Zahlen, bitte! – 109 Minuten Thriller mit watergatehafter Überwachung
Francis Coppolas filmischer Thriller "Der Dialog" thematisierte die Ängste durch Überwachung mit modernen Mitteln. Er erschien in der Zeit der Watergate-Affäre.
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Im Herbst 1974 kam ein Film in die westdeutschen Kinos, der erstmals das ganze Hightech-Besteck der Überwachungstechnik zeigte. "The Conversation" (deutscher Titel: Der Dialog) von Francis Ford Coppola zeigte die Arbeit des Abhörspezialisten Harry Caul, der mit seiner Truppe auf Anweisung eines "Direktors" ein Pärchen im öffentlichen Raum überwachen soll.
Der Film, der für drei Oscars nominiert war und bereits in Cannes die Goldene Palme als Bester Film gewann, wurde in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund des Watergate-Skandals als Kritik des Überwachungsstaats interpretiert. In der DDR wurde er erst 1976 nach Prüfung durch die Staatssicherheit gezeigt mit Prädikat: kapitalismuskritisch.
Coppola, der The Conversation zwischen dem ersten und zweiten Teil der "Der Pate"-Reihe drehte, ließ sich dabei von anderen Filmen inspirieren, vor allem auf den 1966 erschienenen Film "Blow Up" von Michelangelo Antonioni. In jenem Film entdeckt ein Fotograf, dass seine Aufnahmen in einem Park einen Mord zeigen könnten.
Idee zum Film durch moderne Audioüberwachung
Die Idee zum Film diskutierte er mit dem Filmregisseur Irwin Kirshner. Sie bewegte die Frage, wie ein solcher Plot "filmischer" gelöst werden könnte. Kirshner wies ihn auf die Möglichkeiten der modernen Abhörtechniken hin:
"Wir unterhielten uns über Spionage, und er sagte, dass die meisten Leute glaubten, der sicherste Weg, nicht abgehört zu werden, sei, in einer Menschenmenge zu gehen, aber er hatte gehört, dass es Mikrofone gab, die in der Lage waren, bestimmte Stimmen in einer Menschenmenge aufzuspüren. Und ich dachte: Wow, das ist ein tolles Motiv für einen Film - und damit fing es an."
Von 1966 bis 1970 schrieb Coppola ein Drehbuch und machte sich mit den technischen Möglichkeiten vertraut. Das brachte ihn mit dem Privatdetektiv Hal Lipset zusammen, der bereits 1960 in dem Sammelband "The Eavesdroppers" vor den Gefahren der akustischen Raumüberwachung warnte, sie aber selbst ungeniert in seiner Arbeit einsetzte. Aufsehen erregte Lipset, als er eine Cocktail-Olive mit einem Mikrofon präparierte und dabei das Spießchen als Antenne nutzte. Coppola engagierte Lipset als Chefberater für The Conversation.
In ihrer Lipset-Biographie "The Bug in the Olive" behauptet Patricia Holt (eine Philosophie-Professorin, die auf Privatdetektivin umschulte), dass bis auf zwei Details alle im Film gezeigten Abhörsysteme auf dem höchsten Stand der damaligen Technik waren. Nur das schnelle Rückspulen zu Merkpunkten und die wie Präzisionswaffen aussehenden Richtmikrofone waren noch Zukunftsmusik, als der Film 1972 gedreht wurde. Das ist insofern bemerkenswert, als sich im Zuge des Watergate-Skandals im Jahre 1974 herausstellte, dass das unter US-Präsident Nixon im Weißen Haus installierte Abhörsystem nahezu identisch mit bei Coppola gezeigten Technik war.
In den DVD-Kommentaren zu The Conversation zeigte sich Coppola über die Ähnlichkeit der Überwachung in Watergate erschüttert. So wirkte der Film, wie eine Reaktion auf die Watergate-Affäre, obwohl die publik wurde, als der Film zu zwei Dritteln abgedreht war.
