Medien: Und die Leser bezahlen doch

Bezahl-Modelle für Medien im Internet werden nicht nur immer häufiger angeboten, sondern auch zunehmend genutzt, geht aus einer Umfrage hervor. Das hebt die Stimmung in der Branche – aber Herausforderungen bleiben.

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(Bild: kentoh, shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Eine Umfrage unter Medien-Führungskräften weltweit brachte Anfang 2019 unter anderem das Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der teilnehmenden Verlage ihre Umsätze hauptsächlich mit direkten Bezahl-Modellen steigern wollten. Und wie die neue Ausgabe der Befragung zeigt, tragen diese Bemühungen tatsächlich Früchte: "Große wie kleine Unternehmen haben im vergangenen Jahr wichtige Meilensteine erreicht", heißt es dazu in der Studie Journalism, Media and Technology Trends and Predictions 2020 des gemeinnützigen Reuters Institute.

Als Beispiele führt die Studie Zahlen und Aussagen aus verschiedenen Medienhäusern an. So habe die New York Times mittlerweile 4,9 Millionen Digital- und Print-Abonnenten, die Financial Times vor allem mit ihrer Website die Marke von 1 Million Abonnenten überschritten und der britische Guardian in den vergangenen drei Jahren insgesamt Zahlungen von gut 1 Million Leser erhalten. Aber auch kleinere Verlage zeigten sich zufrieden: "Wir haben eine solide Abonnenten-Basis und wissen, dass unser Publikum größer wird", sagte etwa der Verleger der niederländischen Seite "Follow the Money".

50 Prozent der 233 befragten Führungskräfte gehen laut der Studie jetzt davon aus, dass direkte Zahlungen von Lesern in Zukunft der wichtigste Umsatzstrom für sie sein werden. 35 Prozent nannten eine Mischung aus Anzeigen und Abonnements, nur 14 Prozent ausschließlich Werbung. Gleichzeitig zeigten sich fast drei Viertel allgemein optimistisch für die Zukunft ihres eigenen Unternehmens.

Bis hierhin klingt das nach bester Stimmung in der Branche, nachdem sie in den vergangenen zehn Jahren unter der "Doppel-Disruption durch mobile und soziale Medien" geschwächt wurde, wie es in der Studie heißt. Doch auf der anderen Seite gaben mit 46 Prozent weniger als die Hälfte der Befragten an, auch die Zukunft der gesamten Branche positiv zu sehen; 38 Prozent bezeichneten sich als in dieser Frage neutral, die übrigen 18 Prozent sagten, sie seien nicht optimistisch für den Gesamtmarkt. Tatsächlich sehen auch die Autoren der Studie "weitere Herausforderungen für die Dauerhaftigkeit vieler Nachrichten-Anbieter" kommen.

Als ein eher gesellschaftliches Problem, das aber Rückwirkungen auf die Tragfähigkeit von journalistischen Geschäftsmodellen haben könnte, sahen viele der Befragten das abnehmende Vertrauen in Journalismus, das durch Angriffe von Politikern wie US-Präsident Donald Trump gefördert werde. Es herrsche die Sorge, dass mehr Politiker weltweit dem Beispiel von Trump folgen würden, indem sie große Medien umgehen und ihre Botschaften über soziale Medien direkt an ihr Publikum bringen.

Als aktuelles Beispiel dafür wird die Tory-Partei in Großbritannien mit dem neuen Premierminister Boris Johnson genannt. Die Partei habe während des jüngsten Brexit-Wahlkampf versteckt einen eigenen Twitter-Account betrieben, der als unabhängige Organisation zum Überprüfen von Fakten ausgegeben wurde. Johnson selbst habe sich mehreren Interviews in TV-Sendungen entzogen.

85 Prozent der Befragten gaben vor diesem Hintergrund an, Medien sollten mehr tun, um Lügen und Halbwahrheiten aufzudecken. Laut dem Reuters Institute ist aber nicht klar, ob das beim Publikum überhaupt ankommen würde – es könne sogar für noch mehr Medienkritik aus linken wie rechten Kreisen führen.

Sarah Marshall, Managerin bei dem US-Großverlag Condé Nast, wird in der Studie mit der Aussage zitiert, sie sei "in Bezug auf Leser-Müdigkeit und Nachrichten-Vermeidung besorgter als je zuvor". Dies sei ein Problem für Demokratie und Debattenkultur insgesamt, nicht nur für die Medienbranche. Auch bei den übrigen Nachrichten-Verlagen würden diese Themen mit zunehmender Sorge gesehen, so das Reuters Institute.

Als weiteres bedeutendes Thema mit Licht- wie Schattenseiten wird in der Studie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Medienproduktion bezeichnet. Dabei geht es weniger um "Roboter-Journalismus", also Computer, die eigenständig Informationen einholen und Artikel darüber schreiben – darin seien sie immer noch "hoffnungslos", sagte ein leitender Redakteur.

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Als zunehmend nützlich dagegen erweisen sich intelligente Maschinen bei Tätigkeiten wie Übersetzen und Untertitelung oder dem Erstellen von Empfehlungen oder sogar individualisierten Startseiten wie bei dem skandinavischen Verlag Schibstedt. Mehrheitlich wurden solche Aktivitäten nicht als Bedrohung für guten Journalismus, sondern als Unterstützung gesehen, weil sie mehr Zeit für dessen Kernaufgaben freimachen würden.

Nicht nur kleinere Verlage haben dabei allerdings mit dem Problem zu kämpfen, dass sie am Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte kaum konkurrieren können: Insgesamt zeigten sich 76 Prozent der Teilnehmer zuversichtlich, dass es gelingen werde, ihre redaktionellen Mitarbeiter bei sich zu halten. Bei Datenwissenschaftlern und Technologie-Experten aber waren nur 24 Prozent davon überzeugt – denn reine Technologie-Unternehmen und Verbrauchermarken hätten höhere Gehälter, mehr Job-Sicherheit und eine passendere Kultur zu bieten.

(sma)