Urin als Baustoff für den Mond

Beim Bau von Mondbasen muss Ersatz für Zement her. Ein biologischer Klebstoff könnte helfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Urin als Baustoff für den Mond

Drucker für Mondbeton, links im Bild das Endergebnis.

(Bild: Shima Pilehvar et al.)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Beim Bau von Mondbasen interessieren sich die Raumfahrtbehörden Esa und Nasa schon länger für örtliche Baustoffe. Die wären nicht nur kostengünstiger, weil sie nicht für 20000 Dollar pro Kilogramm Nutzlast in Raketen hinaufbefördert werden müssen, sondern auch am ehesten für den Einsatz im Vakuum und unter den extremen Temperaturschwankungen auf dem Mond geeignet. Nun hat die Chemikerin Anna-Lena Kjøniksen vom norwegischen Østfold University College auf Esa-Anfrage mit Partnern aus Spanien, Italien und den Niederlanden eine Rezeptur für Mond-Beton entwickelt, der fast komplett mit dort vorhandenen Rohstoffen auskommt und mit einem Gebäudedrucker verarbeitet werden könnte.

Als Ersatz für das irdische Bindemittel Zement sollen der reichlich vorhandene Mondstaub (Regolith) und eine basische Lösung dienen. Die kann aus den ebenfalls häufig vorkommenden Alkalimetallen gewonnen werden. Wasser, um daraus Beton zu mischen, ist allerdings ein rares Gut auf dem Mond. Deshalb suchte Kjøniksen nach einem vor Ort verfügbaren Material, welches das Gemisch mit weniger Wasser verarbeitbar macht. Im Mondgestein ist keines zu finden, doch künftige Mond-Astronauten könnten es jeden Tag neu liefern: Harnstoff aus ihrem Urin. Damit müsste weitaus weniger Wasser hinaufgeflogen werden.

Um ihre Idee vorab auf der Erde zu testen, verwendete die Chemikerin ein gemahlenes, an Silizium- und Aluminiumoxid reiches Kunstgestein namens DNA-1, dessen Zusammensetzung dem lunaren Regolith sehr ähnelt. Es gehört zu einer wachsenden Familie von Mond-Regolith-Ersatzstoffen und wurde von Dini Engineering in Italien aus Vulkangestein hergestellt. Kjøniksen vermischte es im ersten Schritt mit einer Natriumhydroxidlösung und pulverförmigem Harnstoff.

Zum Vergleich rührten sie Beton mit Naphtalin- und Polycarboxylat-basierten Zusatzstoffen an. Nach dem Trocknen setzten sie die Mixturen einem Temperaturtest aus – mit bis zu acht Wechselbädern zwischen minus 80 und plus 80 Grad Celsius. Das ist zwar noch nicht die gesamte Bandbreite der Mondtemperaturen von minus 170 Grad in der Nacht bis plus 115 Grad am Tag, aber etwa 80 Grad Celsius sei etwa die Morgentemperatur auf dem Mond, so Kjøniksen.

Danach mussten die Betonproben verschiedenen Gewichten standhalten, um ihre Verformung zu testen. Jene, die ihre Form beibehielten, wurden anschließend mit einer Hochdruckspritze in Schichten übereinander gedruckt und noch einmal belastet. Im Vergleich zu den konventionellen Betonmischungen behielt die Harnstoffvariante am besten ihre Form, schreiben die Forschenden im „Journal of Cleaner Production“ (DOI: 10.1016/j.jclepro.2019. 119177). Gleichzeitig war sie am besten druckbar. Nicht ganz so gut schnitt sie allerdings beim Gefrier-Auftau-Test ab: In Röntgenaufnahmen zeigten sich Mikrorisse.

Insgesamt aber ist Kjøniksen sehr zufrieden und wertet gerade Untersuchungen mit echten Mondtemperaturen im Vakuum aus. Darüber hinaus will sie in weiteren Tests prüfen, ob der Urin auch direkt verwendbar wäre. Dieser enthält zwar neben Harnstoff noch viele weitere Inhaltsstoffe, aber auch schon einen Teil des benötigten Wassers. Zudem müssten die Astronauten den Harnstoff nicht erst extrahieren.

Schafft es Kjøniksens Rezept eines Tages tatsächlich auf den Mond, bräuchte es dort als echten „Moon Shot“ einen 3D-Drucker, der ebenfalls unter Mondbedingungen arbeiten kann. Und der natürlich auch per Rakete auf den Mond transportiert werden müsste.

(bsc)