Verriss des Monats: Kläffer und Smart

Ein bisher kaum beachteter Lebensbereich wird nun endlich auch von der vollen Geschwindigkeit des technischen Fortschritts erfasst: die Hundehütte.

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Von
  • Peter Glaser

Ein bisher kaum beachteter Lebensbereich wird nun endlich auch von der vollen Geschwindigkeit des technischen Fortschritts erfasst: die Hundehütte.

Die Kunst des gepflegten Verreißens zweifelhafter Produkte ist ein wenig aus der Mode gekommen. An dieser Stelle präsentiert unser Kolumnist Peter Glaser einmal im Monat deshalb eine Rezension der etwas anderen Art: den Verriss des Monats. Vorschläge für besonders zu würdigende Produkte werden gerne per Mail entgegengenommen.

Im Juni 1956 erhielt der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright einen Brief von dem 12-jährigen Jim Berger, der gern für seinen Hund Eddie eine Behausung von dem selben Architekten entworfen haben wollte, der sechs Jahre zuvor schon das Haus seines Vaters entworfen hatte. Der damals bereits 89-jährige Wright war ziemlich beschäftigt. Der Bau des Guggenheim-Museums in New York hatte begonnen, bei dem er die außergewöhnliche organische Form einer riesigen Spirale verwendete.

Und Wright arbeitete am Entwurf eines 1,6 Kilometer hohen Wolkenkratzers ("The Illinois"), der 528 Stockwerke gehabt hätte und bis heute das höchste Gebäude der Welt wäre, doppelt so hoch wie das Burj Khalifa und viermal höher als das Empire State Building. Da die 76 geplanten Fahrstühle enorm viel Platz verbraucht hätten, plante Wright Außenaufzüge mit atomgetriebenen Sperrklinken.

Wright schrieb Jim Berger, dass er einverstanden sei und lieferte im darauffolgenden Jahr einen kompletten Satz Pläne für Eddie's House, das kleinste Bauwerk, das er in seinem Leben gestaltete. Mit anderen Worten: Avantgardistisches Design und Hundehütten haben Tradition. So ist wohl auch zu verstehen, dass ein sonst anderwärtig dem Fortschritt verschriebenes Unternehmen wie Samsung in dem Bereich Fuß zu fassen versucht ("Fuß!"). Auf der nach eigenen Angaben weltgrößten mehrtägigen Hundeshow Crufts 2015 im britischen Birmingham präsentierte das Unternehmen den Prototypen einer smarten Hundehütte, deren Herstellungskosten bei rund 28.000 Euro liegen, etwa dem 500-fachen des Preises einer herkömmlichen, dummen Hütte.

Das Samsung Dream Doghouse (Wired: "Besser als das Galaxy S6 Edge") ist gespickt mit Gadgets wie einer Fütterungsautomatik, die Nahrung auf Pfotendruck oder zeitgesteuert abgibt, einem Planschbecken für Hydrotherapie, einem Laufband mit Kunstrasen, das denaturierte Tiere an die Natur erinnern soll, und natürlich einem Samsung-Tablet im Ruhe- und Entspannungsbereich, an dem das Tier sein Spielpläsier finden oder mit Herrchen und/oder Frauchen chatten kann. "Das Samsung Dream Doghouse sieht elegant und modern aus. Es besitzt die technische Ausstattung, die der Hund der Zukunft braucht", so Samsung-Präsident Andy Griffiths.

Und nicht nur der Preis gleicht dem eines Neuwagens: Wie in einem PKW, so gibt es auch in der Hightech-Hundehütte von Samsung keine Toilette. Diesen Mangel hat die Firma Tesla aus Hongkong erkannt – genauer: Hong Kong Tesla Technology Limited (HKTTL), nicht zu verwechseln mit dem kalifornischen Hersteller von Elektroautos – und zum Alleinstellungsmerkmal erkoren. Wobei auch HKTTL Autos baut: die Luxus-Hundehütte der Firma hat die Form eines Londoner Doppelstock-Busses und ist in zwei Größen für mittlere und große Hunde erhältlich, und zwar nicht nur mit einem profanen Hundeklo, sondern einer entsprechenden Einrichtung, die Duftlockstoffe aussendet, um den Hund auf die Toilette zu bewegen, die sich nach Gebrauch selbständig reinigt und sterilisiert und im unwahrscheinlichen Fall einer Störung mit einem Notfallprogramm ausgestattet ist.

Das patentierte Smart Doghouse T-Pai "eröffnet eine neue Ära der Kommunikation zwischen Mensch und Tier" und ist eine "intelligente Hundehütte für Hunde", wie es in einer PR-Meldung noch nicht ganz so intelligent heißt. Aber T-Pai ist noch in der Entwicklung. Anstelle eines Tablets steht dem Hund ein eigener Dog-PC zur Verfügung, der auch extra erhältlich ist. T-Pai hat eine siebentägige Speicherkapazität für Futter, das entweder vorprogrammiert oder online abgerufen werden kann und verfügt auch über ein Gesundheitsmanagementsystem, das Fressgewohnheiten und Wachstumsdaten auswertet, einer Verhaltensgesundheitsanalyse unterzieht und Berichte erstellt. Einen Endverkaufspreis will HKTTL-Mitgründer Spand Jiang im Lauf des Jahres bekanntgeben.

Die von Jim Bergers Vater, dem Ingenieur Robert Berger ausgeführten Bauarbeiten an der Frank Lloyd Wright-Hundehütte wurden übrigens 1963 abgeschlossen. Eddie, ein schwarzer Labrador-Retriever, hasste seine neue Hütte und schlief fortan immer vor dem Hauseingang, dort war es auch wärmer. Die Hütte wurde 1973 abgerissen. 2010 bauten die beiden Söhne von Robert Berger, Jim and Eric, sie für einen Dokumentarfilm über Frank Lloyd Wrights Schaffen in Kalifornien nach den Originalplänen wieder auf. ()