Zahlen, bitte! Der 2-Dollar-Anstieg, der die erste globale Ölpreiskrise auslöste

Die Ölpreiskrise schockte 1973 die Weltwirtschaft und verdeutlichte, dass endliche Energieressourcen nicht ewig günstig bleiben. Die Ursache war aber politisch.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Vor 50 Jahren drosselte die Organization of Arab Petroleum Exporting Countries (OAPEC) die Ölförderung um 5 Prozent. Am 17. Oktober 1973 stieg daraufhin der Ölpreis von 3 US-Dollar/Barrel auf über 5 US-Dollar, was einem Preisanstieg von 70 Prozent entsprach. Die erste Ölpreiskrise hatte einen politischen Hintergrund: Die OAPEC wollte die westlichen, vom Öl abhängigen Länder für ihre Unterstützung von Israel im Jom-Kippur-Krieg bestrafen, der vom 6. bis 26. Oktober den Nahen Osten erschütterte. Die Aktion ging als erste Ölkrise in die Geschichtsbücher ein.

Denn schon einmal wurde Israel von einem Angriff überrascht, den die Geheimdienste übersehen hatten. Am 6. Oktober 1973, es war der jüdische Versöhnungstag Jom Kippur, griff die ägyptische Armee auf der Sinai-Halbinsel an, die syrische Armee auf den Golan-Höhen. Der Jom Kippur-Krieg, wie er in Israel genannt wurde (in der arabischen Welt hieß er Ramadan-Krieg, nach dem Fastenmonat) endete mit einem Waffenstillstand nach 20 Tagen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Auf israelischer Seite beklagte man 2700 Gefallene, auf ägyptischer und syrischer Seite 20.000. Groß waren auch die ökonomischen Auswirkungen nach der Drosselung der Ölförderung durch die OAPEC. Schlagartig war Energiesparen angesagt. Zwar hatte der Club of Rome 1972 seine Untersuchung "Die Grenzen des Wachstums" veröffentlicht, der der Menschheit noch ein Jahrzehnt Zeit zum Umdenken und Umkehren gab, doch war die Warnung noch längst nicht in allen Köpfen angekommen. Das besorgte die Ölpreiskrise.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde Anfang November 1973 das "Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas" beschlossen. Kernstück des Gesetzes war dieser Satz: "Die Benutzung von Motorfahrzeugen aller Art kann nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwindigkeit und Benutzerkreis sowie Erforderlichkeit der Benutzung eingeschränkt werden." Als Einzelmaßnahmen sind das allgemeine Sonntagsfahrverbot an vier Sonntagen im kollektiven Gedächtnis der Bundesbürger hängen geblieben.

Dazu wurde ein sechsmonatiges Tempolimit eingeführt, das auf Autobahnen 100 km/h, auf Landstraßen 80 km/h betrug. Andere Verbote dienten mehr dazu, den Ernst der Lage zu vermitteln, etwa das Verbot der Befüllung von mehr als einem kleinen Reservekanister -- es wurde weitgehend ignoriert.

Anders das Sonntagsfahrverbot, vor dem viele Psychologen gewarnt hatten: Wenn Männer ihren Wagen stehen lassen müssen, wenn Familien nicht zum Sonntagsspaziergang fahren können, werde es zu vielen Gewalttaten kommen. Doch im November 1973 war es kalt, die Ausflügler blieben zu Hause oder amüsierten sich auf den leeren Straßen. Besonders viel wurde mit den Maßnahmen aber nicht gespart.

Der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt bekannte in einem TV-Interview: "Damit das deutsche Volk begreifen sollte, was passiert war, haben wir damals diese autofreien Sonntage auf der Autobahn verordnet. Nicht um Öl zu sparen, das war ein Nebeneffekt. Der eigentliche Zweck dieser Übung war, den Menschen klarzumachen: Dies ist eine ernste Situation." Echte Einsparungen erzielte man mit dem Energiesicherungsgesetz freilich nicht. Bis zum Jahresende stieg der Ölpreis auf das Vierfache. Für die Ölimporte mussten 23 Milliarden DM bezahlt werden – 17 Milliarden mehr als im Vorjahr.

1974 wurden weitere Maßnahmen zum Energiesparen beschlossen, etwa die Einführung der Sommerzeit, die Förderung von Wärmedämmung beim Hausbau und die Einführung einer EU-Norm zur Bestimmung des Kraftstoffverbrauches der Fahrzeuge. Gegen das Tempolimit, das viele Energiesparer beibehalten wollten, startete der Automobilclub ADAC im Februar 1974 die Kampagne "Freie Fahrt für Freie Bürger".

Aufkleber "Ich bin Energiesparer" an einem gut abgehangenem, zeitgenössischen Fahrzeug.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Deed, Triple-green)

Andere Länder, andere Sitten. Österreich führte auch ein Tempolimit ein, setzte aber auf eine andere Regelung beim Fahrverbot: Jeder KFZ-Besitzer musste einen autofreien Tag wählen, der durch eine entsprechend markierte Plaketten am Auto sichtbar war. Im Winter 1973 wurde die Innenraumtemperatur von Verwaltungsgebäuden auf 20 Grad beschränkt, in den Schulen gab es Anfang 1974 nach dem Schulhalbjahr "Energieferien".

Die Schweiz beließ es bei drei Sonntagsfahrverboten, an denen regelrecht gefeiert wurde. In den USA reagierte man auf die Ölkrise mit der Auszeichnung von sogenannten HOV-Lanes (für High Occupancy Vehicles), Fahrstreifen, auf denen mindestens zwei oder drei Insassen pro Fahrzeug unterwegs sein mussten. Sie gibt es heute noch.

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In der Bundesrepublik folgte auf die erste Krise 1979 die zweite Ölpreiskrise, ausgelöst durch die Revolution im Iran. Als der Preis für den Liter Benzin über 1 DM kletterte, reagierten das Bundeswirtschaftsministerium und der ADAC auf die "unzumutbare Höhe" diesmal mit dem Verteilen von "Ich bin Energiesparer"-Aufklebern. Er sollte signalisieren, dass man überflüssige Fahrten vermeidet.

Dazu schaltete das Ministerium nach dem Vorbild der USA Werbung für Fahrgemeinschaften. Dabei scheiterte der Versuch des Ministeriums, eine "Kilometerpauschale für alle" einzuführen, am Widerstand der Automobillobby. Zum Vergleich: Der heutige Durchschnittspreis von einem Liter Super liegt in Niedersachsen derzeit etwa bei 1,84 € – das sind um die 3,60 D-Mark.

Es gilt früher wie heute: Je weniger konventionelle Energieträger benötigt werden, umso geringer ist die Abhängigkeit von Dritten.

(mawi)