Zahlen, bitte! 50.000 Dollar fĂĽr die Heirat von Musik und Elektronik
Raymond Scott war Erfinder und Musikpionier: Seine Songs untermalten unzählige Cartoons und er baute auch wegweisende, aber kommerziell erfolglose Synthesizer.
Im Jahr 1964 war der Dirigent, Komponist und Pianist Raymond Scott auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Elektronik-Fan. Für die Weltausstellung in New York hatte er für die größte Halle, das Futurama von General Electric, "Zukunftstöne" kreiert, für IBM arbeitete er zusammen mit dem Muppets-Erfinder Jim Henson an einem Werbefilm über Schreibmaschinen mit elektronischen Zwischenspeichern.
Er schrieb: "Im Musikgeschäft passiert etwas wirklich Wichtiges – die Heirat von Musik und Elektronik – doch die Zeremonie hat noch nicht stattgefunden. Und ich möchte die Zeremonie durchführen. 50.000 Dollar brauche ich, um die zweite Generation eines Instruments zu bauen, das ich Electronium genannt habe." Dem unbekannten Adressaten des Briefes versprach er ein Millionengeschäft durch die "Renaissance" der elektronischen Musik.
Scott als vielseitiger Musiker
Raymond Scott hatte eine solide Karriere als Pianist, Komponist, Dirigent in der Unterhaltungsmusik und als Aufnahmeleiter in Tonstudios hinter sich, als er nach dem Zweiten Weltkrieg begann, sich mehr und mehr fĂĽr die Elektronik zu interessieren, um den Musiker als Zwischenglied auszuschalten. Sein erstes erfolgreiches Projekt war ein Klangeffektgenerator namens Karloff, benannt nach dem Schauspieler Boris Karloff, der als Frankensteins Monster bekannt wurde. Sein zweites Projekt war die Clavivox, eine Theremin-Variante, die mittels einer Tastatur gespielt wurde.
Die nötigen elektronischen Bauteile lieferte der junge Student Robert Moog, der mit seinem Vater im Keller an Schaltkreisen bastelte. Auch für die erste Variante von Scotts Electronium lieferten Moog Junior und Senior wichtige Schaltkreise. Besucher in Scotts Klanglaboratorium bewunderten die "Wall of Dazzle", während der mit Scott zusammenarbeitende Elektronik-Musiker Bruce Haack das Ensemble spöttisch "Noodle Wall" nannte, weil die Patchkabel kreuz und quer durch den Raum liefen.
In jungen Jahren musste sich der aus einer jüdischen Einwanderer-Familie stammende Harry Warnow den Künstlernamen Raymond Scott zulegen, weil er nach dem Studium an der Juilliard School of Music in der Big Band seines acht Jahre älteren Bruders als Pianist seine Karriere begann.
Erfolgreiche Jazzband
Einmal etabliert, landete er mit dem "Raymond Scott Quintette", einer Jazzband von sechs Musikern etliche Erfolge wie War Dance for Wooden Indians oder Twilight in Turkey. Das Geld für seine vielfältigen elektronischen Experimente verdiente er mit einer TV-Show, in der seine Frau Dorothy Collins der Star war. Zusätzlich ließ Scott seine Musik-Maschinen patentieren, hatte aber wenig Erfolg in der Vermarktung der Geräte.
Für dieses Electronium, das ihn in der zweiten Lebenshälfte voll beschäftigte, gründete Scott die Electronium Corporation. Sie sollte eine Reihe von Klang-Gadgets vertreiben, die Fascination Series. Die kleinen Kisten sollten in Wohnungen angenehme Geräusche abspielen, was heute Ambient Music genannt wird.
Scott notierte sich verschiedene Klangszenarien, dachte aber nicht daran, sie in größeren Stückzahlen in Serie zu produzieren. Patentanmeldungen gab es auch für einen Dokumentenscanner und für elektrisch blinkenden Schmuck, wie er heute mit LEDs realisiert wird.
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Vergebliche Hoffnung auf den Durchbruch
Speziell für sein Electronium mit seinen zwölf Tongeneratoren ließ er eine Reihe von Schaltkreisen entwickeln und patentieren. Seine ständig fortgesetzte Suche nach neuen Klängen führte jedoch dazu, dass er Teile aus- und umbaute und das Electronium nie fertig wurde. Die 50.000 Dollar, die er für die Heirat von Musik und Elektronik haben wollte, sollten in ein "hübsches Gerät im Stil einer Hammondorgel gehen und Grundlage einer Geschäftsgruppe für technisch generierte Musik bilden, die Millionen damit verdient, als Erster – mit dem Electronium auf dem Markt zu sein. Mit einem ersten, schön anzusehenden Modell des Electroniums, aufregend, es anzuhören, werden wir Investoren in privaten Demonstrationen überzeugen können, uns das Geld zu geben, um die Produktion im großen Stil zu starten." All das realisierte sich nicht. Das Gerät ging nie in Serie. Heute ist dieses Electronium Teil der Synthesizer-Sammlung des Musikers Mark Mothersbaugh.
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Einer, der sich sehr für die Melodien interessierte, die Scott mit seinem Electronium produzierte, war "Muppet Master" Jim Henson. Für die Expo 1967 in Montréal produzierte Henson einen Kurzfilm, in dem sein Sohn mit Autos spielte, zur Musik von "Raymond Scott". 1967 erhielt Henson von der Office Products-Sparte der IBM den Auftrag, einen Werbefilm für die MT/ST (Magnetic Tape Electric Typewriter) zu drehen, eine rudimentäre Form der Textspeicherung und -verarbeitung, für die der deutsche IBM-Manager Ulrich Steinhilper den Begriff "Word Processing" erfand. Henson schrieb und schnitt den Film "The Paperwork Explosion".
Neben Hinweisen auf seine Musikstücke und Interviews finden sich auf der Website über Raymond Scott auch Funktionszeichnungen und Schaltpläne für sein Electronium.
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Das Electronium, später gepriesen als der erste sich selbst programmierende Synthesizer wurde nie in Serie gebaut, anders als die Geräte seines geschäftstüchtigeren Kollegen Robert Moog. Seine Sounds aus seiner Jazzband-Phase wurden später populär, als sie in Comic-Clips zur Resteverwertung freigegeben waren. Vom unaufhaltbaren technischen Fortschritt hatte Raymond Scott hingegen nicht viel. Aus den sechs US-Patenten konnte er keine Einnahmen realisieren.
Die Hochzeit aus Musik und Elektronik feierten andere rauschender: Etwa der deutsche Komponist Peter Thomas, der mit seinem "ThoWiPhon"-Synthesizer (gebaut vom Siemens-Ingenieur Hansjörg Wicha) die Musik der kultigen SCIFI-TV-Serie "Raumpatrouille" komponierte. Beide komponierten einen ähnlichen Soundtrack für das Leben unter Wasser. Thomas für das Leben nach dem Rücksturz zur Erde, Scott für die Futurama-Show von General Motors auf der Weltausstellung 1964/65 als "Life under sea". Der Name erinnert nicht zufällig an eine Zeichentrickserie: Die Futurama-Shows waren Namenspate für die Serie, die weit in der Zukunft spielt.
(mawi)