"Von Eclipse Adoptium wird es nur TCK-geprüfte Veröffentlichungen geben"

Hendrik Ebbers und Andreas Ahlenstorf im Gespräch mit heise Developer zum Umzug des AdoptOpenJDK-Projekts zur Eclipse Foundation.

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Interview zu Eclipse Adoptium
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

Die AdoptOpenJDK-Community hatte kürzlich bekannt gegeben, ihre zukünftigen Bemühungen unter dem Dach der Eclipse Foundation zu betreiben. heise Developer sprach mit den zwei deutschsprachigen Vertretern des zugehörigen Technical Steering Committee über die Entscheidung und welche Auswirkungen sie auf die nahe Zukunft des Projekts haben wird.

heise Developer: Hendrik und Andreas, ihr gehört seit einiger Zeit zum technischen Steering Committee bei AdoptOpenJDK. Was motivierte euch, sich bei dem Projekt zu beteiligen?

Hendrik Ebbers
Interview zu Eclipse Adoptium

Hendrik Ebbers ist Co-Founder der Karakun AG, Gründer der JUG Dortmund und gibt auf der ganzen Welt Vorträge und Workshops zum Thema Java. Auf seiner Webseite www.guigarage.com bloggt er regelmäßig über Architekturansätze im Bereich Java und zu verschiedenen Open-Source-Projekten. Sein Buch "Mastering JavaFX 8 Controls" ist 2014 bei Oracle Press erschienen. Hendrik ist JavaOne Rockstar, Java Champion und JCP Expert Group Member. Seit 2019 ist Hendrik Mitglied des AdoptOpenJDK TSC.

Hendrik Ebbers: Anfangs habe ich mich eigentlich nicht direkt beim Projekt AdoptOpenJDK beteiligt. Vielmehr habe ich durch verschiedene Keynotes, Vorträge und Artikel versucht, die deutschsprachige Java-Community auf Änderungen im Java-Ökosystem wie den neuen Release-Train von Java oder die neue Lizenz des Oracle JDK aufmerksam zu machen. Spätestens durch meine Mitarbeit am "Java is Still Free"-Dokument bin ich dann verstärkt mit AdoptOpenJDK in Kontakt gekommen.

Der Gedanke, dass Java-Binaries kostenfrei von der Community als LTS-Versionen zur Verfügung gestellt werden, hat mich begeistert. Das Ganze hat dazu geführt, dass ich vor zwei Jahren Teile der AdoptOpenJDK-Webseite auf Deutsch übersetzt und dabei geholfen habe, dass das IcedTeaWeb-Projekt nach AdoptOpenJDK migriert wurde. Das hat dazu geführt, dass mit OpenWebStart ein Nachfolger beziehungsweise eine Alternative für Oracle WebStart zur Verfügung steht.

Andreas Ahlenstorf
Interview zu Eclipse Adoptium

Andreas Ahlenstorf ist Mitglied des AdoptOpenJDK TSC und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Informationstechnologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Andreas Ahlenstorf: Ich bin an einer Hochschule tätig. Java ist ein Eckpfeiler unseres Informatik-Studiums und der Forschungsaktivitäten. Aufgrund von Oracles Lizenzänderung und der neuen halbjährlichen Veröffentlichungskadenz musste eine Alternative her, die unseren Bedürfnissen Rechnung trägt. Open Source war ein wesentliches Kriterium, da man bei proprietären Produkten oft bestenfalls die Rolle des Beifahrers einnehmen kann. AdoptOpenJDK hat die meisten Anforderungen erfüllt – und was fehlte, konnte ich selbst ergänzen, sodass jetzt alle davon profitieren können.

Bei AdoptOpenJDK liegt nicht nur der Quellcode von Java offen, sondern auch der der gesamten unterstützenden Infrastruktur – Installationspakete, Build-Skripte und Testsuiten. Das gibt es meines Wissens bei keinem anderen Anbieter und auch nicht bei OpenJDK, was ich bedauere. Durch mein Engagement ergibt sich zudem die Möglichkeit für unsere Studenten, an einem internationalen Projekt mit Industriebeteiligung mitzuwirken.

heise Developer: Wie stellt ihr euch derzeit im Technical Steering Commitee auf? Und wird sich durch den Umzug zu Eclipse daran etwas ändern?

