Wie das MIT seine Epstein-Affäre aufklären will

Die Hochschule hatte mit dem skandalumwitterten Finanzmogul, der sich 2019 umbrachte, einige Berührungspunkte. Daraus will sie jetzt lernen.

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Wie das MIT seine Epstein-Affäre aufklären will

(Bild: Christopher Brown)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Angela Chen
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Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat Anfang Januar die Ergebnisse eines extern beauftragten Berichtes vorgestellt, mit dem die Verbindungen zwischen Jeffrey Epstein und der Hochschule aufgeklärt werden sollten. Der Investor, der im August in seiner Gefängniszelle tot aufgefunden wurde, soll einen Sexring betrieben haben, der zu nicht geringen Teilen aus Minderjährigen bestand.

In dem MIT-Report wird deutlich, dass Teile der Spitze der Universität "signifikante Fehler in ihrer Lageeinschätzung" vorzuwerfen sind. Das gilt etwa für die Annahme von Spenden durch Epstein und seine Firmen – obwohl die Hochschule selbst kein offizielles Verfahren zum Umgang mit umstrittenen Geldgebern hatte.

Es war bereits bekannt, dass Spitzenpersonal in der MIT-Verwaltung wusste, dass Epstein zwischen 2002 und 2017 rund 850.000 US-Dollar gab. Alle Spenden gingen entweder an den verstorbenen MIT-Computerwissenschaftler Marvin Minsky, den früheren MIT-Media-Lab-Direktor Joi Ito oder Seth Lloyd, Professor für Maschinenbau. Der Bericht bestätigt, das drei Direktoren des MIT, Jeffrey Newton, Gregory Morgan und Israel Ruiz, den Spenden zustimmten, wenn diese nur anonym blieben – und Epstein sie selbst nicht öffentlich machte.

Während die Geldgeschenke also bekannt waren, gibt es für die MIT-Führung immerhin eine gute Nachricht: Laut dem Bericht der Anwaltsfirma Goodwin Procter wusste sie nicht, dass Epstein zwischen 2013 und 2017 insgesamt neun Mal auf dem Campus war. Ito, der einräumen musste, dass seine eigenen Firmen außerhalb des MIT insgesamt 1,25 Millionen Dollar von Epstein einsammeln konnten, akzeptierte von dem Finanzmogul außerdem ein "persönliches Geschenk" in Höhe von 60.000 Dollar. Da er das seinem Arbeitgeber zunächst verschwiegen hatte, ist er aktuell beurlaubt – mit Weiterzahlung des Gehalts.

61 Seiten ist der Goodwin-Procter-Bericht lang. Er beschreibt auch, wie Epstein in Kontakt zum MIT kam. So traf er Seth Lloyd im Jahr 2004 beim "Edge Billionaires' Dinner in 2004", das der Literaturagent John Brockman ausrichtete. Er soll Epstein auch mit vielen anderen bekannten Wissenschaftlern zusammengebracht haben.

Ito wiederum traf Epstein auf einer TED-Konferenz im Jahre 2013 – genauer gesagt in einer Vorhalle der Veranstaltung, denn offiziell war er dort unerwünscht, weil er 2008 wegen der Anbahnung sexueller Kontakte mit einer Minderjährigen verurteilt worden war. Die Verbindung hergestellt hatte Linda Stone, damals ein Mitglied im Advisory Council des MIT Media Lab.

Das MIT wollte eigentlich noch viel mehr Spenden von Epstein annehmen. Um Kontroversen zu vermeiden, entschloss man sich, sie anonym zu behandeln. MIT-Finanzchef Israel Ruiz schrieb in einer E-Mail, es sei möglich, "Schenkungen in siebenstelliger Höhe auf diese Art" zu akzeptieren. Würden sie größer, müsse man das "noch einmal diskutieren". Später hielt Ruiz Spenden unter 5 Millionen Dollar im Jahr für akzeptabel, bei ein bis zwei Millionen auch anonym. Doch auch wenn Summen von bis zu 5 Millionen konkret diskutiert wurden, spendete Epstein letztlich nur jeweils 150.000 Dollar pro Durchgang.

Die Personen, die von Goodwin Procter befragt wurden, konnten sich nicht erinnern, dass es noch andere Fälle gab, in denen das Anonymstellen von Spenden vom MIT selbst ausgegangen sei – und nicht auf Bitten des Spenders. Nur Ruiz und Julie Lucas, Vizepräsidentin für Resourcenentwicklung, konnten sich erinnern, dass Epstein im Chefteam diskutiert wurde. Dabei seien Begriffe wie "Triebtäter" oder "Pädophiler" nicht verwendet worden. Ruiz selbst will nun nach dem Frühlingssemester zurücktreten.

