Wüstenstrom geht ans Netz

Während die Desertec-Industrie-Initiative intern zerstritten ist und ihr Aus schon für das Jahresende prophezeit wird, steht Marokkos Vision vom Sonnenstrom aus der Wüste kurz vor der Umsetzung.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Während die Desertec-Industrie-Initiative intern zerstritten ist und ihr Aus schon für das Jahresende prophezeit wird, steht Marokkos Vision vom Sonnenstrom aus der Wüste kurz vor der Umsetzung.

Seit dem Jahr 2009 verfolgt Marokkos König Mohammed VI. eine ehrgeizige Energiewende, die alles hierzulande in den Schatten stellt. Bis 2020 sollen 42 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen stammen. Neben Wasser- und Windkraftwerken ist das Herzstück der Energiewende der Solarplan:

Fünf gewaltige Solar-Kraftwerkskomplexe mit insgesamt zwei Gigawatt Leistung sollen in den Wüstenregionen Marokkos entstehen. Veranschlagte Kosten: neun Milliarden US-Dollar. In Deutschland erlangte das Projekt vor allem in Verbindung mit der Desertec-Initiative Bekanntheit. Während der Traum vom sauberen Strom aus riesigen Spiegelkraftwerken in der Wüste ins Stocken geriet, geht Marokko unbeirrt seinen Weg.

2015 wird das entscheidende Jahr für das Projekt. Die ersten Teilabschnitte des ersten Solarkomplexes Noor werden fertig. Noor entsteht etwa 20 Kilometer nordöstlich der Wüstenstadt Ouarzazate. Im August soll Noor I seinen Betrieb aufnehmen, ein 160-Megawatt-Parabolrinnenkraftwerk. Im zweiten Quartal beginnt zudem der Bau für zwei weitere Solarkraftwerke: Noor II, ebenfalls ein 160-Megawatt-Parabolrinnenkraftwerk, und Noor III, ein Solarturm mit 100 Megawatt. Hier bündeln kreisförmig angelegte Spiegel das Licht auf die Spitze eines zentral gelegenen Turms.

Die Ausschreibungen stehen kurz vor dem Abschluss, sagt Jan Schilling von der an der Finanzierung beteiligten KfW-Förderbank. Alle drei Sonnenkraftwerke werden einen Wärmespeicher haben und auch in der Nacht Strom produzieren. Der letzte Teil, Noor IV, wird eine konventionelle Photovoltaikanlage mit etwa 50 Megawatt Leistung. Noor I wird etwa 630 Millionen Euro kosten. Die Kosten für das vergleichbare Noor II werden etwas geringer ausfallen, wie teuer das Solarturmkraftwerk (Noor III) und die Photovoltaikanlage (Noor IV) werden, steht noch nicht fest.

Mit 769 Millionen Euro ist Deutschland der größte Finanzier des Solarkomplexes. "Bisher sind 115 Millionen Euro zugesagt", sagt Schilling. "Wir erwarten den Abschluss der Darlehen für die Projekte Noor II und III aber in wenigen Wochen." Weitere bislang feststehende Geldgeber: die Europäische Kommission, die Europäische Investitionsbank, die französische Entwicklungsbank Agence Française de Développement sowie die Weltbank, der Clean Technology Fund und die Afrikanische Entwicklungsbank.

Das Kraftwerk bauen und betreiben wird ein Konsortium aus dem saudi-arabischen Konzern ACWA und mehreren spanischen Firmen. Auftraggeber ist die marokkanische Solaragentur Masen. Noor wird Strom zu einem Spitzenlastpreis von rund 14 Eurocent pro Kilowattstunde liefern. Diesen Abnahmepreis hat die Masen ACWA und Co. für 25 Jahre garantiert. Der Kraftwerkskomplex in Ouarzazate wird das Vorbild sein für die vier weiteren, die der König im Zuge seiner Energiewende noch bauen will: in Aïn Beni Mathar an der Grenze zu Algerien (400 MW) sowie in den südlich gelegenen Küstenregionen Sebkha Tah (500 MW), Foum El Oued (500 MW) und Boujdour (100 MW). (jlu)