Verschränkung zum Zuschauen

Könnte das merkwürdige Quantenphänomen der Verschränkung auch vom menschlichen Auge beobachtet werden? Schweizer Forscher haben sich jetzt ein trickreiches Verfahren dafür ausgedacht.

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  • TR Online

Könnte das merkwürdige Quantenphänomen der Verschränkung auch vom menschlichen Auge beobachtet werden? Schweizer Forscher haben sich jetzt ein trickreiches Verfahren dafür ausgedacht.

Der Begriff Verschränkung bezeichnet das merkwürdige Phänomen, dass zwei Quantenpartikel so eng miteinander verbunden sind, dass sie sozusagen eine gemeinsame Existenz teilen. Wenn das passiert, hat eine Messung an dem einen Partikel sofortige Auswirkungen auf das andere, unabhängig davon, wie weit voneinander entfernt sie sind. In Laboren rund um die Welt erzeugen Wissenschaftler solche verschränkten Partikel heute in großer Zahl.

Manche Physiker stellen sich deshalb eine interessante Frage: Werden Menschen je in der Lage sein, Verschränkung zu "sehen"? Eine erste Antwort liefert jetzt die Arbeit von Valentina Caprara Vivoli an der Universität Genf. Zusammen mit Kollegen hat sie sich ein Experiment ausgedacht, bei dem ein menschliches Auge Verschränkung direkt erkennen soll. Nach ihren Angaben ist alles für das erste Experiment dieser Art bereit.

Üblicherweise ist bei Verschränkungsexperimenten eine Quelle für verschränkte Photonen-Paare im Spiel, die über das richtige Setup jeweils an Fotodetektoren geschickt werden. Indem man dann das Auftreffen der beiden Photonen bei den Detektoren vergleicht – etwa durch den Einsatz von Polarisationsfiltern – und diesen Prozess viele Male wiederholt, lässt sich statistisch feststellen, ob eine Verschränkung vorliegt.

Grundsätzlich müsste es auch möglich sein, einen der Detektoren durch das Auge zu ersetzen – schließlich ist es selbst ein Photonen-Detektor. Das Hauptproblem dabei ist jedoch, dass das Auge keine einzelnen Photonen detektieren kann: jedes der lichtempfindlichen Stäbchen in der Netzhaut muss von einer guten Handvoll Photonen erreicht werden. Als Mindestzahl gilt derzeit sieben, in der Praxis werden Photonen sogar meist nur gesehen, wenn sie zu Hunderten oder Tausenden eintreffen.

Wenn ein menschliches Auge jemals Verschränkung selbst "sehen" soll, müssten Physiker also nicht nur zwei Photonen verschränken, sondern mindestens sieben, und idealerweise noch viele mehr.

Vivoli und Kollegen wollen jetzt einen Trick gefunden haben, mit dem sich ein einzelnes verschränktes Photon zu mehreren verstärken lässt. Er basiert auf einer Technik namens Displacement Operation, bei der zwei Quantenobjekte so aufeinander einwirken, dass eines die Phase des anderen verändert.

Bei Photonen lässt sich das zum Beispiel mit einem Strahlteiler erreichen. Stellen Sie sich vor, ein Strahl aus kohärenten Photonen wird auf einen solchen Splitter gerichtet; eigentlich geht er durch ihn hindurch, doch durch eine Änderung seiner Phase kann er stattdessen reflektiert werden. Stellen Sie sich dann vor, dass ein weiterer Strahl aus kohärenten Photonen mit dem ersten interferiert. Dadurch verändert sich die Phase der ersten so, dass er reflektiert wird. Mit anderen Worten: der zweite Strahl kann die Reflexion an- und ausschalten.

Wichtig dabei ist, dass der Schaltstrahl nicht so intensiv sein muss wie der zu schaltende – es reicht, wenn er kohärent ist. Tatsächlich reicht zum Schalten zumindest theoretisch ein einziges Photon aus.
Genau das ist die Grundlage für den neuen Ansatz: ein einzelnes verschränktes Photon soll das Passieren eines stärkeren Strahls durch den Splitter steuern. Das Auge soll dann diesen stärkeren Strahl, der immer noch den Quantencharakter der ursprünglichen Verschränkung aufweist, detektieren können.

Das zumindest ist die Theorie. Laut Vivoli und Kollegen ist die für ein solches Experiment erforderliche Technologie bereits vorhanden. Ihre Arbeit "demonstriert überzeugend, dass es möglich ist, das erste Experiment zu realisieren, bei dem Verschränkung durch das Auge beobachtet wird", schreiben sie. Trotzdem wird dieses Experiment nicht einfach sein. Beispielsweise dürfte es schwierig werden, die optische Verstärkung so zu erreichen, wie sich das die Forscher vorstellen.

Und selbst wenn das gelingt, ist das Experiment ausgesprochen aufwändig. Der Test auf Verschränkung ist statistischer Natur, so dass er viele Zählungen von beiden Detektoren erfordert. Ein Proband müsste deshalb tausende oder zehntausende Durchläufe über jeweils mit Ja oder Nein antworten. Freiwillige dafür werden also sehr viel Zeit mitbringen müssen.

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