Wie Vietnam Teil der US-Chiplieferkette werden soll

Im GroĂźmachtkonflikt mit China wollen die USA aus Ex-Feinden kĂĽnftige Freunde machen. Mit viel Kapital wird das kommunistische Vietnam zum wichtigen Partner.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen
Wappen von Vietnam

(Bild: Dragon Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Einst kämpften die USA gegen Vietnams Kommunisten. Jetzt will die Großmacht den ehemaligen Feind zum Teil ihrer Chip-Lieferkette machen. Das unterstrich US-Präsident Joe Biden im September bei seinem Besuch in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi mit mehreren strategischen Großprojekten, die Vietnam im Zusammenspiel mit anderen Ländern der Region zu einem industriellen Gegengewicht zu China machen sollen.

Gleich drei Unternehmen der amerikanischen Halbleiterindustrie kündigten umfangreiche Investitionen in dem autoritär regierten Staat an, allen voran Amkor Technology, Marktführer bei der Verpackung mehrerer Chips in einem Gehäuse. Die Amerikaner wollen 1,6 Milliarden US-Dollar in eine Fabrik investieren, in der Chips verpackt und getestet werden. Außerdem werden sie dazu ihre fortschrittlichste Technik einsetzen.

Als Standort hat sich Amkor die Provinz Bac Ninh ausgesucht. Diese hat sich zu einem Zentrum der Elektronikindustrie entwickelt, seit der südkoreanische Elektronik- und Chipriese vor mehr als zehn Jahren begann, dort Fabriken zu errichten. Amkor-Präsident Giel Rutten erklärte den Schritt: "Diese hochmoderne Fabrik in Vietnam wird Amkor helfen, unseren Kunden eine beispiellose geografische Präsenz zu bieten, die sowohl globale als auch regionale Lieferketten unterstützt."

Im Gepäck hatte Biden auch das Versprechen des Chipdesigners Marvell, in Ho-Chi-Minh-Stadt ein Designzentrum einzurichten. Der Grafikkartenhersteller Nvidia wiederum will in Vietnam mit Partnern künstliche Intelligenz entwickeln. Und das sind nur drei Boten für die fortschreitende Verlagerung von Lieferketten.

Mit am stärksten ist die Chipindustrie betroffen, in der die USA und China ihren Großmachtkonflikt mit besonderem Eifer austragen. Die USA wollen die Chipproduktion im eigenen Land stärken und in China schwächen. China wiederum will zur Chip-Großmacht aufsteigen. Bei Massenchips für Haushaltsgeräte ist China bereits ein wichtiger Akteur, bei Spitzenchips hinkt es der Weltspitze noch weit hinterher.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Angesichts dieses strategischen Konflikts versuchen immer mehr globale Unternehmen, die Lieferketten für China und die USA aufzuteilen. In China wird zunehmend für den heimischen Markt produziert, Produkte für die westlichen Märkte nach Möglichkeit in anderen Ländern. Damit die Firmen die von US-Präsident Donald Trump verhängten und von Biden fortgeführten Zölle für Importe aus China entgehen. Und dies spürt vor allem Vietnam immer stärker.

Zwar weigern sich Vorreiter wie Samsung nach wie vor, Chips in Vietnam zu produzieren. Auch die Ansiedlungspläne der vietnamesischen Regierung für Chipfabriken sind bislang nicht über das Verhandlungsstadium hinausgekommen, von Rückschlägen ganz zu schweigen. Zuletzt berichteten die Medien, dass Intel wegen instabiler Stromversorgung und Korruption auf den Ausbau seiner Aktivitäten verzichtet. Dennoch wird Vietnam zu einem immer wichtigeren Standort für Komponenten und nachgelagerte Prozesse in den komplexen Lieferketten der Halbleiterproduktion, nicht nur für US-Unternehmen.

Hana Micron, der südkoreanische Rivale von Amkor, investiert eine Milliarde Dollar in ein Verpackungswerk in der Provinz Bac Giang, wo bereits drei Apple-Zulieferer Uhren und iPads für den kalifornischen Großkonzern produzieren. Zudem liegt die Provinz in unmittelbarer Nähe zum Elektronikzentrum Bac Ninh.

Das hilft Vietnam sicherlich, wie von der Regierung geplant, in der globalen Wertschöpfungskette der Elektronik- und Chipindustrie nach oben zu klettern. China als Bevölkerungs- und Technologieriese dürfte aber vorerst ein wichtiger Teil der globalen Lieferketten bleiben. Denn andere Länder in der Region haben weder die Masse noch die Klasse und vor allem nicht die technologische und logistische Infrastruktur von China.

(jle)