Zahlen, bitte! 78.557 – geht’s noch kleiner?

Die Mathematik kennt viele Kopfnüsse wie das Sierpiński-Problem. Die Frage ist, ob 78557 wirklich die kleinste Sierpiński-Zahl ist oder ob es noch kleiner geht.

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Von
  • Anna Eichler
Inhaltsverzeichnis

Die 78.557 scheint keine besonders kleine Zahl zu sein und doch ist sie – so wird zumindest vermutet – die bisher kleinste Sierpiński-Zahl. Nur weil man noch keine kleinere gefunden hat, bedeutet das natürlich nicht, dass es nicht doch noch irgendwo eine kleinere Sierpiński-Zahl gibt. Schließlich gibt es vor der 78.557 noch 39.278 andere ungerade Zahlen, bei denen man erst einmal prüfen müsste, dass es sich nicht um eine Sierpiński-Zahl handelt.

Bekannt wurde die Frage nach der kleinsten Sierpiński-Zahl unter dem Namen: Sierpiński-Problem.
Die Herausforderungen für die Überprüfung der Zahlen liegt in der schieren Unendlichkeit der natürlichen Zahlen. Es ist schwer festzustellen oder zu beweisen, dass sich nicht doch irgendwann eine Primzahl einschleicht.

Wacław Franciszek Sierpiński (* 14. März 1882 in Warschau; † 21. Oktober 1969 ebenda) war ein bedeutender polnischer Mathematiker. Er befasste sich mit Themen wie Zahlentheorie, Mengenlehre, Funktionentheorie sowie Topologie. Sein Wirken war derart nachhaltig, dass einige mathematischen Konzepte nach ihm benannt wurden, unter anderem das Sierpiński-Dreieck, die Sierpiński-Kurve, der Sierpiński-Raum und eben das Sierpiński-Problem.

1962 bewies der Amerikaner John Selfridge, dass es sich bei der 78557 um eine Sierpiński-Zahl handelt. Fünf Jahre später stellte er zusammen mit dem Mathematiker Sierpiński, nach dem die Zahlen benannt wurden, die Vermutung auf, dass es dich dabei auch um die kleinste Sierpiński-Zahl handelt.

Selfridge war ein Pionier in der Anwendung von Computern auf die Zahlentheorie und entwickelte einige der ersten Algorithmen zur Berechnung von Primzahlen. Und auch heute, fast 60 Jahre später, versucht man die Frage nach der kleinsten Sierpiński-Zahl mithilfe von Computern zu lösen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Da es sich bei den möglichen Sierpiński-Zahlen um Proth-Zahlen handelt (k × 2n + 1 ) kann die Primalität der Zahlen leichter getestet werden als bei vielen anderen Zahlen ähnlicher Größe. Die Primalität dieser Zahlen kann mit dem Satz von Proth getestet werden – dies ermöglicht die Berechnungen am Computer.

Im Jahr 2002 konnten die ungeraden Zahlen, die mögliche Sierpiński-Zahlen und kleiner als 78.557 sind, auf 17 eingegrenzt werden. Daraufhin haben zwei Studenten aus Amerika das Projekt "Seventeen or Bust" ins Leben gerufen. Benannt wurde es nach den 17 Zahlen, bei denen man noch klären musste, ob es sich um Sierpiński-Zahlen handelt.

Nach der Planung und Programmierung ging das Projekt am 1. April online. Das Ziel war es, zu beweisen, dass es sich bei der 78.557, um die kleinste Sierpiński-Zahl handelt. Die Computer rechneten so lange mit den Zahlen weiter, bis das Ergebnis eine Primzahl aufwies. Würde keine Primzahl auftauchen, ginge die Berechnung ewig weiter.

Zahlen, bitte! - Was ist eigentlich eine Sierpiński-Zahl?

Was ist eine Sierpiński-Zahl überhaupt?
k = natürliche, ungerade Zahl
n= natürliche Zahlen, größer als 1

Eine Zahl k ist eine Sierpiński-Zahl, wenn sie bei k × 2n +1 niemals zu einer Primzahl wird.

