Web-Werbung, die im Gedächtnis bleibt

Forscher an der University of Kentucky untersuchen, wie Online-Reklame auf den Betrachter wirkt. Klickraten, so das vorläufige Ergebnis, werden überschätzt.

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Von
  • Andrew Schrock

Eine neue Studie zur Wirkung von Web-Anzeigen enthält eine frohe Botschaft für Online-Medien: Offenbar reicht es aus, ein Banner nur einzublenden, damit sich der Kunde an die Werbeaussage erinnert. Die direkte Interaktion in Form von Klicks, so die Forscher, sei nichts, auf das man sich übermäßig konzentrieren müsse. Diese Erkenntnisse könnten die Art, wie Online-Werbung ausgeführt, gezählt und bezahlt wird, deutlich verändern.

Normalerweise gilt Online-Werbung vor allem dann als effizient, wenn sie eine Antwort seitens der potenziellen Kundschaft provoziert - eben einen Mausklick. Chan Yun Yoo, Juniorprofessor an der Fakultät für Journalismus und Telekommunikation der University of Kentucky, fand nun heraus, dass Nutzer nach Betrachtung von Web-Anzeigen Informationen daraus auch im so genannten mittelbaren Gedächtnis wahrnehmen.

Das unmittelbare Gedächtnis erfasst hingegen alle Dinge, die wir durch direkte Interaktionen erlernen. So gespeicherte Informationen aus Werbung beinhalten beispielsweise Slogans, Produktfakten und Website-Adressen - alles, was wir bewusst aufnehmen wollten. Das von den Werbebannern jedoch offensichtlich ebenfalls beeinflusste mittelbare Gedächtnis tritt dann in Aktion, wenn externe Stimuli einmal Gelerntes wieder hervorholen. So erkennt ein Kunde beispielsweise eine Zahnpastamarke aus der Fernsehwerbung wieder, wenn er sie plötzlich im Supermarkt vor sich hat. Oder er entwickelt eine unterbewusste Affinität zu einer bestimmten Marke, obwohl er gar keine konkreten Fakten über sie kennt.

In Yoos Studie konnten dementsprechend diejenigen, die die Werbebanner aufmerksam betrachteten, zwar eher Wortteile und Fakten aus diesen nachträglich rezitieren - im Gegensatz zur unaufmerksamen Kontrollgruppe. Das mittelbare Gedächtnis wurde jedoch bei beiden Gruppen gleich stark beeinflusst - egal ob sie Werbung angeklickt hatten oder nicht. Die Studie ist auch deshalb relevant, weil sie der Annahme widerspricht, Online-Reklame sei nur dann effektiv, wenn der Betrachter sofort auf sie reagiere.

Donna Hoffman, Co-Direktorin des "Sloan Center for Internet Retailing" an der University of California in Riverside, meint, dass Yoos Forschung traditionelle Ideen der Medienrezeption auf das Internet übertrage. In anderen Medien wie dem Fernsehen rechneten Werber ja auch nicht typischerweise damit, dass das Publikum sofort mit den Anzeigen interagiere. Der Gedanke, dass Banneranzeigen die unterbewusste Wahrnehmung beeinflussten, rufe auch die Frage hervor, was überhaupt die effizienteste Form von Reklame in dem neuen Medium sei.

Yoo sieht zwei wichtige Auswirkungen aus seiner Arbeit: Die Werbetreibenden müssten sich erstens neu über die tatsächlichen Ziele von Web-Reklame bewusst werden und zweitens auf der Zahl der Werbeeinblendungen basierende Zählmethoden stärker verwenden, um die echte Wirkung von Web-Reklame zu bewerten. Klickraten, die den prozentualen Anteil der Personen darstellen, die eine Anzeige nach dem Betrachten auch anklicken, seien nur nützlich, um zu bestimmen, ob eine Anzeige eine sofortige Reaktion hervorruft. Die so genannten Impressions, also die Anzahl der Einblendungen, seien ein besseres Merkmal für die Werbepower, die aufgeboten müsse, um ein Markenimage aufzupolieren.

Viele Medien verkaufen derzeit beide Varianten. Bei Google Adsense kann man entweder nach Einblendungen oder nach Klicks bezahlen. Die Video-Website Revver setzt aktuell vor allem auf Klicks, hat aber kürzlich eine Impressions-basierte Abrechnung eingeführt.

Heather Luttrell, Präsidentin des Online-Vermarkters IndieClick aus Los Angeles, setzt auf Einblendungen, um Nutzer und Werbetreibende zusammenzuführen.

"Klicks sind nicht das Wichtigste", meint Luttrell. Wie die Nutzer ein Angebot fänden, sei weniger bedeutsam als das Tracking der Aktivitäten auf der Website des Werbetreibenden, wenn sie diese einmal erreicht hätten.

IndieClick fand nach eigenen Angaben heraus, dass Klicks nur einen geringen Teil der zusätzlichen Aktivität auf einer Seite ausmachten, die durch eine Anzeigenkampagne ausgelöst würden. Ergo: Wirbt der Kunde, kommen die Nutzer auch von selbst auf sein Angebot.

Yoo empfiehlt, mit der Online-Werbung beide Gedächtnisbereiche anzusprechen - das mittel- und das unmittelbare. Eine größere Web-Kampagne sollte daher nicht nur auf das Klickverhalten abheben. Viele der unterbewussten Auswirkungen von Online-Werbung seien noch gar nicht erforscht. (bsc)