Urknall-Detektor auf dem Weg ins All

Ein einzigartiges Messgerät soll demnächst an die Raumstation ISS angedockt werden, um den Ursprung des Universums zu erforschen .

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Von
  • Brittany Sauser

Ein einzigartiges Messgerät soll demnächst an die Raumstation ISS angedockt werden, um den Ursprung des Universums zu erforschen.

Ein internationales Forscherteam hat das bislang größte weltraumtaugliche Teilchenphysik-Spektrometer der Welt entwickelt, um bislang ungeklärten Mysterien des Universums auf die Spur zu kommen. Das "Alpha Magnetic Spectrometer", kurz AMS-02, soll die Ursprünge des Lebens untersuchen, indem es nach Dunkler Materie und Antimaterie forscht. Dabei werden kosmische Strahlen mit einer noch nie erreichten Genauigkeit gemessen.

"Es gibt nichts Vergleichbares", sagt Trent Martin, Projektverantwortlicher für den Detektor bei der NASA. AMS-02 wird von insgesamt 56 Institutionen in 16 Ländern entwickelt - darunter auch Deutschland. Gesamtleiter des Forschungsvorhabens ist Samuel Ting, Physikprofessor am MIT und Nobelpreisträger von 1976. Das Spektrometer soll mit der letzten Space-Shuttle-Mission an Bord der internationalen Raumstation ISS gebracht werden, die für nächsten Februar geplant ist. Es wird außerhalb der Station angebracht und kann rund sieben Gigabyte pro Sekunde an Daten aufnehmen. Diese gigantischen Informationsmengen werden dann an eine Bodenstation gesendet, um sie zu untersuchen.

Der Kern des Spektrometers besteht aus einem Donut-förmigen Magneten, der einen Durchmesser von einem Meter hat. In seinem Zentrum befinden sich acht einzelne Detektoren. Der Magnet zieht Teilchen in den Apparat hinein und lenkt, je nach elektrischer Ladung, in eine bestimmte Richtung. Die nagelneuen Instrumente im Zentrum von AMS-02 können dann verschiedene Eigenschaften der Teilchen messen – beispielsweise Einfallswinkel, Masse, Beschleunigung, Geschwindigkeit und Energie. Das Spektrometer besitzt außerdem einen sogenannten "Anticounter", der Teilchen zurückweist, die ihn aus dem falschen Winkel treffen, einen Sternen-Tracker sowie Satellitennavigation für eine genaue Positionierung und Orientierung. Mehr als 650 Mikroprozessoren wandeln die Signale aus den Detektoren in digitale Informationen um, die dann erdbasierte Computer analysieren können. Das neue Spektrometer wiegt 7000 Kilogramm und ist über viereinhalb Meter breit sowie hoch.

Das einzige Weltraum-basierte Experiment, das an AMS-02 herankommt, nennt sich Pamela, ein Detektor für Dunkle Materie und kosmische Strahlen, der 2007 von Russland und Italien ins All geschickt wurde. Pamela sei aber viel kleiner und weniger empfindlich als AMS-02, meint Roberto Battiston, Professor für Physik an der Universität von Perugia, der die Funktion eines stellvertretenden Sprechers für das AMS-02-Projekt innehat. "Pamela würde ein Jahr brauchen, um so viele Daten zu detektieren, wie man sie mit AMS-02 in ein oder zwei Tagen einfangen kann."

Das Spektrometer ist auf das ausgerichtet, was 25 Prozent des Universums ausmacht: Dunkle Materie, deren Existenz sich aus Schwerkrafteffekten auf sichtbare Objekte ableiten lässt. "AMS-02 dürfte unsere erste Möglichkeit sein, die wahre Natur Dunkler Materie zu verstehen, weil es bislang noch keinen Detektor dieser Größe und Präzision direkt im All gab", sagt Steve Nahn, Dozent für Physik am MIT.

Das neue Spektrometer soll außerdem nach Hinweisen auf die Frühzeit des Universums suchen, indem es nach Antimaterie forscht, jenem mysteriösen Zwilling der Materie. "Um den Urknall im Detail zu verstehen, müsste erst einmal bekannt sein, wie viel Antimaterie heute im Universum existiert."

Schließlich soll AMS-02 auch noch die Zusammensetzung und Verteilung kosmischer Strahlen genauer analysieren als je zuvor, wie NASA-Forscher Martin erläutert. "Wenn sich das Spektrometer im All befindet, kann es Strahlen erkennen, die sonst von der Erdatmosphäre absorbiert würden."

Der einzige Detektor mit mehr Leistung als AMS-02 befindet sich im Teilchenbeschleuniger LHC am CERN in Genf. Er wird derzeit für das größte physikalische Experiment aller Zeiten eingesetzt. Sowohl der LHC-Detektor als auch AMS-02 werden am CERN mitentwickelt, doch AMS-02 kann nach Dunkler Materie vom Weltraum aus suchen. Im Labor lassen sich solche Analysen nicht nachbilden.

"Vor 100 Jahren haben die Menschen Elektronen noch nicht verstanden, weshalb sie mit Experimenten begonnen haben. Heute besitzen wir Handys, Computer und tragen Millionen von Transistoren mit uns herum", sagt MIT-Physiker Nahn. Umso wertvoller sei es nun, herauszufinden, aus was das Universum wirklich besteht. (bsc)