Zahlen, bitte! 19,5 Terabyte bei 180 Tagen Speicherdauer

Sie ist der unheimliche Wiedergänger in Deutschland und der EU, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wurde allerdings vor 5 Jahren eingesackt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 28 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Vor 5 Jahren kassierte der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Es urteilte: "Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen." Dazu erläuterte der Gerichtshof, dass es den Mitgliedsstaaten aber frei stehe, ausgewählte Daten "zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten" auf Vorrat speichern zu lassen, sofern diese Speicherung und die Speicherdauer auf das "absolut Notwendigste beschränkt ist."

Gegen die anlasslose vollumfassende Vorratsdatenspeicherung hatten britische Brexit-Befürworter und ein schwedischer Provider geklagt. Das bahnbrechende historische Urteil des Europäischen Gerichtshofes (PDF-Datei) verdient Erinnerung, weil bis heute darum gerungen wird, was es mit der Schwere der Straftaten auf sich hat und wie die Sache mit der absolut notwendigen Beschränkung aussehen kann. Auf die von vielen Leserinnen und Lesern bejubelte Nachricht reagierte die damals noch funktionierende Piratenpartei mit der Forderung, dass Deutschland sich nun endgültig von der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung verabschieden soll. Überraschend kam das Urteil vom 21.12.2016 nicht, denn schon das erste EU-Urteil von 2014 in dieser Frage war ziemlich eindeutig: völlig anlasslos alle Telekommunikationsteilnehmer zu überwachen ist ein Verstoß gegen die Grundgesetze.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Der danach gefundene Kompromiss, die Speicherung der Verkehrsdaten eines Providers auf 180 Tage bzw. 10 Wochen zu beschränken, war auch ein fauler. Teuer war das obendrein. Im Jahre 2015 berechnete die deutsche Telekom einen Tag, nachdem die neue Leitlinie von 10 Wochen vereinbart worden war, dass sie bei dieser Speicherdauer insgesamt 19,5 Terabyte auf Vorrat bereithalten musste und dafür Kosten von 3,7 Millionen hatte, die "niemand" bezahlte. Sie waren natürlich in den Kunden-Rechnungen des Konzerns eingepreist.

Auch vor fünf Jahren gab es eine ganze Reihe von Reaktionen. So setzte die Bundesnetzagentur die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung aus. Natürlich gab es auch gegenläufige Reaktionen, auch auf europäischer Ebene. So gab der EU-Rat ein Gutachten in Auftrag, wie man dennoch fortfahren könne mit der anlasslosen Speicherung, schließlich sollten alle Optionen geprüft werden, wie man alle Bürger beschatten kann. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist es deshalb niemals still geworden um das Thema, fanden sich immer Politiker, die die Technik im Namen des Kampfes gegen X forderten, wobei X für Terror, organisierte Kriminalität, Geldwäsche oder eben auch der Kinderschutz eingesetzt werden konnte.

Zuletzt spielte genau dieses Thema in den Verhandlungen der Regierungskoalition eine Rolle. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Wiedergänger, ein Zombie der ganz harten Art. Mitte November wunderte sich der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinem Gutachten, warum Deutschland, Frankreich und Italien wieder Fragen stellen, wie ein bisschen Vorratsdatenspeicherung gemacht werden kann. Auch Luxemburg, Schweden, die Niederlande und Ungarn drängen, dass da irgendwie etwas zu machen sein muss.

Kann das endlich weg?, fragten sich die Aktivisten von Digitalcourage fast schon verzweifelt, als sie von der neuen Bundesregierung eine Digitalpolitik forderten, die Respekt für die Grundrechte beweist. Nun, in fünf Jahren ist das nächste Jubiläum und dann werden wir die Antwort wissen. Wird sie den "Teil der Bevölkerung" beunruhigen, der von Überwachung träumt und Klarnamenspflicht in Messenger-Diensten fordert?

(kbe)