Zahlen, bitte! 23977 Freiwillige Feuerwehren für die schnelle Hilfe in der Not

In 23977 freiwilligen Feuerwehren sind Menschen rund um die Uhr im Einsatz, um Verunglückte aus Notlagen zu retten. Doch wie sind die Feuerwehren entstanden?

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Aufmacherbild Zahlen, Bitte!

(Bild: heise online)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Markus Will
Inhaltsverzeichnis

In Deutschland sind wieder in Hochwasserlagen rund um die Uhr Helferinnen und Helfer der Feuerwehren im Einsatz, um Menschen zu retten. Aus aktuellem Anlass haben wir ein früheres "Zahlen, bitte!" zu Feuerwehren aktualisiert und als "Zahlen, bitte! Classic" neu veröffentlicht.

Retten – Löschen – Bergen – Schützen. Das sind die vier Leitworte, mit denen das breite Einsatzspektrum der deutschen Feuerwehren umschrieben wird. Durch eine hocheffiziente Einsatzlogistik und viel Engagement durch gut ausgebildete Feuerwehrleute kann man sich darauf verlassen, dass man innerhalb von wenigen Minuten Hilfe bekommt, wenn man die 112 alarmiert.

Die Angst vor Feuergeschehen begleitet den Menschen, seit er urban siedelt. Bereits im alten Ägypten sowie im früheren China gab es daher organisierte Feuerwehreinheiten. Im alten Rom mit seinen eng besiedelten insulae kam es zu verheerenden Bränden, gegen die zunächst keine städtische Brandbekämpfung organisiert war. Um dem zu begegnen, bildeten reiche Römer private Feuerwehreinheiten. Diese hatten den Nachteil, dass sie privaten Interessen dienten, nicht dem Gemeinwohl.

Hausnummer 9, Via della VII Coorte im römischen Stadtteil Trastevere: Eingang zum Wachlokal (Exocubitorium) der städtischen Feuerwehr mit polizeilichen Aufgaben (cohortes vigilum) aus der römischen Kaiserzeit. Einziges Wachlokal dieser Art, welches bis heute erhalten ist.

(Bild: CC-BY-SA 4.0, Rabax63)

Sie verfolgten die Brandbekämpfung mit einer perfiden Strategie: Die Hausbesitzer, deren Hab und Gut in Brand geriet, hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder sie überließen dem Betreiber der Privatfeuerwehr sein Haus zu einem Preis weit unter Wert, oder die Löscheinheit ließ das Haus abbrennen. Auf diese Weise kam Marcus Crassus 100 v. Chr. mit seiner 500 Mann starken Privatfeuerwehr, bestehend aus handwerklich ausgebildeten Sklaven, zu einigem Reichtum. Diese mafiöse Form der Grundstücksaneignung begünstigte zudem Brandstiftung und sorgte für Wut unter den Bürgern Roms.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

20 v. Chr. stellte der Ädil Marcus Egnatius Rufus eine Feuerwehr auf, die unentgeltlich und bedingungslos in Rom die Brandbekämpfung betrieb. Das kam bei den Bürgerinnen und Bürgern der Ewigen Stadt so gut an, dass sie ihn zum Prätor machten. Kaiser Augustus wurde über dessen Popularität so argwöhnisch, dass er ihn festnehmen und als Verschwörer hinrichten ließ. Die Idee der gemeinwohlorientierten Feuerwehr wiederum nahm er auf und baute die Einheit weiter aus. Nach Augustus wurden die Feuerwehren mehr und mehr professionalisiert.

Mit dem Untergang des römischen Reichs und den Völkerwanderungen ging einiges an diesem Wissen wieder verloren. Im Mittelalter wurden Zünfte und Innungen mit den Aufgaben des Feuerschutzes betraut. In dicht besiedelten Städten waren verheerende Brände keine Seltenheit. Nachdem Lübeck zwischen 1157 und 1276 unter drei enormen Stadtbränden gelitten hatte, schafften es neu erstellte Brandvorschriften, die etwa Holz als Baustoff einschränkten, dass die Stadt bis 1942 von stadtweiten Brandgeschehen verschont blieb.

