Zahlen, bitte! 1900 Zeichnungen und ein Zeichen: Die Höhle von Lascaux

1940 entdeckten Forscher in Lascaux Jahrtausende alte Höhlenmalereien. Forschungen zufolge steckt hinter den exakten Tier-Darstellungen wohl ein tieferer Sinn.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Vor 83 Jahren entdeckten vier junge Franzosen im während des Zweiten Weltkriegs im von den Deutschen noch unbesetzten Teil von Frankreich die Höhle von Lascaux.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Mit 1900 teils spektakulären Zeichnungen und Malereien, die 38.000-21.000 Jahre vor unserer Zeit entstanden, wurde die Höhle, die auf der linken Talseite des Fluss Vézère, knapp zwei Kilometer südlich von Montignac liegt, nach dem Krieg zu einem Touristenmagnet. Sie wurde vor 60 Jahren für den Publikumsverkehr geschlossen, weil die Zeichnungen durch die Ausdünstungen der Menschen gefährdet waren. Doch die Forschungen gehen unvermindert weiter. Nachdem ein Hobbyforscher eine Art Zahlensystem in den Höhlen von Lascaux, Altamira und Chauvet entdeckt haben will, untersucht man nun die Kunst der Jungsteinzeit mit statistischen Methoden.

Nach der Entdeckung der Höhle am 12. September traf der Prähistoriker und Priester Henri Breuil bereits am 21. September 1940 ein. Er erfasste die Höhle mit den Methoden der damals noch jungen Wissenschaft. Seine Beschreibung und Klassifizierung der Höhle als "sixtinische Kapelle unserer Vorfahren" erregte sofort den heftigen Widerspruch von Künstlern wie Picasso, der die Malerei als große Kunst bezeichnete. 1955 veröffentlichte der Philosoph Georges Bataille sein mit opulenten Fotografien von Albert Skira ausgestattetes Buch "Lascaux oder die Geburt der Malerei".

Höhlenmalereien von Lascaux (7 Bilder)

Hirsch, Pferdekopf und verschiedene Zeichen

(Bild: CC BY-SA 4.0, Codex )

Er warnte davor, die Malereien mit der Kunst von "primitiven" Völkern zu vergleichen und sprach von einem Höhepunkt der Kunst, den "betriebsame Zweifüßler" hinterlassen haben. "Keine Zwischenstufe wird sichtbar: mit einem Male stellt die Kunst dem materiellen, dem nützlichen Leben diese verführerischen Zeichen gegenüber, die, aus Gefühlen geborgen, sich an Gefühle wenden.

Angesichts der Perfektion der Tierzeichnungen fragte er sich, warum die einzige Darstellung eines Menschen in der Höhle ein einfaches Strichmännchen ist, noch dazu mit einem Vogelkopf. Bataille zitierte Hans Kirchner, der in der Darstellung einen Schamanen in Ekstase sah, ähnlich einem Ritus, der von den Jakuten in Sibirien bekannt war. Nach dem Psychiater Hartmann Hinterhuber handele es sich möglicherweise um die älteste bekannte Darstellung der menschlichen Seele.

Als nächster Historiker nach Breuil untersuchte André Leroi-Guhan mit statistischen Methoden den Aufbau der Zeichnungen in Lascaux. Er vermutete in den Zeichnungen eine komplette Bildsprache, besonders in den Tierpaaren Bison/Pferd, Auerochs/Pferd und im Gegensatz weiblich/männlich bei der Abbildung der Tiere. Einen wichtigen Durchbruch in der Forschung brachte die Lascaux-Arbeit von Norbert Aujoulat, die er im Jahr 2000 veröffentlichte.

Leroi-Guhan untersuchte die immer gleiche Abfolge der Zeichnungen von Pferd, Auerochse und Hirsch. So entdeckte er, "dass die Pferde mit Frühlingsfell, die Auerochsen mit Sommer- und die Hirsche mit Herbstfell dargestellt sind. Die unterschiedlichen Phasen dieser biologischen Zyklen weisen für jede Tierart auf die ersten Zeichen der Paarung, Rituale aus denen das Leben hervorgeht."

Angefangen mit den 40.000 Jahre alten Zeichnungen von El Castillo beschäftigen sich einige Theorien mit den Punkten und Strichen in den Zeichnungen der frühen Menschen. Untersuchungen ergaben, dass im Fall von El Castillo die Punkte rund 5000 Jahre später aufgebracht wurden. Der Erste, der in den Punkten und Strichen mathematische und astronomische Kenntnisse des frühen Menschen sah, war Alexander Marshak, der in den 70er-Jahren eine Theorie vom Mondzyklus entwickelte, der mit der Basis drei gezeichnet wurde. Marshak entwickelte seine Theorie ursprünglich an Knochenfunden, sah aber auch in der Zeichnung vom "sterbenden Stier" in Lascaux ein lunarsymbolisches Bild, eine Theorie, die vom Archäoastronomen Michael Rappenglück wieder aufgenommen wurde. Er deutete die die Punkte als Sternzeichen.

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Anfang 2023 wurde der Restaurator und Hobbyforscher Bennett Bacon mit seiner Theorie bekannt, dass es sich bei den Zeichen um eine Art Mondkalender handeln könnte. Bacon wandte sich an Wissenschaftler der Universität Cambridge -- und wurde von diesen ernst genommen. Sie untersuchten mit statistischen Methoden die Zeichnungen und fanden einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Art Y-Zeichen sowie dem Gebären des Nachwuchses in der von Ajoulat entdeckten Abfolge von Pferd, Auerochse und Hirsch.

Sollte es stimmen, wäre das die erste Proto-Schrift des Homo sapiens.

(mawi)