Wie man Trump beeinflusst

Forscher haben untersucht, wie man Twitter-Nutzer dazu bringen kann, dem Konto einer anderen Person zu folgen, um Einfluss auf sie zu nehmen. Bei vielen ist das offenbar nicht allzu schwierig.

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  • TR Online
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Im Januar 2018 starteten türkische Hacker eine ungewöhnliche Attacke auf Donald Trump, bei der sie versuchten, seine bekannte Obsession für soziale Medien auszunutzen. Sie griffen das Twitter-Konto des US-Präsidenten nicht direkt an, sondern übernahmen die Kontrolle über mehrere Twitter-Konten, denen Trump folgt. Anschließend schickten sie ihm darüber Nachrichten, die einen schädlichen Link enthielten.

Hätte der Präsident darauf geklickt, hätte er sein Twitter-Passwort verraten, sodass die Hacker die Kontrolle über seinen Zugang übernommen hätten. Sie wären in der Lage gewesen eigene Nachrichten zu verschicken, die scheinbar vom Präsidenten selbst stammten. Ein immenses Schadenspotenzial.

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Der Angriff wirft bedeutende Fragen über den Charakter von solchen Attacken in sozialen Medien auf. So hätten die Hacker auch subtiler vorgehen können. Statt die Konten der von Trump verfolgten Twitter-Konten zu knacken, hätten sie mit deren Inhabern nur interagieren und versuchen können, sie zu beeinflussen. Das Ziel dabei wäre gewesen, den Twitter-Filter zu verzerren, durch den Trump die Welt betrachtet.

Das sind keinesfalls rein theoretische Überlegungen. Mittlerweile gibt es viele Belege dafür, dass böswillige Akteure versucht haben, das Denken in den USA und Europa über soziale Medien zu beeinflussen. Dazu richteten sie unter falschen Namen Konten ein, über die sie politisch polarisierende Inhalte verbreiteten, die zum großen Teil selbst erfunden waren. Wie viel sie mit diesem Vorgehen erreicht haben, wird in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert.

Natürlich machen die USA dasselbe bei ihren Feinden seit langem. Im Jahr 2014 richtete das US-Außenministerium das Twitter-Konto @Think_Again_DOS ein, mit dem es versuchte, Gegenpropaganda gegen Aussagen des Islamischen Staats in Irak und Syrien (ISIS) zu verbreiten. Allgemein geht man davon aus, dass diese Bemühungen fruchtlos blieben.

Das wirft eine weitere interessante Frage auf: Wie geht man am besten vor, wenn man eine Einzelperson oder eine Gruppe mittels Twitter beeinflussen will?

Eine Antwort darauf liefert eine neue Arbeit von Fanyu Que am Boston College sowie Krishnan Rajagoplan und Tauhid Zaman am MIT. Sie haben untersucht, welche Faktoren einen Twitter-Nutzer dazu bringen, einem anderen zu folgen. Mit dieser Information wird es nach Angaben der Forscher weitaus einfacher, das soziale Netzwerk einer Person zu infiltrieren.

Für seine Studie richtete das Team zunächst sechs Twitter-Konten ein, die gemäß ihren Inhalten zu marokkanischen Künstlern zu gehören schienen. Anschließend suchte es nach weiteren Konten, die Twitter-Nachrichten zu „Marokko“ oder „Kunst“ veröffentlicht hatten.

Dann interagierten die „marokkanischen Künstler“ mit den Inhabern dieser Konten – jeweils mehr als 100 Personen. Sie verbreiteten eine ihrer Nachrichten weiter, folgten ihnen oder antworteten auf sie. Mit einem Kontroll-Konto machten sie nichts weiter als eigene Nachrichten zu veröffentlichen. Anschließend ermittelte das Team die so erreichte Erfolgsquote, also die Wahrscheinlichkeit, dass eines der anderen Konten ihren folgte.

Wie sich zeigte, brachten Retweets eine Follower-Quote von etwa 5 Prozent. 5 Prozent der Künstler, deren Nachrichten von den Fake-Konten der Forscher weiterverbreitet worden waren, folgten ihnen also anschließend. Das Verfolgen eines Kontos führte zu einer höheren Erfolgsquote von 14 Prozent.