Neben den Bauvorschriften wurde auch die Löschwasserversorgung verbessert: Unter anderem musste jeder Haushalt einen Eimer Wasser vorhalten, um im Falle eines Falles gewappnet zu sein, oder beim Aufstellen einer Löschkette von der Wasserstelle zum Brandherd helfen zu können. Die Feuerspritze in der primitiven Form existierte schon zu Crassus' Zeiten, die ersten Handdruckspritzen entstanden um 1600. Nachdem Schläuche aus vernähtem Leder bereits vorhanden waren, wurden um 1720 in Leipzig die ersten gewebten Schläuche in Dienst gestellt. Erst rund 100 Jahre später konnten diese – dankt Gummi-Innenschlauch – wirklich effektiv genutzt werden.

Im 19. Jahrhundert werden die ersten freiwilligen Feuerwehren in Deutschland gegründet. Verheerende Brände wie der große Brand von Hamburg im Jahre 1842 sowie der Karlsruher Theaterbrand von 1847 zeigten, dass es nicht ausreicht, Löschmaterial bereitzustellen und für genossenschaftlich organisierte Freiwillige zu sorgen. Ein Brand ist eine hochkomplexe Situation und erfordert eingeübte und professionelle Einheiten. Der Unterschied wurde vor allem beim Theaterbrand sichtbar: Bei dem half neben den herkömmlichen Einheiten das Durlacher Pompiercorps, eine neuartige Form der Feuerwehreinheiten, die mit einer beweglichen Handruckspritze technisch gut ausgestattet und darin eingeübt waren.

Ein Kleinlöschfahrzeug (KLF) der Freiwilligen Feuerwehr Oldhorst (Niedersachsen). KLF sind in von ihrer Bauart in der DIN-Norm: 14530-24 festgehalten und durch die kompakte Bauart und ihren 500 Liter-Tank hochflexibel gestaltet.

(Bild: Markus Will)

Obwohl sie als Nachbarwehr später am Einsatzort waren, konnten sie einiges bewirken, sodass das Feuer nicht auf die angrenzende Orangerie und Badische Sparkasse übergreifen konnte. Beeindruckt von der effektiven Art der Brandbekämpfung und des furchtbaren Brandgeschehens erklärten sich wenige Tage später rund 100 Karlsruher Bürger bereit, eine Feuerwehr nach Durlacher Vorbild zu gründen.

In Berlin wurde im Jahr 1851 die erste Berufsfeuerwehr gegründet. Im Jahre 1852 existierten bereits 27 Feuerwehren nach dem Durlacher Modell und es wurden mit der Zeit immer mehr. 1855 wurde in Stuttgart die Gründung des "Vereins deutscher Feuerwehren" beschlossen. Daraus entstand der Deutsche Feuerwehrverband (DFV), der bis heute die Interessen der Feuerwehrmänner und -frauen vertritt.

Ein verheerender Brand im baden-württembergischen Öschelbronn im Jahr 1933 zeigte zudem auf, wie wichtig es ist, dass Feuerwehren vergleichbares Material an Bord haben: Das Feuer ließ sich nur unzureichend löschen, weil zwei Feuerwehren nicht imstande waren eine gemeinsame Wasserversorgung aufzubauen.

Als kleine Erinnerung: Das 3-W-Fragenschema beim Notruf​

Wo ist es geschehen?
Bitte so gut wie möglich den Notfallort beschreiben, idealerweise mit Adresse und Besonderheiten, die für eine Rettung notwendig sein könnten.

Was ist geschehen?
Beschreiben Sie kurz, was sie beobachtet haben, und was Sie sehen. Z. B. Verkehrsunfall und zwei eingeklemmte Personen.

Warten auf Rückfragen!
Nach Absetzen des Notrufs bitte nicht sofort auflegen. Es könnte sein, dass noch wichtige Fragen bestehen.

Die Fragen (nach altem 5-W-Schema) sind auch noch wichtig:

Wieviele verletzte Personen?
Beschreiben Sie so gut Sie es können die geschätzte Anzahl der Verletzten, ihre Lage und nach Möglichkeit die vermuteten Verletzungen. Achten Sie darauf bei Kindern das Alter zu schätzen.

Wer ruft an?
Bitte Name, Standort und idealerweise Telefonnummer für Rückfragen bereithalten.

Ihre Angaben können Leben retten!

Der Grund: Die Schläuche waren inkompatibel zueinander. Als Folge daraus ist für Feuerwehrschläuche die DIN-Norm FEN 301–316 entstanden und die sogenannten Storz-Kupplungen und sind bis heute bundesweit im Einsatz.