Ein einfaches Gegenbeispiel wäre die 3:
3 × 22 +1 = 13
Da die 13 eine Primzahl ist, würde die 3 als mögliche Sierpiński-Zahl ausscheiden

Um sich an dem gemeinschaftlichen Rechenprojekt zu beteiligen, benötigte man lediglich einen Computer und einen Internetanschluss. So konnten allein im Jahr 2002 fünf Zahlen als mögliche Sierpiński-Zahl ausgeschlossen werden. Bis 2007 ließen sich weitere sechs Zahlen ausschließen. Aus unbekannten Gründen versagten 2016 die Server des Projekts und die Backups sind verloren gegangen. Damit war das Projekt "Seventeen or Bust" beendet. Bis dahin hatten sie immerhin elf Zahlen ausschließen können.

Glücklicherweise hatte sich "Seventeen or Bust" bereits 2010 mit dem Volunteer-Computing-Projekt "PrimeGrid" zusammengetan. PrimeGrids Hauptziel ist es, die Mathematik zu fördern, indem es alltäglichen Computerbenutzern ermöglicht, ihre Rechenleistung für die Primzahlfindung zu nutzen. Auch spielen Primzahlen eine wichtige Rolle in kryptografischen Systemen wie dem asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren RSA, weshalb PrimGRid die Suche nach den Primzahlen vorantreibt.

PrimeGrid übernahm das Projekt nach dem Serverausfall und konnte am 31. Oktober 2016 mit 10.223 die zwölfte Zahl ausschließen, da sie bei 10223 × 2 31172165 +1 eine Primzahl bildet. Sie ist 9.383.761 Stellen lang. Es ist die größte Primzahl, die bei der Suche nach der Lösung des Sierpiński-Problems gefunden wurde und hat es auf Platz 9 der größten, bekannten Primzahlen geschafft.

Entdeckt hat die Zahl Szabolcs Peter aus Ungarn. Er nutze dafür einen Windows-10-Rechner mit Intel i7-4770 CPU mit 3.40GHz und 12 GByte RAM. Der Rechner brauchte trotz der üppigen Ausstattung insgesamt 8 Tage, 22 Stunden und 34 Minuten, um den Primzahltest durchzuführen.

Seitdem sind noch fünf Zahlen übrig, die überprüft werden müssen. Sollte eine von ihnen (21181, 22699, 24737, 55459 und 67607) eine Sierpiński-Zahl sein, würde die Berechnung des Computers nie aufhören, da er ewig weiterrechnen würde, ohne jemals eine Primzahl zu finden. Sollte es sich dabei, wie angenommen, nicht um eine Sierpiński-Zahl handeln, werden die Rechner früher oder später eine Antwort finden.

Auf der Suche nach der Lösung für das Sierpiński-Problem ergaben sich weitere Probleme: So suchen einige Mathematiker auch nach der Antwort, ob es bis k= 78557 keine gerade k gibt, welche eine Sierpiński-Zahl ist. Bis heute gibt es vier gerade Zahlen (42362, 45398, 49474, 65536), bei denen man noch nicht ausschließen kann, dass es sich um Sierpiński-Zahlen handelt.

Neben dem hat sich noch das Gerades Riesel-Problem ergeben und das Duales Riesel-Problem, die nach dem schwedischen Mathematiker Hans Riesel benannt wurden. Die Riesel-Zahl unterscheidet sich von der Sierpiński-Zahl im Ende des Terms. Bei der Riesel-Zahl wird die 1 am Ende subtrahiert statt addiert. Daraus ergibt sich: k * 2n -1. Auch dafür sucht man noch nach der kleinsten Riesel-Zahl – natürlich das Riesel-Problem genannt. Die 509203, gefunden von Hans Riesel selbst, ist die bis jetzt kleinste, gefundene Riesel-Zahl. Um zu beweisen, dass es sich dabei auch wirklich um die kleinste handelt, müssen noch 44 Zahlen kontrolliert werden.

(mawi)