf sieht – ich glaube, sie kommt", sagt Kendall.

Martin hat sich nach der Diagnose seiner Krebserkrankung einer fünfeinhalbstündigen Operation und einer Strahlentherapie unterzogen. Er glaubt, dass Ultraschall-Geräte in Zukunft noch ganz andere Formen annehmen könnten, etwa wie ein Pflaster, das Patienten mit nach Hause nehmen können. Verletzungen wie einen Knochenbruch bei ihren Kindern könnten Eltern dann zuhause selbst diagnostizieren.

(sma)