Willkommen im KI-Fitnessstudio mit virtuellen Trainern​

Bei Lumin Fitness bieten wandfüllende LED-Bildschirme, Algorithmen und Sensoren zur Bewegungsverfolgung Feedback und Motivation.​

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Virtuelle Trainer im Fitnesstudio

(Bild: Lumin Fitness)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rhiannon Williams
Inhaltsverzeichnis

Wie jedes gute Fitnessstudio ist auch Lumin Fitness stolz auf die Qualität seiner Trainer. Chloe, eine energiegeladene junge Trainerin, verspricht den Kunden, beim Erreichen ihrer Fitnessziele zu helfen. Der disziplinierte Rex mit der Ausstrahlung eines Drill-Sergeants ermutigt sie, nach Höchstleistungen zu streben, warnt aber auch, dass es keine Abkürzungen geben wird. Wer eine sanftere Betreuung sucht, findet bei Emma und Ethan Warmherzigkeit und ruhiges Selbstbewusstsein.

Lumin Fitness ist allerdings kein gewöhnliches Fitnessstudio. Diese Trainer gibt es nämlich gar nicht – zumindest nicht in physischer Form. Sie sind virtuelle KI-Trainer, die die Fitnessstudiobesucher auf den großen LED-Bildschirmen durch ein intensives Training führen. Die Bildschirme säumen die Wände des ersten Studios des Unternehmens, das letzten Monat in Las Colinas im US-Bundesstaat Texas eröffnet wurde. Obwohl KI im Fitnessbereich immer mehr Verbreitung findet, wird sie bisher eher in Produkten wie intelligenten Spiegeln, Trainings-Apps und intelligenten Kameras eingesetzt.

Die Gründer von Lumin Fitness bewerben ihr Fitnessstudio als das erste seiner Art, das KI so vollständig integriert. Sie sind auch zuversichtlich, dass ihr System von KI-Trainern die Menschen dazu ermutigen wird, auch dann mit dem Training zu beginnen, wenn sie zuvor von Fitnessstudios abgeschreckt waren. Lumins Philosophie ist, einen individuelleren Ansatz für Fitness zu bieten, der die Interaktion mit erfahrenen, aber einschüchternden oder demotivierenden menschlichen Trainern überflüssig macht.

In dem abgedunkelten Studio können bis zu 14 Personen gleichzeitig trainieren: entweder in Einzelprogrammen oder in hochintensiven funktionellen Gruppentrainingskursen. Jedes Mitglied trainiert an einer bestimmten Station mit Blick auf die wandfüllenden LED-Bildschirme. Hinter diesen verbergen sich Sensoren, die mit einer Kombination aus Algorithmen und maschinellen Lernmodellen sowohl die Bewegungen der Trainierenden als auch die speziell angefertigten Geräte des Fitnessstudios wie Hanteln, Medizinbälle und Springseile erfassen.

Sobald die Mitglieder zu einem Training erscheinen, können sie über die Smartphone-App des Fitnessstudios ihren KI-Trainer auswählen. Die Wahl hängt davon ab, ob sie sich durch eine männliche oder weibliche Stimme und ein strengeres, fröhlicheres oder entspannteres Auftreten motivierter fühlen. Sie können ihren Trainer aber auch jederzeit wechseln. Die Audioanweisungen kommen über Kopfhörer und werden von der persönlich ausgewählten Musik wie Rock oder Country begleitet.

Obwohl jeder Kurs im Studio in Las Colinas derzeit von einem Fitnessexperten überwacht wird, muss dieser Betreuer kein Trainer sein, sagt Brandon Bean, Mitbegründer von Lumin Fitness. "Wir vergleichen es eher mit einem Flugbegleiter als mit einem echten Trainer", sagt er. "Man braucht jemanden, der da ist, wenn etwas schief geht, aber der KI-Trainer ist derjenige, der Feedback zur Form gibt, die Motivation vermittelt und erklärt, wie man die Bewegungen ausführt."

