Und jetzt auch: Bio-Reifen

Goodyear und Genencor haben genetisch umprogrammierte Kolibakterien entwickelt, die aus Biomasse Isopren, den Ausgangsstoff für Reifengummi, herstellen können.

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Von
  • Katherine Bourzac

Goodyear und Genencor haben genetisch umprogrammierte Kolibakterien entwickelt, die aus Biomasse Isopren, den Ausgangsstoff für Reifengummi, herstellen können.

Einzeller sind, was die Produktion von chemischen Verbindungen angeht, in der Forschung offenbar derzeit der letzte Schrei. Wissenschaftler trimmen sie darauf, alles mögliche herzustellen: Kraftstoffe , Medikamente – und nun auch Gummi. In Zusammenarbeit mit dem Reifenhersteller Goodyear hat die Biotech-Firma Genencor Bakterien genetisch so umprogrammiert, dass sie Isopren, den chemischen Grundstoff von Reifengummi, produzieren.

Vorgestellt wurde das neue Verfahren vor kurzem auf dem Jahrestreffen der American Chemical Society in San Francisco. Die Genencor-Forscher konnten den Stoffwechsel der Bakterien so verbessern, dass sie größere Mengen Zucker in „Bioisopren“ umwandeln. Nun erwägt Genencor, im kommenden Jahr eine erste Pilotanlage zu bauen.

Mikroben wie das bekannte Bakterium Escherichia coli (E. coli) bilden bereits von Natur aus Isopren, aber nur in kleinen Mengen. Den Bioingenieuren von Genencor war es zunächst gelungen, zwei Stoffwechselwege zu manipulieren, an deren Ende eine Vorläufersubstanz von Isopren herauskommt. Eine große Ertragssteigerung war damit aber noch nicht in Sicht. Deshalb fügten sie dem Genom von E. coli eine Pflanzengen hinzu, das ein Enzym für die Synthese von Isopren bildet. Mit deren Hilfe kann nun die Vorläufersubstanz, die sich in den Zellen sammelt, direkt in die begehrte Chemikalie verwandelt werden.

Bei Zimmertemperatur ist Isopren gasförmig, so dass es aus den Zellen entweicht, ohne diese zu schädigen, und schließlich in Blasen aus dem Bioreaktor aufsteigt. Dank der Verbesserungen könne man nun direkt Gas mit einem Gehalt von 99 Prozent Isopren erzeugen, sagt Rich Laduca von Genencor. Die Reinheit des Gases ist wichtig, weil Verunreinigungen die Katalysatoren stören, mit deren Hilfe das Isopren zu synthetischem Gummi weiterverarbeitet wird. Goodyear hat aus dem Bioisopren inzwischen erste Reifen-Prototypen hergestellt.

„Auch wir halten nach erneuerbaren Ressourcen Ausschau, um unsere Abhängigkeit von importiertem Öl zu verringern“, bekräftigt Jesse Roeck, Direktor der Materialforschung bei Goodyear. Weltweit werden im Jahr schätzungsweise knapp 800.000 Tonnen Isopren aus Rohöl produziert, von denen 95 Prozent zu dem Polymer cis-1,4-Polyisopren, synthetischem Gummi, weiterverarbeitet werden. Mit steigendem Ölpreis wird auch das Isopren teurer. Bereits jetzt schlägt es bei Goodyear mit einem knappen Viertel der Rohmaterialkosten zu Buche.

Doch nicht nur die Ölabhängigkeit ist ein Problem für den Konzern, der jährlich rund 200 Millionen Reifen produziert. Die weltweite Nachfrage nach Gummi aus Naturkautschuk steigt nach Daten der IRSG schneller als dessen Produktionsmenge – 2008 waren es 10 Millionen Tonnen. Das treibt den Preis langfristig ebenfalls nach oben (auch wenn die Weltwirtschaftkrise ihn im vergangenen Jahr vorübergehend fallen ließ). Und auf Naturkautschuk entfällt ein weiteres Viertel der Rohmaterialkosten von Goodyear. Der Rest umfasst vor allem Stahl, Ruß und Textilfasern.

Bioisopren könnte für den Reifenhersteller beide Probleme lösen. Zwar sei das Material noch im Forschungsstadium, aber in drei bis fünf Jahren könnte es bereits in kommerziellen Produkten auf dem Markt sein, sagt Roeck. Im Gummi eines Reifens entfalle ein Viertel des Gewichts auf Isopren. Langfristig wolle Goodyear auch andere Inhaltsstoffe, falls technisch möglich, aus erneuerbaren Quellen gewinnen.

Für Genencor ist der genetische Umbau der Bakterien für die Iospren-Produktion noch nicht abgeschlossen. „Wir haben die Struktur des Enzyms entschlüsselt und sind gerade dabei, sie zu verändern“, erläutert Rich Laduca. Bislang haben die Genencor-Biologen mit E. coli gearbeitet. Weil dessen Stoffwechsel sehr gut erforscht ist, dient es heutzutage als Standardeinzeller für die biotechnische Forschung. Man wolle aber die im E. coli entwickelten Stoffwechselwege auf Bakterienarten übertragen, die schneller wachsen, sagt Laduca.

Mehr noch: Auch Genencor hat bereits ein Auge auf den potenziellen Markt für mikrobielle Biokraftstoffe geworfen. Ein Dimer aus zwei Isopren-Molekülen könnte als Zusatzstoff für herkömmliches Benzin dienen, das Trimer als Zusatz für Diesel.

Aber wie bei allen Mikroben-Verfahren, die derzeit entwickelt werden, muss sich erst einmal zeigen, ob eine Isopren-Produktion mittels Bakterien auch im industriellen Maßstab machbar ist. Vorerst handelt es sich beim Genencor-Ansatz um eine weitere vielversprechende Möglichkeit. (nbo)