Ebbers: Aktuell hat das Technical Steering Commitee (TSC) neun Mitglieder. Man merkt sicherlich noch immer, dass die Community innerhalb der London JUG gegründet wurde. Einige der Mitglieder wie Martijn Verburg sind seit der Gründung dabei und haben das Projekt überhaupt erst zum Fliegen gebracht. Natürlich sind diese Personen nun auch im TSC zu finden. Zudem sind Firmen vertreten, die das Projekt bereits in einer sehr frühen Phase unterstützt haben. Hier kann man sicherlich IBM und Red Hat hervorheben.

Ahlenstorf: Das Tagesgeschäft von AdoptOpenJDK tragen nun im Wesentlichen Angestellte von IBM und Microsoft. Das spiegelt sich in der Zusammensetzung des Steuerungskomitees. Jeweils drei der neun Mitglieder stammen von IBM oder Microsoft. Das ist aus meiner Sicht keine optimale Konstellation.

Ebbers: Interessanterweise verhält es sich mit Andreas und mir etwas anders. Wir sind erst später zum Projekt und TSC dazugekommen und vertreten auch keinen internationalen Konzern. Mit der Karakun AG und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sind durch uns zwei weitere Interessengruppen der Community im TSC vertreten. Aber genau so sollte eine Community ja auch aufgebaut sein.

Ahlenstorf: Der Beitritt zur Eclipse Foundation soll AdoptOpenJDK breiter abstützen und die Java-Community besser einbinden. Hierdurch bekommt AdoptOpenJDK eine komplett neue Führungsstruktur. Allein schon dadurch werden sich die Kräfteverhältnisse verändern. Ich möchte das aber nicht so verstanden wissen, dass wir bisher durch IBM oder Microsoft dominiert wurden. Bei sämtlichen Gesprächen oder Entscheidungen, bei denen ich anwesend war, stand immer das Wohl von AdoptOpenJDK im Fokus, nicht das von IBM oder Microsoft.

Ebbers: In der Eclipse Foundation wird es in Zukunft für Adoptium eine Working Group geben, die herstellerneutral und Community-freundlich geführt werden soll. Aber natürlich werden die bisherigen Mitglieder weiter aktiv an Adoptium mitarbeiten.

Ahlenstorf: Ich wäre außerdem sehr erfreut, wenn wir bald weitere Mitglieder, seien es Einzelpersonen, KMUs oder Großunternehmen, bei uns als tatkräftige Helfer begrüßen dürfen.

heise Developer: Was hat letztlich den Ausschlag gegeben, die Eclipse Foundation als neue Heimat aufzusuchen?

Ahlenstorf: Im Unterschied zu vielen anderen Open-Source-Projekten haben wir eine sehr umfangreiche Infrastruktur, die finanziert und gepflegt werden muss. Das geht mit der Zeit nicht mehr nebenher ausschließlich mit Freiwilligen. Und sobald man Leute anstellen oder Verträge mit Sponsoren abschließen will, braucht es auch einen juristischen tragfähigen Rahmen. Den haben wir nun mit der Eclipse Foundation.

Ebbers: Aber die Eclipse Foundation war nicht die einzige Organisation, die als neues Zuhause für AdoptOpenJDK in Frage kam. Das TSC hat unterschiedliche Möglichkeiten diskutiert und auch mit verschiedenen möglichen Partnern gesprochen. Hier gibt es unterschiedliche Dinge zu beachten. So waren zum Beispiel Lizenzen ein wichtiges Thema. Open-Source-Stiftungen erlauben oft nur Veröffentlichungen mit bestimmten Lizenzen, aber die Eclipse Foundation bietet hier Flexibilität.

Eclipse hatte sicherlich einen Bonus, da die Organisation bereits viele große Java-Projekte wie Jakarta EE oder die Eclipse IDE hostet und sich somit mit der Materie auskennt. Auch die Arbeit bei der Übernahme von Jakarta EE hat gezeigt, dass die Foundation mit solchen Projekten umgehen kann. Unsere Sponsoren haben sie als Wahl ebenfalls begrüßt. Viele Firmen haben bereits vordefinierte Prozesse, um Projekte in der Eclipse Foundation zu unterstützen oder sind bereits Mitglied bei Eclipse. Schließlich haben uns aber auch die Gespräche mit Mike Milinkovich [Executive Director der Eclipse Foundation; Red.] und anderen Vertretern der Eclipse Foundation überzeugt.

heise Developer: Angesichts der bisherigen Geschichte von Java nicht verwunderlich hat ein Leser in unserem Forum die Frage gestellt, wie sich das nun mit Oracles TCK verhält.

