Wahlorakel Internet

Forscher des Webportals Yahoo wollen aus Online-Daten verlässliche Prognosen entwickeln, wer in den USA die Präsidentschaftswahlen gewinnt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christopher Mims

Forscher des Webportals Yahoo wollen aus Online-Daten verlässliche Prognosen entwickeln, wer in den USA die Präsidentschaftswahlen gewinnt.

Umfragen stellen nach wie vor das wichtigste Instrument für Wahlforscher dar, um vorherzusagen, wer politische Ämter erringen könnte. Der Wirtschaftswissenschaftler David Rothschild und der Computerwissenschaftler Dave Penneck von Yahoo Research wollen mit ihrem Projekt "The Signal" nun neue Wege für die Wahlprognose aufzeigen, in dem sie verstärkt das Internet als Datenquellen anzapfen. Sie kombinieren dabei Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens mit Methoden aus der Wirtschaftsmodellierung.

Die Öffentlichkeit soll dabei auf spielerische Art eingebunden werden. Dabei übertragen Rothschild und Pennock das Modell einer "Fantasy Sports"-Liga, bei der Online-Spieler ihre eigenen Teams aufbauen, auf die US-Politik. "Fantasy Politics" nennt sich das Konzept, bei dem Nutzer Ergebnisse jedweder Art vorhersagen dürfen, um Punkte zu erzielen.

"Die Leute können auf so einfache Dinge wetten wie die Frage, ob die Demokraten in Kalifornien gewinnen", erklärt Pennock. "Wer möchte, kann aber auch tiefer einsteigen und die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, mit der die Demokraten sowohl Ohio als auch Florida gewinnen. Oder ob die Republikaner zwar Florida gewinnen, die Gesamtwahl aber verlieren." Solche Wetten sollen "Fantasy Politics", das im Frühjahr online gehen soll, eine Komplexität verleihen, die es so noch nicht gegeben hat. Pennock und Rothschild wollen so einen sogenannten Prediction Market aufbauen, einen Marktplatz für Vorhersagen des politischen Geschehens.

Das bereits verfügbare Angebot "The Signal" bedient sich dagegen Echtzeitdatenströmen. Dabei werden unter anderem Yahoo-Suchbegriffe und Twitter-Postings geprüft. Stimmungsanalysen, bei denen anhand von Eingaben automatisch bestimmt werden kann, was Leute bei ihren Aussagen empfinden, seien zwar noch ganz am Anfang. "Aber es ergeben sich bereits jetzt schon politische Einblicke, die durch Umfragen gar nicht möglich sind", sagt Rothschild.

Eine Einschränkung der Demoskopie bleibt, dass sie zumeist binär abläuft: Sie fragt, für was man stimmt, aber nur eingeschränkt, warum das so ist. Stimmungsdaten können Politikbeobachtern dagegen präzise mitteilen, warum die Zahlen eines Kandidaten gerade ausschlagen. Ein Beispiel ist der konservative Präsidentschaftskandidat Rick Santorum. Anfangs interessierten sich die Wähler laut Twitter und Yahoo-Suche vor allem für seine ablehnende Haltung gegenüber der Schwulenehe und sein Verhältnis zu Minderheiten. Später ging es dann wieder um Wirtschaftspolitik.

"Ein solcher Wechsel kann in Stunden oder Tagen ablaufen, auf einem zeitlichen Level, das durch Umfragen nicht erfasst wird", sagt Rothschild. Es sei sogar möglich, aus der Stimmungsanalyse zu bestimmen, ob ein Kandidat oder ein Thema längerfristig in der Diskussion bleibe oder es nur kurzlebig sei.

Prediction Markets scheinen bereits jetzt besser darin zu sein, die Langlebigkeit von Trends vorherzusagen. Während Kandidaten wie Herman Cain, Rick Perry oder Donald Trump in den Umfragen allesamt einmal auf Platz 1 der republikanischen Präsidentschaftskandidatenkür standen, gaben Prediction Markets wie der "Fantasy Politics"-Konkurrent Intrade eher das Signal, dass Mitt Romney, der aktuelle Favorit, vorne lag.

Dem sagen die Yahoo-Forscher nun auch eine Siegchance von 90 Prozent für die Nominierung voraus. Helfen wird ihm das aber vermutlich nicht, so Rothschild und Pennock. Präsident Obamas Werte hätten sich in den letzten zwei Monaten konstant erhöht. "Laut den letzten Resultaten liegen seine Siegeschancen bei 52,9 Prozent." (bsc)