Heute sind über eine Million ehrenamtliche Feuerwehrleute rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft, verteilt auf 23.977 Freiwillige Feuerwehren in Deutschland. Dazu kommen noch 754 Werkfeuerwehren, die Industriewerke mit Gefährdungspotenzial schützen, sowie 111 Berufsfeuerwehren, die zumeist in Großstädten zum Einsatz kommen. 96 Prozent der Feuerwehrarbeit wird somit von Freiwilligen geschultert, wobei trotz der auf den ersten Blick guten Zahlen viele Feuerwehren über Nachwuchsmangel klagen. Schließlich ist die Aufgabe sehr personalintensiv und durch Pendelei ist es insbesondere tagsüber eine Herausforderung, genügend Einsatzpersonal vor Ort zu haben, wenn es notwendig ist.

Ein Trupp zweier Atemschutzgeräteträger meldet sich bei der Atemschutzüberwachung an und bereitet sich für den Einsatz in einem brennenden Haus vor. Die Sicherheit und Überwachung gefährdeter Einsatzkräfte hat bei der Feuerwehr höchste Priorität.

(Bild: Markus Will)

Vorgeschrieben ist, dass nach Alarmierung die Feuerwehr innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort ist, in Großstädten in 10 Minuten.

Der Frauenanteil in den Wehren ist mit 10,8 Prozent noch gering, aber kontinuierlich steigend. Zum einen sind Feuerwehren flexibler und professioneller geworden, zum anderen sind in den 22.898 Jugendfeuerwehren, die für die Nachwuchsausbildung zuständig sind, bereits fast ein Drittel der Jugendwehrmitglieder weiblich.

In Einsätzen wird zudem immer mehr Informationstechnik eingesetzt. Die Feuerwehr-Ausrüstung wird immer digitaler: Digitale Wärmebildkameras, Drohnen und Computer helfen bei der Erfassung der Einsatzlage und Orientierung. In Einsätzen erfordern neue Fahrzeugarten und Technologien wie Photovoltaik immer mehr Spezialwissen, sodass Feuerwehrkräfte heute in vielen Sonderbereichen aus- und weitergebildet werden.

Tipps für Gebiete mit Starkregen und Hochwassergefahr

Der Deutsche Feuerwehrverband gibt bei Hochwassergefahr gibt folgende Empfehlungen:

  • Informieren Sie sich über die aktuelle Wetterentwicklung regelmäßig aus Rundfunk, Fernsehen oder Internet, beispielsweise mit Warn-Apps wie NINA oder KATWARN.
  • Bewegen Sie sich in Überflutungsgebieten nur auf einsehbarem Grund, meiden Sie Wälder und Hanglagen – hier können Bäume umstürzen oder Erdmassen abrutschen.
  • Sichern Sie in gefährdeten Arealen Gebäudeöffnungen und Abwasserschächte, Keller und Niedergänge.
  • Achten Sie darauf, dass Rückschlagventile im Keller funktionsfähig sind.
  • Stellen Sie Fahrzeuge vorausschauend und sicher in höher gelegenen Gebieten ab.
  • Beachten Sie Absperrungen, Straßensperrungen und Halteverbote.
  • Bitte folgen Sie den Anweisungen der Einsatzkräfte und behindern Sie deren Arbeit nicht.
  • Haben Sie Verständnis dafür, dass Einsatzstellen bei hohem Einsatzaufkommen priorisiert angefahren werden.
  • Wenn der Einsatz der Feuerwehr nicht mehr nötig ist, weil das Wasser bereits abgeflossen ist bzw. Eigenhilfe erfolgreich war, melden Sie dies der Feuerwehr erneut.
  • Melden Sie Unfälle und Brände über die Notrufnummer 112. Bitte halten Sie die Notrufleitungen während eines Unwetters für wirkliche Notfälle frei und melden Sie Schäden, von denen keine akute Gefahr ausgeht, erst nach Ende des akuten Unwetterschubes.

Waren Feuerwehren früher tatsächlich viel öfter mit Brandbekämpfung beschäftigt, sind heutzutage technische Hilfeleistungen wie nach Unfällen und eben bei Extrem- und Unwetterlagen die häufigsten Einsätze. Insbesondere letztere haben spürbar zugenommen und beschäftigen die Feuerwehren sehr. In solchen Situationen wird einem immer bewusst, was es heißt, für Menschen in Not im Einsatz zu sein.

Der Autor ist seit über 25 Jahren Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr.

(mawi)