Wie eine pietätlose, KI-erzeugte Umfrage der Arbeit von The Guardian schadet

Neben einem Artikel der britischen Zeitung tauchte auf der Microsoft-Startseite ein merkwürdiger Poll auf – und der Guardian kann wenig tun.

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(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Benj Edwards
  • Ars Technica

Am vergangenen Dienstag meldete die in Großbritannien erscheinende Tageszeitung The Guardian eine journalistische Rufschädigung – und zwar ihre eigene. Microsoft hatte zuvor eine problematische, mit KI generierte Umfrage direkt neben einem Guardian-Artikel auf der populären MSN-Startseite platziert. Der KI-Poll spekulierte über die Todesursache einer Frau, um die es in dem Artikel ging. Zorn der Leserschaft war die Folge – und ein Reputationsproblem für das Presseorgan. "Das ist die erbärmlichste und ekelhafteste Umfrage, die ich je gesehen habe", schrieb ein Nutzer beispielsweise zu dem Artikel. Der Kommentarbereich wurde inzwischen abgeschaltet.

Die Umfrage erschien neben einer vom Guardian übernommenen Geschichte über Lilie James, eine 21-jährige Wasserballtrainerin, die mit Kopfverletzungen in Sydney tot aufgefunden worden war. Die offensichtlich ohne redaktionellen Eingriff erzeugte KI-Umfrage bot den Lesern dann drei Möglichkeiten, über die Ursache von James' Tod zu spekulieren: War es Mord, Unfall oder Selbstmord? Nach negativen Reaktionen wurde die Umfrage zwar entfernt, kritische Kommentare blieben jedoch zeitweise sichtbar, bevor sie gelöscht wurden.

Anna Bateson, Geschäftsführerin der Guardian Media Group, reagierte mit einem Brief an den Microsoft-Präsidenten Brad Smith. Darin kritisierte sie Microsofts Einsatz von generativer KI für die Erstellung von Umfragen zu sensiblen Themen. Eine Zustimmung des Verlags habe es nicht gegeben. "Das ist eindeutig ein unangemessener Einsatz von generativer KI durch Microsoft bei einer potenziell sensiblen Geschichte öffentlichen Interesses, die ursprünglich von Journalisten des Guardian geschrieben und veröffentlicht wurde."

Bateson argumentierte, dass die KI-Umfrage nicht nur für die Familie der verstorbenen Frau potenziell traumatisierend sei. Auch dem Ruf der Journalisten, die den ursprünglichen Artikel verfasst hatten, schade er. Sie wurden im Kommentarbereich beschimpft. Das Beispiel zeigt laut der Guardian-Chefin, wie wichtig ein "starker urheberrechtlicher Rahmen" für Verlage sei. Nur so könnte man die Nutzung von Inhalte durch Drittplattformen steuern.

Microsoft hat eigentlich eine Lizenzvereinbarung mit dem Guardian, die es dem Technologieunternehmen erlaubt, Artikel der Zeitung auch auf der MSN-Startseite zu veröffentlichen. Diese dient als Homepage und Aggregator samt Nachrichten-App und ist unter anderem im Edge-Browser voreingestellt. Bateson forderte Microsoft auf, sich zu verpflichten, künftig keine experimentellen KI-Technologien ohne Genehmigung neben dem Journalismus des Guardian zu verwenden. Der Konzern müsse stets deutlich machen, wenn KI-Tools zur Erstellung zusätzlicher Inhalte eingesetzt werden.

Bateson forderte Microsoft außerdem auf, die Verantwortung für die KI-Umfrage zu übernehmen. Dem Artikel müsse ein Hinweis beigefügt werden. Bei Redaktionsschluss dieses Artikels hatte sich Microsoft gegenüber dem Guardian jedoch noch nicht zu der Angelegenheit geäußert.

Der Vorfall ist nicht das erste Mal, dass Microsoft mit automatisierte KI-generierten Nachrichteninhalten für Kontroversen sorgt. Im September veröffentlichte MSN einen komplett KI-generierten Artikel, in dem der verstorbene ehemalige NBA-Spieler Brandon Hunter als 42-Jähriger bezeichnet wurde, der "nutzlos" gewesen sei. Im August publizierte MSN außerdem eine KI-Liste von Touristenzielen in Ottawa, die man nicht verpassen sollte. Darunter: die örtliche Lebensmitteltafel.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Ars Technica.

(bsc)