Technischer Fortschritt verbesserte die künstlerische Darstellung
Als die Dreharbeiten begannen, hielten die Transistoren Einzug in die Filmtechnik. Es entstanden die ersten programmierbaren Zoom-Linsen, mit denen sich Coppola und besonders sein erster Kameramann Haskell Wexler ausführlich beschäftigten. Die exakt drei Minuten dauernde Eröffnungsszene vom Trubel auf dem Union Square in San Francisco, in der die Kameras aus großer Höhe hinunter auf den Mimen Robert Shields und den Abhörer Harry Caul in seinem Macintosh-Regenmantel zoomt, gehört zu den ikonografischen Momenten der Filmgeschichte.
(Bild: CC-BY SA 2.0, Roger Wollstadt)
Sechs Zoom-Kameras wurden vier Tage lang eingesetzt, um die Szene einzufangen, die unter normalen, nicht instruierten Passanten spielen sollte. Die Darsteller der Überwacher mit den Richtmikrofonen an den Fenstern wurden dabei von Polizisten verhaftet, die ein Attentat vermuteten. Heute würde eine derartige Szene mit einer Drohne im Nu gefilmt werden, wie auch die von Coppola auf einer fiktiven Sicherheitsmesse gefilmte Nutzung von Überwachungskameras mit Bewegungssensoren längst Alltag geworden ist.
Auch die von Coppolas Schwager komponierte Film-Klaviermusik dauert exakt drei Minuten, ist aber um eine Sequenz verlängert, bei der am Schluss der am Boden zerstörte Überwacher Harry Caul parallel zum Klavier sein Saxophon spielt. Dieser hat mit seinem Team im Auftrag eines "Direktors" ein spazierendes Pärchen belauscht und aus dem Audio-Material mithilfe von Filtern einen Satz destilliert, der ihn über den gesamten Film hin verfolgen wird: "He'd kill us if he got the chance."
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Der Eigenbrötler Caul interpretiert den endlos im Film wiederholten Satz mit der Betonung auf "kill": Das Paar soll von jemandem im Auftrag des Direktors getötet werden. Er mietet sich in einem Hotel ein, in dem das Paar sich treffen will und wird Ohrenzeuge einer Gewalttat, bis er das TV-Gerät mit Nixon in den Nachrichten auf maximale Lautstärke stellt und sich im Bett verkriecht. Als er tags darauf das Nachbarzimmer betritt, sieht alles paletti aus, bis er die Klospülung betätigt und Blut überquillt.
Schnitt und Nachdrehs durch Tonmeister
Weil Coppola nach dem Drehende gleich wieder mit dem zweiten Teil des "Paten" beschäftigt war, übernahm der Tonmeister Walter Murch auch die Bearbeitung und den Schnitt des Films. Er brauchte dafür ein ganzes Jahr. Murch schnitt viele Szenen weg und stellte eine Traumsequenz um, mit der Coppola den Film beenden wollte. Murch war selbst nicht mit der Tonqualität der Aufnahme vom Union Square zufrieden und hatte den Dialog des Paares noch einmal in einem ruhigen Park aufgenommen.
Vorsicht, Spoiler!
Dabei wurde der Satz mit der Betonung auf "us" gesprochen. Am Ende des Films hört Harry Caul diese Variante und versteht nun, dass er sich verhört hat (die unterschiedliche Betonung ist nur im Original zu hören). Das Pärchen ist es, dass den ominösen Direktor erfolgreich losgeworden ist. Zurück in seiner Wohnung erfährt er, dass er selbst überwacht und abgehört wird und schweigen soll. Caul macht sich auf die Suche nach dem Mikrofon und zerlegt dabei nach und nach seine Wohnung. Am Ende spielt er, begleitet von einem Klavierakkord, auf seinem Saxophon. Bis heute diskutieren Coppola-Fans, wo die Abhörwanze versteckt sein könnte.
(mawi)