2016 versuchte Media-Lab-Boss Ito, die Verwaltungsgesellschaft MIT Corporation zum Kontakt mit Epstein zu bewegen. Deren Vorsitzender Robert Millard solle ihn als Spender werben, schrieb er. "Kannst Du mir helfen, wie ich es hinkriege, Geld von JE zu bekommen?", fragte er. (Ito dachte Millard und Epstein würden sich bereits kennen.) Die MIT Corporation agiert als Kuratorium der Hochschule. Millard erklärte gegenüber Goodwin Procter, er habe sich persönlich von Epstein absetzen wollen, doch sei es nicht seine Aufgabe, Spenden zu verweigern.

Epstein selbst hielt sich aber nicht an die Regelung mit der Anonymität. Er gab selbst gegenüber anderen an, er sei an einem Kunstrestorationsprojekt mit Geld beteiligt und unterstütze das Coding-Projekt von Scratch. Beides stimmte allerdings nicht.

Laut Angaben von Media-Lab-Mitbegründer Nicholas Negroponte war Epsteins engster Freund am MIT der KI-Pionier Marvin Minsky, der ihn sogar im Gefängnis besucht habe. Epstein hatte 2002 100.000 Dollar an Minsky gespendet, mehrere Jahre vor seiner Verurteilung im Jahr 2008. Minsky werden diese Kontakte nun posthum vorgeworfen – und es kommt noch schlimmer. Virginia Giuffre, die sich als Opfer von Epstein bezeichnet, sagte aus, sie sei von ihm zum Sex mit Minsky gezwungen worden.

Nach dem Tod des KI-Wissenschaftlers im Jahr 2016 sprachen Negroponte und Ito darüber, ob sie Epstein zu einer Gedenkveranstaltung für Minsky auf dem Campus einladen könnten. Negroponte sah das so und meinte, er sei willkommen. Ito sagte Epstein jedoch, er solle im Media Lab bleiben und verhinderte, dass er zur tatsächlichen Veranstaltung sowie einem Empfang danach kam. Danach schrieb ein Mitarbeiter des Media Lab samt einer Fotoauswahl der Gedenkveranstaltung, diese dürften frei über soziale Medien verbreitet werden, "solange Jeffrey Epstein in ihnen nicht auftaucht!".

Im September kam dann ein Artikel des "New Yorker" heraus, in dem es hieß, Epstein habe Spenden in Höhe von 7,5 Millionen Dollar an das Media Lab "ermöglicht", die von Microsoft-Gründer Bill Gates und Private-Equity-Mogul Leon Black gestammt hätten. Die Gates-Stiftung bestritt den Vorwurf sogleich. Das Dementi wird im MIT-Untersuchungsbericht wiederholt, mit Vertretern von Black bekamen die Anwälte aber keinen Kontakt. Sie sehen keinen Beweis für die Aussage.

Nach dem Treffen mit Epstein will Ito eine "Due-Diligence-Prüfung" in Sachen Epstein vorgenommen haben. Er habe ihn gegoogelt und andere Menschen befragt, ob sie sich für ihn verbürgen könnten, darunter Negroponte. Er sprach außerdem mit anderen Technik-Milliardären, darunter einem ehemaligen LinkedIn-Manager aus der Chefetage des Karriereportals sowie einem "bekannten Professor an der Harvard Law School". Schon im März 2013 warnten Media-Lab-Mitarbeiter Ito, dass Epstein jemand ist, "mit dem das Labor nicht unbedingt arbeiten sollte". In Reaktion auf eine andere E-Mail von 2013, in der ebenfalls Bedenken zu Epstein aufgeführt werden, meinte Ito, er kenne die Geschichte des Investors, doch er halte ihn für "sehr clever und interessant", zudem sei Epstein "begeistert" von der Arbeit am Media Lab.

Auch 2015 und 2017 verteidigte Ito Epstein noch. In einer Mail an einen Media-Lab-Angestellten, der unglücklich über einen Besuch Epsteins auf dem Campus war, schrieb Ito: "Ich habe auch mit Nicolas [Negroponte] geredet, der ihn getroffen hat, und der stimmt mir zu, dass wir Jeffrey mit Respekt behandeln sollten."

Im Februar 2019, nachdem eine Untersuchung des "Miami Herald" das Interesse an dem Fall wiederbelebt hatte, entschieden Mitarbeiter des Media Lab, eine Spende Epsteins in Höhe von 25.000 Dollar abzulehnen – und zwar ohne Ito zu konsultieren. Nachdem dieser doch eingebunden wurde, stimmte er der Entscheidung nachträglich zu und verfasste schließlich eine erklärende E-Mail an Epstein mit einer Entschuldigung.

(bsc)