Unabhängigkeitserklärung vom Öl
Der Ex-SAP-Vorstand Shai Agassi hat in Japan erstmals den rasend schnellen Akkuwechsel bei Elektroautos vorgestellt.
- Martin Kölling
Leere Batterie raus, volle Batterie rein – und nach nur 80 Sekunden surrt das Elektroauto wieder von dannen. Ein normales Auto würde jetzt an der Tankstelle noch fossile Brennstoffe gurgeln, sagt Shai Agassi, Chef des kalifornischen Start-ups Better Place, bei der weltweit ersten Demonstration seiner automatischen Batteriewechselstation in der japanischen Millionenmetropole Yokohama. Dabei hat man die Demonstration noch langsam gefahren, damit Anwesenden den Prozess verfolgen können. "Sie sehen heute den ersten Wechsel in unter 60 Sekunden", verspricht Agassi. Nach der Präsentation legt er die Hand auf die Schulter von Heinz-Harald Frentzen, dem ehemaligen deutschen Formel-1-Piloten, der jetzt in der Schweiz Hybrid-Rennautos baut. "Was würden Sie sagen, wenn wir das in zehn Sekunden machen?", fragt Agassi.
Frentzen schaut noch ein wenig skeptisch drein. "Ich bin hier, weil mich die Technik interessiert", sagt er. Sinn mache sie ihm schon, zum Beispiel für Elektrorennautos oder für lange Fahrten auf der Autobahn. Aber es gibt halt noch so viele andere Methoden, in ein Elektroauto zu leiten: Langsam an der heimischen Steckdose, schnell an Schnellladevorrichtungen, die mit hoher Stromspannung arbeiten oder Elektroautos mit Verbrennungsmotoren als Generator. Und niemand weiß, welcher Ansatz siegen wird. Doch der Hauptinvestor in Better Place, Israels größter Eigner von Ölfeldern, Raffinerien und Tankern, Idan Ofer, hegt keinen Zweifel am neuen Konzept: "Heute ist der Tag, an dem wir das Ende der Abhängigkeit vom Öl ausrufen!", sagt der Chef der Israel Corp.
Ofers Unabhängigkeitserklärung vom Öl mag mag zwar aus heutiger Sicht noch übertrieben erscheinen. "Aber ein interessanter Schritt in der Geschichte der Elektroautos ist die Demonstration schon", meint ein Autoanalyst. Denn theoretisch können mit dem schnellen Batteriewechsel zwei der Haupthindernisse für Elektroautos überwunden werden: Bequemlichkeit und Kosten. Die bislang relativ niedrige Reichweite von etwa 50 Kilometern wäre nicht länger ein Argument gegen die Stromer. Nicht einmal aussteigen muss man an der Tanke mehr, alles erledigt der Laderoboter. Außerdem wird das Elektroauto nicht teurer als ein Wagen mit Verbrennungsmotor – geschweige denn ein Hybrid, verspricht Agassi, den ein US-Nachrichtenmagazin just zu einer der 100 einflussreichsten Personen des Planeten gekürt hat. Denn: Der Kunde kauft nur die Karosse, nicht die irrsinnig teure Batterie. Die least er nur. Zusammen mit den Stromkosten soll das Konzept etwas billiger als die Benzinrechnung kommen.
Und so funktioniert die Technik im Alltag: Das Auto rollt in die Wechselzone. Unter dem Unterboden öffnet sich eine Abdeckung. Schnell rollt auf Schienen ein Transporter mit zwei hydraulischen Hebebühnen heran. Auf einem liegt der volle Akku, zugeliefert aus dem Depot, in dem die Batterien in 20 bis 25 Minuten wieder bis zum Anschlag geladen werden. Die leere Hebebühne nähert sich dem Unterboden und teilt dem Computer an Bord des Autos mit, dass er die Batterie ablegen kann. Der Autocomputer kommuniziert kurz mit der Batterie, die abgeriegelt und dann abgelegt wird. Hebebühne runter, weiter rollen, andere Hebebühne hoch, und schon greift sich das Auto den vollen 250 Kilogramm schweren Akku, passt ihn sanft ein. Und sobald die Sicherheitsklappe geschlossen ist, geht die Fahrt weiter.
Sidney Goodman, als Vizepräsident von Better Place zuständig für die Überzeugung der Autoindustrie von der Idee, strotzt vor Stolz. "Die Hersteller standen der Technik skeptisch gegenüber", erinnert er sich, "das kann nicht gehen, haben sie gesagt. Heute haben wir ihnen gezeigt, dass es geht". Zudem ist eine Batteriewechselstelle inklusive Schnellladestationen für Stromer, denen die Hersteller keine wechselbare Batterie spendiert haben, mit einem Kapitalaufwand von 500.000 Dollar nur 25 bis 50 Prozent so teuer wie eine normale Tankstelle, verspricht Better Place.
Bislang hat sich allerdings nur eine Autogruppe zur Batteriewechseltechnik bekannt: Die französisch-japanische Renault-Nissan-Allianz ist der globale Partner von Better Place. Der Doppelchef der Partner, Carlos Ghosn, sieht in dem Konzept großes Potenzial. Dennoch wird Nissan mehrgleisig fahren, sagt Alan Buddendeck, Chef von Nissans globaler Kommunikationsabteilung. Der Autobauer wird 2010 sein erstes Elektromobil in Japan und den USA einführen – laut informierter Kreise ohne wechselbare Batterie. "Wir werden jeweils nach der Nachfrage entscheiden, ob wir Wechselbatterien verwenden oder nicht", sagt Buddendeck denn auch. Dabei wird Nissan allerdings nicht nur den Kunden zuhören. "Die Nachfrage wird sehr von Regeln und Fördermaßnahmen der Regierungen bestimmt werden", so Buddendeck.
Zwei Länder haben bereits für die Einführung von Better Place votiert: Israel und Dänemark. Die Nationen sind zwar nur so stark bevölkert wie eine kleine bis mittelgroße asiatische Metropole. Aber die Idee, dass Elektroautos die Zukunft gehört, hat auch die Regierung der bevölkerungsreichsten Nation der Welt in Bewegung versetzt. China wird Taxiflotten den Kauf von Hybrid- oder Elektroautos aus chinesischer Produktion mit 8800 Dollar pro Wagen bezuschussen. Das erklärte Ziel: Das Reich der Mitte möchte zur führenden Stromautogroßmacht werden. Und überall auf der Welt liebäugeln Städte mit der Einführung von Null-Emissionen-Zonen, so zum Beispiel die Stadt Yokohama mit ihrem "Project Zero".
"Das ist der Beginn eines sehr großen Wandels", warnt Investor Ofer denn auch die Autohersteller, besonders die deutschen. Die stehen nach Ansicht von Industrieexperten und nach Ofers Erfahrung E-Autos im Vergleich noch am reserviertesten gegenüber. "Wenn Deutschland nicht schnell auf Elektroautos umschwenkt, wird es mehr als die meisten anderen Länder verlieren", unkt der Better Place-Geldgeber. Denn die Autoindustrie sei sehr wichtig für die Volkswirtschaft. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren würden in der Zukunft vielleicht noch für ihre Ingenieursleistung bewundert, mahnt Ofer. "Nur wird kaum noch jemand die Autos kaufen." (bsc)