Urwaldriesen aus der Tiefe

In Panama wird in Seen nach alten Bäumen getaucht, die sich gewinnbringend verkaufen lassen – ökologisch unbedenklich.

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Von
  • Klaus Sieg

In Panama wird in Seen nach alten Bäumen getaucht, die sich gewinnbringend verkaufen lassen – ökologisch unbedenklich.

Alvalo Gonzales legt das schwarze Halfter mit den Sauerstoffschläuchen um. Drahtige Muskeln spannen sich unter seinem T-Shirt. Der 40-Jährige stellt sich an den Rand der Arbeitsplattform und springt in den Lago Bayano. Vor knapp vierzig Jahren wurde der zweitgrößte See Panamas aufgestaut. Auf einer Fläche halb so groß wie Hamburg verschwanden Dörfer, Wiesen und Wälder unter Wasser.

Gonzales und seine Crew tauchen nach dem Holz der Wälder. Schon in einem Meter Tiefe wird es finster. Mit den Händen tasten sie sich an den mächtigen Stämmen der Urwaldriesen entlang in die Tiefe. Manchmal müssen sie dreißig Meter hinunter bis auf den Grund des Sees. Dort fällen sie die Bäume mit hydraulischen Kettensägen, nachdem sie große Plastikschwimmer an den Stämmen befestigt haben, damit diese nicht auf den Grund sinken.

Um die fünfzig Baumarten wuchsen einst in dem Tal im Osten Panamas. Als der See aufgestaut wurde, war das Holz wenig wert. Also ließ man die Bäume stehen. Sie blieben gut erhalten, weil die Zersetzung durch den geringen Kontakt mit Sauerstoff extrem verlangsamt ist. Heute ist Tropenholz ein begehrter Rohstoff. "Jeder Stamm aus dem Stausee ist einer weniger aus einem lebendigen Wald", sagt Alana Husby, studierte Forstingenieurin und Chefin der Firma Coast Eco Timber mit Sitz in Panama City.

Seit einigen Monaten darf Coast Eco Timber im Lago Bayano auf einem Areal von 15.000 Hektar Stauseeholz bergen. Zuvor hatte das Unternehmen eine Konzession für einen Teil des Lago Gatun, der vor einhundert Jahren beim Bau des Panamakanals aufgestaut wurde. Den Wert dieses Holzes schätzt das Unternehmen auf zweihundert Millionen Dollar. Doch die Gewinnung ist sehr aufwendig.

Die Produkte von Coast Eco Timber tragen das FSC-Siegel. Der Zertifizierer war zuletzt in die Kritik geraten wegen intransparenter Abläufe und weil er die Vorschriften der jeweiligen nationalen Forstbehörden als Maßstab nimmt, egal wie lasch diese sind. Dennoch garantiert das Siegel einige Standards für die Arbeitsbedingungen und die Umweltverträglichkeit der Produktion.

Die Taucher verdienen mit 800 Dollar ein für Panama gutes Monatsgehalt. Und sie arbeiten mit sehr teurem Equipment: Mit den Kompressoren und dem restlichen Tauchgerät steht Hightech im Wert von 80.000 Dollar auf jeder Arbeitsplattform.

Die Herausforderung sei, irgendwann Gewinn zu erwirtschaften, sagt Husby, die aus einer kanadischen Holzhändlerfamilie stammt. Bisher sei das noch nicht gelungen. Nur fünf bis sechs Container voll hochwertigem Tropenholz exportiert Coast Eco Timber im Monat. Die bei weitem größere Menge an weniger wertvollen Hölzern aus dem See landet nur als Bauholz auf dem heimischen Markt.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Eigenschaften des Holzes gibt es bislang zwar kaum. Nach Angaben des Thünen-Instituts für Holzwirtschaft eignet es sich aber besonders für die Verwendung im Außenbereich. Weil es in den Jahrzehnten unter Wasser seine Spannung verloren hat, schrumpft und quillt es bei klimatischen Veränderungen weniger. Wie es sich aber zum Beispiel als Furnierholz verhält, wurde noch nicht untersucht.

Haben Alvalo Gonzales und seine Kollegen keine Angst unten in der Finsternis? Schließlich gibt es Schlangen und Alligatoren im Lago Bayano. "Ich sehe die nicht – und die sehen mich auch nicht", sagt Gonzales, und seine Kollegen lachen. Ob der zweite Teil so stimmt, ist fraglich. Aber Angst wäre bei ihrem Job ein schlechter Begleiter. (bsc)