Ahlenstorf: Darauf können nur Oracle, die Eclipse Foundation und deren Anwälte eine Antwort geben. Was ich sagen kann: AdoptOpenJDK ist schon lange daran interessiert, unsere Veröffentlichungen zusätzlich dem TCK zu unterziehen. Von Adoptium wird es nur TCK-geprüfte Veröffentlichungen geben. Das steht so in der vom Eclipse Board genehmigten Projektbeschreibung, was eine Auflage von Oracle war.

Ich kann dem Konflikt rund um AdoptOpenJDK und zum TCK wenig abgewinnen und würde es begrüßen, wenn die Hauptparteien, zu denen offenbar auch IBM gehört, das baldmöglichst unter sich klären. Alles andere ist meines Erachtens für die Java-Community nicht förderlich und wirkt abschreckend.

Ebbers: Oracle bietet das Java SE Technology Compatibility Kit (TCK) an. Durch dieses können Java Binaries als kompatibel zum Java-Standard zertifiziert werden. Das TCK umfasst hierbei verschiedenste Tests, die ein Binary auf die Einhaltung der Java-Standards überprüfen. Man kann sich das Ganze im Grunde wie eine große Testsuite mit Unit- und Integrationstests vorstellen. Da die Sourcen des TCK und dessen Dokumentation nicht frei verfügbar sind, kann man es sich leider nicht einfach mal anschauen.

Wer sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird wissen, dass die Binaries von AdoptOpenJDK aktuell nicht TCK-zertifiziert sind. Leider war es hier nicht möglich, eine Einigung zwischen der AdoptOpenJDK-Community und Oracle zu finden.

Für Eclipse Adoptium ist eine Zertifizierung durch das TCK aber bereits angekündigt, und wir arbeiten bereits an der Umsetzung. Technisch sind da eh schon lange alle Vorbereitungen getroffen.

heise Developer: Werden gewisse Package-Namen aus lizenzrechtlichen Gründen geändert werden müssen – so wie das bei Java EE beziehungsweise Jakarta EE zu verfolgen war?

Ebbers: Die Java-Distributionen, die innerhalb des Adoptium-Projekts angeboten werden, haben keinerlei Änderungen in den Package-Namen. Anders als bei Jakarta EE ziehen ja nicht die Sourcen des OpenJDK zu Eclipse. AdoptOpenJDK war ja immer ein Projekt, das basierend auf den OpenJDK-Sourcen Java-Distributionen gebaut und zur Verfügung gestellt hat. Genau das wird auch das Hauptaugenmerk bei Eclipse Adoptium sein. Natürlich wird es daneben auch weitere Bestandteile von Adoptium geben. Beispiele sind jlink.online oder jitwatch, die aktuell beide unter AdoptOpenJDK gehostet sind und deren Umzug zu Eclipse Adoptium ebenfalls geprüft wird.

Ahlenstorf: Der Name AdoptOpenJDK wird verschwinden. Wo heute AdoptOpenJDK steht, wird künftig etwas anderes stehen. Das ist schon deshalb nötig, weil OpenJDK ein geschützter Begriff von Oracle ist. Die Umbenennung wird nicht über Nacht geschehen, sondern ein längerer Prozess sein mit großzügigen Übergangsfristen. Wie Hendrik schon erwähnt hat, wird unser JDK weiterhin ein Eins-zu-eins-Ersatz sein. Betroffen sein werden primär die Leute, die Bibliotheken von uns verwenden. Ansonsten dürften sich die Anpassungen auf das Ändern von Download-URLs beschränken. Der Rest wie die Umbenennung der Linux-Pakete dürfte für die Endanwender automatisch geschehen.

heise Developer: Bei anderen Java-Distributoren ist es ja möglich, Beratung oder kommerziellen Support zu kaufen. An wen können sich Anwender von Adoptium wenden, wenn sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen?

Ebbers: AdoptOpenJDK bietet mit Issues bei GitHub oder dem AdoptOpenJDK Slack verschiedene Möglichkeiten, um Unterstützung bei Fragen und Problemen von der Community zu erhalten. Darüber hinaus gibt es schon jetzt für AdoptOpenJDK die Option, sich kommerziellen Support bei IBM zu kaufen. Wie genau sich das dann bei Adoptium darstellt, wird sich noch zeigen. Aber schon jetzt ist sicher, dass ja bei Adoptium etliche Firmen wie Karakun mitwirken, die sich sehr gut darauf verstehen, Anwender bei technischen oder auch nichttechnischen Fragen bezüglich Java, OpenJDK und den verschiedenen Java-Distributionen zu unterstützen.

(ane)