Verhütung online

Eine neue Studie zeigt, dass digitalisierte Medizin deutlich sicherer und effizienter sein kann als die analoge.

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Verhütung online

(Bild: Brett Jordan via Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tanya Basu
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In den USA können Frauen die Pille künftig direkt im Internet kaufen, ohne einen Arzt konsultieren zu müssen. Das Modell zeigt, wo die Zukunft der medizinischen Versorgung hingehen könnte – und es ist, wie eine aktuelle Studie im "New England Journal of Medicine" zeigt, bereits jetzt effizient und sehr sicher.

Die Macher der Untersuchung hatten dazu sieben "geheime Einkäuferinnen" (Secret Shoppers) in Kalifornien rekrutiert, um die Dienste auf Herz und Nieren zu prüfen. Diese kauften Verhütungsmittel bei neun Anbietern. Zuvor hatten sie online Fragebögen unter dem Deckmantel ausgefüllt, von verschiedenen Gegenindikationen betroffen zu sein – oder Probleme zu haben, die zu medizinischen Komplikationen führen könnten, wenn sie bestimmte Verhütungsformen benutzen.

Eine Einkäuferin war eine stillende Frau einige Wochen nach der Geburt; andere Beispiele von Kontraindikationen beinhalten Venenthrombose, Migräne mit Aura, und eine Frau, die angab, die Einnahme von täglichen Pillen gerne zu vergessen.

Jede Online-Visite dauerte etwa 7,5 Minuten (weitaus weniger als ein normaler Arztbesuch). Etwa auf ein Drittel der Website-Besuche folgte eine Textnachricht, ein Videoanruf oder ein Telefongespräch. Ein elektronisches Rezept wurde am selben Tag zur lokalen Apotheke oder innerhalb von zwei Wochen zum Patienten nach Hause geschickt. Die Kosten lagen zwischen 67 und 519 US-Dollar (der Jahresdurchschnitt für eine unversicherte Patientin war 313 Dollar).

"Wir wussten vorher, dass es sehr bequem für Frauen ist, ihre Rezepte per Post zu erhalten", sagt Ateev Mehrotra, Juniorprofessorin für Gesundheitspolitik und Medizin an der Harvard Medical School, die den Boom im Bereich Telemedizin erforscht hat. "Für viele Frauen ist es eine attraktivere Option hinsichtlich Zeit und Geld statt physisch zu einer Arztpraxis zu gehen."

Die digitale Bestellung von verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln ist also günstig und bequem. Aber ist sie auch sicher? Die Studie zeigt, dass das wohl so ist: Bei den 45 Online-Visiten, die eine Kontraindikation hinsichtlich der Antibabypille beinhalteten, wurden in 93 Prozent der Fällen die Richtlinien der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC eingehalten. Nur drei Besuche resultierten in einer Verschreibung von Verhütungsmitteln, obwohl diese in diesen Fällen nicht sicher waren.

Mehrotras Arbeit, die sie gemeinsam mit Tara Jain an der Harvard Medical School durchgeführt hat, könnte große Auswirkungen haben. In einer Zeit, in der Reproduktionsrechte in vielen Ländern (wieder) heiß diskutiert werden und sich der Zugang zu Empfängnisverhütung zunehmend schwieriger zu gestalten scheint, zeigen die Forscher, dass die digitale medizinische Welt nicht nur Zugang und Bequemlichkeit ermöglicht, sondern – am wichtigsten – auch sicher zu sein scheint.

Sie bietet zudem Einblicke in potenziell produktivere Wege, Medizin zu praktizieren, sagt Mehrotra. In der konventionellen Medizin sind Ärzte dazu angehalten, herauszufinden, was mit ihren Patienten los ist und ihnen dann dabei zu helfen, wieder gesund zu werden. Allerdings, sagt Mehrotra, zeige das Online-Modell, dass die Umkehrung dieser Dynamik – dem Patienten die Kontrolle zu geben – nicht nur kürzere, sondern bessere Arztvisiten bedeute, und dabei geringere Kosten pro Besuch.

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Auf die Befürchtung von Patienten, dass die Automatisierung die Zeit des persönlichen Doktor-Patienten-Gesprächs reduziert, weist Mehrotra darauf hin, dass die Resultate darauf hindeuten, dass dies nicht der Fall sei: Obwohl die Besuche kürzer seien, würden sie von den Bedürfnissen und Wünschen des Patienten gesteuert. "Die Visite dreht sich nicht um das Problem; sie dreht sich um die vom Patienten vorgeschlagene Lösung und darum ob diese der richtige Weg ist", sagt sie.

Mehrotra räumt ein, dass die größte Schwachstelle der Studie sei, dass sie vergleichsweise klein ist: nur sieben Frauen über den Zeitraum einiger Monate. Nichtsdestotrotz adressiert sie einige der bestehenden Bedenken hinsichtlich des Online-Zugangs für diejenigen, die Verhütungsmittel nicht einfach erhalten können – vielleicht aufgrund ihres Alters, vielleicht weil sie in einem der in diesem Bereich restriktiven US-Bundesstaaten leben.

Mehrotra sagt, die Studie fokussiere auf Frauen in ihren 20ern, allerdings signalisierten die Resultate, dass Online-Empfängnisverhütung auch für noch jüngere Zielgruppen sicher und zugänglich sein könnte.

(bsc)