Wie sich ein Stadtteil Tokios auf einen Ausbruch des Vulkans Fuji vorbereitet

Kaum eine Metropole wird von so vielen Naturkatastrophen bedroht wie Tokio. Nun wird auch die Vorbereitung auf einen Vulkanausbruch verstärkt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen

Der Berg Fuji ist ein aktiver Vulkan.

(Bild: Max Bender / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Die 14-Millionen-Einwohnermetropole Tokio bereitet sich für viele Naturkatastrophen vor. Flusshochwasser, Sturmfluten und Tsunamis gefährden den Osten der Stadt, dem Nordosten drohen Überschwemmungen. Die Sorge vor Taifunen und sintflutartigen Regenfällen sind ewige Wegbegleiter, genau wie das Warten auf das nächste große Megabeben. Aber der rund 100 Kilometer entfernte Nationalberg Fuji mit seinem geradezu idealtypischen Vulkankegel weist auf eine besondere Gefahr hin: einen Vulkanausbruch.

Sein letzter Ausbruch, bei dem Vulkanasche bis ins heutige Herz Tokios getragen wurde, liegt zwar schon mehr als 300 Jahre zurück. Aber die Gefahr eines neuen Ausbruchs wird inzwischen so ernst genug genommen, dass sich der Tokioter Geschäftsbezirk zwischen dem Bahnhof Tokio und dem Kaiserpalast auf neuen Fallout vorbereitet. Denn der feine Staub von einem feuerspeienden Berg könnte das moderne Großstadtleben in der größten Metropolenregion der Welt bei ungünstigen Westwinden über Wochen lähmen.

Bei einem Ausbruch des Fuji und Westwinden könnten in der Region pro Stunde fünf Millimeter und insgesamt zehn Zentimeter Asche niedergehen, kalkuliert Mitsubishi Estate, der größte Immobilienbesitzer der Stadtteile Otemachi, Marunouchi und Yurakucho, in seinem ersten Aktionsplan gegen die Auswirkungen eines Vulkanausbruchs. Damit bestünde die Gefahr, dass der Bahn- und Autoverkehr, Logistik, Elektrizität, Wasserversorgung, Kanalisation und Kommunikation einige Stunden bis zwei Wochen nach Beginn des Aschefalls nicht mehr funktionieren.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Besonders groß ist die Gefahr von Ausfällen, wenn sich Regen- zu den Aschefällen gesellt. Ascheregen von drei Millimeter oder mehr bei gleichzeitigem Regen könne zu Kurzschlüssen und Stromausfällen führen. Damit käme automatisch auch der Bahnverkehr zum Erliegen, der im Großraum Tokio mit seinen 36 Millionen Einwohnern täglich mehrere Millionen Pendler bewegt.

Der Stadtteil wäre dabei noch glimpflich betroffen. Nach dem Risikoszenario der Regierung könnten in einem etwa 70 Kilometer langen Korridor vom Fuji-Krater 30 Zentimeter Asche niedergehen. Die Katastrophenschützer warnen, dass in dieser Region normale Einfamilienhäuser unter der Last der Asche zusammenbrechen könnten.

Darüber hinaus hat die Regierung erst dieses Jahr die Gebiete, die von Lavaflüssen getroffen werden könnten, vergrößert. Gefährdet wären auch die wichtigen Autobahn- und Zugverbindungen zwischen Tokio und den Industrieregionen in Zentral- und Westjapan, die quasi über den Südhang des Fuji führen.

Das allein wäre schlimm genug. Aber ein Stillstand im Zentrum Tokio würde auch das politische Leben, die Hauptquartiere von zig Weltkonzernen und vor allem den gesamten Bankensektor lähmen. Mitsubishi Estate bereitet sich mit seinem Aktionsplan darauf vor, den Schaden für zuerst Leib und dann das wirtschaftliche Leben zu begrenzen.

Bei den etwa 20 Bürohochhäuser, die dem Unternehmen in dem Gebiet gehören, werden die Regenabflüsse und Klimaanlagenfilter besser gegen Asche geschützt. Außerdem lagert der Immobilienkonzern mehr Klimaanlagen-Filter, um so lange wie möglich einen Betrieb der Gebäude zu ermöglichen. Zusätzlich stockt das Unternehmen die Desasterausrüstung, die bisher auf Erdbeben ausgerichtet war, durch Ausrüstungen wie Brillen und Atemmasken für die Aschebereinigung auf. Doch ein Großteil der Vulkanvorsorge beruht in einem stufenweisen Evakuierungsplan.

Sobald ein Ausbruch beginnt, werden die Menschen in der Region aufgefordert, frühzeitig heimzukehren, um nicht im Zentrum zu stranden. Gleichzeitig werden die Vorbereitungen auf einen Notbetrieb bei Ascheregen gestartet.

In der dritten Stufe, einem Stromausfall und dem Betrieb von Notstromaggregaten, wird die Wartung von Klimaanlagen fortgeführt. Wird dann der Diesel für die Notstromaggregate knapp, werden alle verbleibenden Personen außer des Gebäudepersonals evakuiert. Stoppt die Stromversorgung sogar ganz, wird das Gebäude gänzlich sich selbst überlassen.

Mitsubishi Estate ist dabei bei weitem nicht das einzige Unternehmen, dass sich auf Vulkanausbrüche vorbereitet. Die Regierung hat im Jahr 2020 die Gemeinden und Institutionen im gesamten Umkreis des Fuji aufgefordert, sich besser auf eine mögliche Katastrophe vorzubereiten. Auch viele andere Regionen haben Notfallpläne. Immerhin beheimatet Japan 111 aktive Vulkane. Zum Glück sind Vulkanausbrüche seltener als Erdbeben. In den ersten 24 Dezembertagen rüttelte die Erde im Großraum Tokio fünf Mal merklich.

(jle)