Weltraum: Die Zeitmaschine

Was wartet jenseits unseres Sonnensystems? Mit einem neuen Teleskop wollen Astronomen tiefer ins All schauen als je zuvor – um neues Leben zu finden und die Anfänge des Kosmos zu enthüllen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christian Rauch

Rund zwei Wochen nach seinem Start im Frühjahr 2019 wird das James Webb Space Telescope ein beeindruckendes Schauspiel vollführen: Weit jenseits der Mondbahn wird es sechs goldbeschichtete Spiegelsegmente ausklappen und seinen Hauptspiegel so auf volle 6,5 Meter Durchmesser vergrößern. Damit wird das Gemeinschaftsprojekt von Nasa, Esa und kanadischer CSA das größte Weltraumteleskop der Astronomiegeschichte sein. Es kann zehnmal mehr Licht auffangen als sein Vorgänger, das Hubble-Teleskop.

Wissenschaftler wollen mit ihm eine Zeitreise bis fast an den Ursprung des Universums unternehmen. Denn ferne Sterne, deren Licht extrem lange zu uns unterwegs war, sehen wir zugleich in einem jungen Stadium. Bisher endete die Sicht bei einer Lichtlaufzeitdistanz von etwa 13,3 Milliarden Jahren – kam also nur bis auf 500 Millionen Jahre an den Urknall heran. Die Zeit davor blieb unerforscht. Lediglich über eine kürzere Epoche von einigen Hunderttausend Jahren nach dem Urknall konnten Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung Aufschluss geben.

"Spannend ist aber der bisher unsichtbare Zeitraum dazwischen, denn da entstanden die ersten Sterne und Galaxien", sagt Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Um in solch vermeintlich leere Fenster des Alls noch tiefer hineinzublicken, nutzt das neue Teleskop den Infrarotbereich, beobachtet also langwelligere elektromagnetische Strahlung als das sichtbare Licht. "Da sich das Universum ausdehnt, wird die Wellenlänge des sichtbaren Lichts von Sternen in fernen Galaxien auf seinem Weg zu uns zunehmend in das Infrarotspektrum verschoben", erklärt Jäger. "Das James Webb Space Telescope kann daher besonders ferne Objekte gut beobachten." Damit, so hoffen Jäger und seine Kollegen, ließe sich die Grenze des beobachteten Universums weiter in Richtung Urknall verschieben.

Platziert wird das Webb-Teleskop um den Lagrange-Punkt L2 außerhalb der Mondbahn. Damit umkreist es die Sonne quasi im Gleichschritt mit der Erde, nur in einem etwas größeren Abstand. Auf dieser Position eignet sich der neue Infrarot-Späher zudem, um näherliegende Sterne zu beobachten, die gerade in ihrer Entstehungsphase sind. Bei einer Sternengeburt streuen weit ausgedehnte Staubnebel gewöhnlich das sichtbare Licht, sodass nur wenig davon nach außen dringt. Die langen Wellen im Infrarotbereich entweichen dagegen ungestört und sind messbar.

Besser studieren lassen sich mit dem Webb-Teleskop auch protoplanetare Scheiben, flache Ringe aus Gas und Staub um einen Stern herum, aus denen später Planeten wachsen. Denn sie sind in ihrem Inneren vergleichsweise warm und senden daher infrarote Wärmestrahlung aus. Das Hubble-Teleskop hat solche Scheiben 1994 erstmals ins Visier genommen. Der tiefere Blick seines Nachfolgers soll Wissenschaftlern nun helfen, die Entstehung von Exoplaneten besser zu verstehen. "Wir kennen bisher unterschiedlichste Planetensysteme da draußen", sagt Klaus Jäger. "Manche ähneln unserem Sonnensystem, manche beinhalten große Gasplaneten nahe am Mutterstern, manche beheimaten eventuell nur Gasplaneten oder Steinplaneten."

Das James-Webb-Teleskop wird ausgewählte Exoplaneten auch direkt beobachten. Es misst dazu die minimalen Helligkeitsschwankungen, die ein Planet hervorruft, wenn er vor seinem Mutterstern vorbeizieht. Dabei lässt sich sogar auf die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre schließen. Denn auf ihrem Weg zum Teleskop durchqueren die Lichtstrahlen des Muttersterns auch die planetare Gashülle und gehen dort Wechselwirkungen mit den Partikeln ein. Das hinterlässt je nach Beschaffenheit der Gasteilchen im Lichtspektrum charakteristische Spuren.

Für seine Beobachtungen wird das Webb-Teleskop mit drei hochempfindlichen Messgeräten ausgerüstet: Die Infrarotkameras MIRI und NIRCam sollen Bilder und Spektralanalysen der anvisierten Sterne, Galaxien und Exoplaneten liefern. Das von Airbus entwickelte NIRSpec-Instrument kann Spektren von bis zu 100 Objekten gleichzeitig ermitteln. "Die Instrumente müssen stark gekühlt werden auf minus 267 bis 240 Grad Celsius, damit die Eigenwärme nicht das gemessene Infrarotlicht und die empfindlichen Detektoren beeinträchtigt", erklärt Oliver Krause vom Heidelberger Max-Planck-Institut, der an der Entwicklung der MIRI-Infrarotkamera mitgearbeitet hat. Neben aktiver Kühlung ist dafür ein tennisplatzgroßer Sonnenschild vorgesehen, der sich im Weltraum entfalten und das gesamte Instrumentarium permanent vor Sonneneinstrahlung schützen soll.

Sogar Spuren von Leben ließen sich aus der Ferne finden. Ein möglicher Hinweis darauf könnte sein, wenn Sauerstoff und Methan zusammen vorkommen. Die beiden Gase reagieren nämlich normalerweise miteinander. Daher können sie nur dann gleichzeitig in einer Atmosphäre existieren, wenn irgendetwas auf dem Planeten ständig Sauerstoff und Methan nachproduziert. Und dafür kommen vor allem organische Prozesse infrage.

James Webb Weltraumteleskop: Hauptspiegel ist fertig (8 Bilder)

Die ersten sechs Segmente des Hauptspiegels kurz vor einem Kältetest: So soll sichergestellt werden, dass der Spiegel auch wie gewünscht bei extremen Temperaturen arbeitet.
(Bild: NASA/MSFC/David Higginbotham)

(bsc)