Während der Aufwärm- und Entspannungsphasen vor und nach dem Training zeigen die LED-Bildschirme eine gesichtslose humanoide Figur, die die Bewegungen als visuelle Hilfe für die Trainierenden ausführt. Sobald das Training begonnen hat, werden auf den Bildschirmen einfache Motivationsspiele angezeigt. Dabei werden die Teilnehmer beispielsweise aufgefordert, einen virtuellen Korb mit Bällen zu füllen, wenn sie einen Sit-up machen, oder einen virtuellen Blockturm zu bauen, wenn sie einen Liegestützsprung ausführen.

Diese spielerische Herangehensweise an das Thema Fitness könnte sich für manche Menschen als motivierend erweisen, meint der Sportpsychologe Andy Lane von der britischen University of Wolverhampton. "Es geht darum, genügend Verstärkung zu bieten, um die Dopaminrezeptoren zum Leuchten zu bringen, und schwupps, will man es wieder tun", sagt er. "Wenn man es so einrichtet, dass sich die Leute mit ihren Fortschritten über ihre Leistungen freuen, ist das gut."

Mithilfe der Sensoren verfolgt Lumin Fitness die Anzahl der Wiederholungen und stellt sicher, dass die Kunden die richtige Körperhaltung einnehmen. Wenn sie zum Beispiel ihren Rücken durchbiegen, obwohl sie ihre Wirbelsäule gerade halten sollten, zählt das System die Bewegung erst dann als abgeschlossen, wenn sie korrekt ausgeführt wurde. So können die Teilnehmer den vollen Nutzen aus jeder Übung ziehen und vermeiden, sich dabei zu verletzen.

Über die App verfolgt das System die Entwicklung der Mitglieder über die Zeit. Für die Zukunft soll es so geschult werden, dass es erkennt, wenn jemand die Übungen zu leicht findet, und ihm dann schwerere Gewichte oder andere Bewegungsarten empfehlen kann.

Olivia Lord, eine Assistentin des Texas Rangers Baseballteams, war eine der ersten, die die KI-Trainer vor einigen Monaten in einer Probestunde auf Herz und Nieren geprüft hat. Seitdem ist eine regelmäßige Kundin. Während sie sich früher in Fitnessstudios unwohl gefühlt hat, genießt sie es nun, eine motivierende Stimme im Ohr zu haben, wenn sie sie am meisten braucht. "Ein Fitnessstudio ist für mich kein sicherer Ort. Es ist wirklich beängstigend und unangenehm", sagt sie. "Aber das hier ist sehr immersiv und interaktiv. Durch die Gamification kann ich sehen, wie ich mich anstrenge, und das sieht man normalerweise nicht."

Zwar wird es immer Fitnessstudiobesucher geben, die die Interaktion mit menschlichen Trainern bevorzugen, aber es gibt Grund zu der Annahme, dass viele Menschen nichts dagegen hätten, von KI-Systemen gecoacht zu werden, sagt Neil Cronin, Professor für Sportbiologie an der finnischen Universität Jyväskylä. Er untersucht, wie KI-Techniken die menschliche Bewegungsanalyse verbessern können.

Der jüngste Aufschwung von KI-gesteuerten Therapie- und Begleitbots zeigt, dass sich manche Menschen bei der Interaktion mit Maschinen wohler fühlen als bei der mit Menschen, betont er. "Ich persönlich würde mich freuen, an so etwas teilzunehmen, vor allem, um zu sehen, welche Vorteile ich durch das Training in Bezug auf Kraft, Ausdauer oder Ähnlichem erhalten könnte", sagt er. "Ich glaube nicht, dass ein KI-gestütztes Training in dieser Hinsicht minderwertig wäre. Im Gegenteil, wenn es meine Daten wirklich langfristig verfolgen und ein Programm für mich personalisieren kann, bin ich mit diesem Ansatz vielleicht sogar besser dran."

(jle)