Weniger Krach an der Autobahn mit vibroakustischen Metamaterialen

In Österreich könnten Autobahn-Anwohner bald sehr effektiv vor Verkehrslärm geschützt werden – mit akustischer Metamaterial-Technik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 47 Kommentare lesen

(Bild: Ulf Wittrock/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Lärm – vor allem Verkehrslärm – ist ein bedeutender Stressfaktor für Anwohner. Allerdings ist Schall nur schwer zu bändigen. Übliche konventionelle Schutzmaßnahmen sind dicke Dämmmaterialien – sprich: massive, undurchsichtige, hohe Schallschutzwände, die Straßen und Bahntrassen einschließen – oder akustische Resonatoren, die den Schall absorbieren. Beide lösen das Verkehrslärm-Problem aber nur sehr begrenzt.

Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) und die österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) haben nun eine Lösung für den steten Konflikt zwischen dem Wunsch nach Leichtbau und effizienten Lärmschutz gefunden: vibroakustische Metamaterialien. Damit ist es den Forschenden des LBF gelungen, sogar Glaswände zu guten Schallschutzwänden umzufunktionieren. Eine mit ihren akustischen Metastrukturen ausgestattete Glas-Lärmschutzwand hat die Übertragung von Schall – zumindest im Labor – um bis zu 20 Dezibel gesenkt. Verringert sich der Schalldruckpegel nur um sechs Dezibel nimmt das menschliche Ohr die Geräusche nur noch halb so laut wahr.

Vibroakustische Metamaterialien sind – wie alle Metamaterialen – keine Materialien im stofflichen Sinn. Metamaterialien entstehen durch eine Wechselwirkung zwischen einem Material und seiner Struktur. Aus einem konventionellen Material, wie etwas einer Schallschutzwand aus Glas, wird eine vibroaktustische Meta-Wand, indem die Forschenden kleine Resonatorstrukturen periodisch auf ihrer Oberfläche anordnen.

Diese Resonatoren können aus unterschiedlichen Materialien aufgebaut sein, meist sind es sogar mehrere Materialien. Entscheidend ist jedoch nicht das Material, aus dem sie hergestellt sind. Ihre Wirkung entfalten sie erst, wenn sie in Abständen zueinander angebracht werden, die kleiner sind, als die halbe Wellenlänge der Luftschwingung, die sie reduzieren sollen. Im Fall der Schallschutzwände für Autobahnen ist das das dumpfe Verkehrsrauschen, das eine durchschnittliche Frequenz von etwa 1000 Hertz hat. Ein Ton mit 1000 Herz hat in der Luft eine Wellenlänge von gut 34 Zentimetern. Die Resonatoren müssen also in einem Abstand von weniger als 17 Zentimetern auf den Schallschutzwänden angebracht werden. Dann erzeugen sie so genannte Stopp-Bänder in der Schallübertragung. In diesen Bereichen können sich die Schallwellen nicht weiter ausbreiten.

Letztlich ist das vibroakustische Metamaterial ein Schallwandler. Es überführt Luftschall, der sich in Schallwellen durch die Luft ausbreitet, in Körperschall, der in festen Materialien schwingt. Etwa bei Erdbeben, Trittschall im Wohnhaus oder Schwingungen im Auto. Dazu gehören ebenfalls in der Werkstoffprüfung verwendete Ultraschallwellen. Diese Körperschallwellen absorbiert die Schallschutzwand dann.

Die Versuche mit den gläsernen vibroakustischen Meta-Schallschutzwänden waren so erfolgreich, dass der Laborprototyp demnächst auf den Österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen erprobt werden soll. Da der Schall-Schluck-Effekt vor allem an der Struktur und nicht am Material der Resonatoren hänge, sehen die Fraunhofer-Entwickler der möglichen Lebensdauer zuversichtlich entgegen. Das Material könne bewusst langlebig, robust und witterungsbeständig ausgeführt werden, kommentierten sie Nachfragen der ASFINAG-Jury im Rahmen der Ausschreibung „Autobahnen und Schnellstraßen: Lärmlast durch Technologie reduzieren“. Ebenso stünde den immer wichtiger werdenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit nichts im Weg.

Da einmal aufgestellte vibroakustische Schallschutzwände passiv arbeiten, benötigen sie weder Wartung noch technische Betreuung und selbst das Nachrüsten vorhandener Schallschutzwände sei möglich – mehr Stille an der Autobahn könnte künftig nur noch eine Frage der passenden Halterung für Resonatoren sein.

(jsc)