Wenn die Forscher sowohl Nachrichten weiterverbreiteten als auch dem Konto folgten, ergab sich jedoch eine Erfolgsquote von 30 Prozent. „Die zusammengenommenen Effekte dieser beiden Interaktionen sind größer als ihre addierten Einzelwirkungen“, schreiben Que und Kollegen. Ein weiteres Ergebnis: Wenn ein großer Anteil der eigenen Follower dem Ziel bereits folgt, erhöht sich ebenfalls die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Ziel zum Follower des eigenen Kontos wird.

All das lässt unmittelbar eine potenzielle Strategie zur Beeinflussung erkennen: Die Personen, die dem Ziel folgen, dazu bringen, dass sie zu Followern des eigenen Kontos werden, und dann Nachrichten des Ziels weiterverbreiten und ihm folgen. Dadurch müsste sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel dem eigenen Konto folgt, deutlich erhöhen lassen.

Que und Kollegen haben auch untersucht, wie das in der Praxis funktionieren könnte. Dazu simulierten sie die Netze um einflussreiche Personen wie Donald Trump, Elon Musk, Emma Watson und Justin Timberlake. Sie rekonstruierten die Netze aus den Freunden dieser Personen und den Freunden der Freunde und analysierten dann, wie sich ihre optimierte Vorgehensweise zur Gewinnung von Followern durch das Netzwerk verbreiten würde.

Dazu legten sie zunächst ein Modell-Konto an, das versucht, jede Person in den simulierten Netzwerken zu beeinflussen. Das Ergebnis – ob also ein Gegen-Follower gefunden wird oder nicht – wurde über die zuvor experimentell ermittelten Wahrscheinlichkeiten bestimmt. Und weil die Wahrscheinlichkeit davon abhängt, wer dem Modell-Konto folgt, wiederholten Que und Kollegen diesen Prozess ungefähr 10.000-mal.

Die Ergebnisse dieser Simulationen sind deutlich. „Unsere Vorgehensweisen können die erwartete Zahl an Followern um eine ganze Größenordnung höher ausfallen lassen“, schreiben die Forscher.

Das ist beeindruckend und zugleich beunruhigend. Es bedeutet, dass nicht nur einflussreiche Personen gute Ziele für Hacker sind, sondern auch die Konten, denen diese Personen folgen. Allerdings können viele dieser Konten selbst einflussreich und nicht leicht anzugreifen sein, weil sie viele Follower haben und vielen Konten folgen. Also besteht die optimale Strategie darin, auf Konten abzuzielen, die nicht viel Einfluss haben.

Trump selbst ist hier relativ gut geschützt. Er folgt nur 45 Personen, von denen die meisten selbst eine große Zahl von Followern haben. Dadurch wird es für einen Angreifer schwieriger, Fake-Konten mit einer großen Überlappung bei den Followern zu schaffen. Bei Trump ist es also schwierig, die Personen zu beeinflussen, denen er folgt. Bei anderen aber geht es viel einfacher.

Das hat Bedeutung für Hacker, aber auch für Werbe- und Marketing-Kampagnen. „Unsere Arbeit könnte unmittelbar eingesetzt werden, um zielgerichtete Marketing-Kampagnen zu verbessern“, schreiben die Forscher.

Gleichzeitig, so räumen sie ein, ist sie ethisch heikel. „Den Informationsfluss an Zielgruppen mit Hilfe von künstlichen Sozialmedien-Konten zu manipulieren, wirft viele ethische Fragen auf und kann enormen Einfluss auf den Blick der Ziele auf die Welt und ihr anschließendes Handeln haben“, schreiben sie. „Bei Anwendungen mit Bezug zur nationalen Sicherheit ist wichtig, dass derartige Fähigkeiten nur unter der Aufsicht von Führungspersonal aus Geheimdiensten oder Militär eingesetzt werden.“

Das stimmt wahrscheinlich, doch sofort stellt sich hier die schwierige Frage, wie sich derartige Fähigkeiten überhaupt kontrollieren lassen. Denn immerhin bringen soziale Medien zunehmend Probleme mit sich, und böswillige Akteure scheinen intensiv daran zu arbeiten, verbreitete Meinungen zu untergraben.

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