Zahlen, bitte! Raumsonde Mars Express – Dank Update endlich weg von Windows 98

Raumsonde Mars Express umkreist seit 19 Jahren Nachbarplaneten. Nun bekam ein Instrument ein Upgrade: Die auf Windows 98 basierende Software wurde aktualisiert.

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Die meisten einst produktiv genutzten Windows-98-Betriebssysteme sind mittlerweile im Museum oder wohlverdienten Ruhestand, zumal das letzte offizielle Update bereits 2006 verteilt wurde. Und doch sind sie manchmal bis heute im Einsatz: in vergessenen Terminals sowie Steuerungsanlagen – oder für Raumsonden.

Mars Express in künstlerischer Darstellung.

(Bild: esa)

Und so eine Software hat nun im Jahr 2022 tatsächlich ein Upgrade erhalten. Die Rede ist von Marsis, eines der sieben Instrumente an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express, dessen Softwareentwicklung noch auf Windows 98 basiert. Eigentlich wurde die Mars-Express-Mission nur für zwei Jahre geplant, aber seit fast 20 Jahren erforscht sie den Mars und ist dabei ein voller Erfolg für die Europäische Raumfahrtorganisation ESA.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Die ESA-Sonde Mars Express startete am 2. Juni 2003 mit einer Sojus-FG aus dem kasachischen Baikonur ins All. Die Startmasse der Sonde betrug dabei 1223 Kilogramm. Am 25. Dezember des gleichen Jahres erreichte die Sonde den Mars. Während die anderen sechs Instrumente nach und nach mit der Arbeit begannen, mussten die Radarantennen vorsichtig ausgefahren werden, um andere Bestandteile der Sonde nicht zu gefährden. Das zog sich bis zum Juni 2005, dann waren die beiden 20-Meter- und eine 7-Meter-Antenne gefahrlos ausgefahren: Das Instrument konnte seine Arbeit aufnehmen.

Die Antennen gehören zum Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding (Marsis). Es ist seit 2005 aktiv und wurde von der Universität La Sapienza in Rom in Kooperation mit dem Jet Propulsion Laboratory der NASA entwickelt. Es erforscht als Zweikanal-Niederfrequenzradar die Materialeschaffenheit der Marsoberfläche. Auf der Tagseite analysiert Marsis die Ionosphäre des Mars, auf der Nachtseite fahndet das Radarinstrument nach Wasservorkommen. Dazu sendet es Radiowellen auf die Marsoberfläche und registriert die unterschiedlichen Radarechos. Anhand der Art der Echos ziehen die Forschenden Rückschlüsse auf die Beschaffenheit von Oberfläche und darunterliegender Schichten.

Die Größe von Mars Express mitsamt der Radarantennen im Vergleich zu einer Person.

(Bild: CC BY 4.0, SkywalkerPL)

Der Hauptzweck ist die Suche nach Wasservorkommen und die Charakterisierung der Schichten unter den Sedimenten. Marsis arbeitet dabei in einem Frequenzbereich von 1,3 bis 5,5 MHz. Bis zu 5000 Meter tief kann das Instrument die Planetenoberfläche erforschen. Der Bereich für die Ionosphäre liegt zwischen 1200 und 250 Kilometern.

Um die Leistung zu steigern, und an neue Ziele anzupassen, wurde im Juni 2022 die Software aktualisiert. In der ESA-Pressemitteilung meinte Carlo Nenna, MARSIS On-Board-Software-Ingenieur bei Enginium, die das Upgrade entwickelten: "Wir sahen uns mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, um die Leistung von MARSIS zu verbessern, nicht zuletzt, weil die MARSIS-Software ursprünglich vor über 20 Jahren mit einer Entwicklungsumgebung auf der Basis von Microsoft Windows 98 entwickelt wurde!"

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Andrea Cicchetti, stellvertretender MARSIS-PI und Operation Manager beim INAF-Institut hob im Interview die Neuheiten hervor:

"Das Radar wurde um zwei völlig neue Betriebsmodi erweitert, die es ermöglichen, mehr Daten als je zuvor und in höchster Qualität zu erhalten. Das erste Update, Ssp genannt, ist für die Beobachtung von Phobos und der nicht sehr großen, aber wissenschaftlich hochinteressanten Gebiete des Roten Planeten optimiert. Das zweite Update mit der Bezeichnung Ssm wurde speziell für die Beobachtung bestimmter großer Bereiche des Mars entwickelt."

Dank Priorisierung wichtiger und Aussortieren unwichtiger Daten kann nach dem Update pro Durchgang fünfmal länger in Betrieb bleiben als vorher. Neben der Datenverarbeitung wurde auch der Signalempfang verbessert. Somit kann ein viel größeres Gebiet erforscht werden.

Die Forscher ließen sich zu der Aussage hinreißen, dass es wirklich so sei, als hätten sie "fast 20 Jahre nach dem Start ein brandneues Instrument an Bord von Mars Express." Das wohlgemerkt, bei unveränderter Hardware. Um die betagte Computertechnik zu schonen, wurden die Patches so klein wie möglich gehalten.

Zahlen, bitte! Mars Express: Die Daten sind Stand Oktober 2019. Es sind mittlerweile umfangreiche weitere Daten hinzugekommen. Daran erkennt man, wie erfolgreich die Sonde bis heute arbeitet.

(Bild: esa)

Mars Express liefert als eine der günstigsten ESA-Missionen einen großen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über den roten Planeten. Sie fand nicht nur Seen unter der Marsoberfläche, sondern erstellte auch einen 3D-Globus an Mars-Aufnahmen, neben vielen anderen Bildern. Und sie erforschte sogar Marswolken, obwohl sie dafür in der Entwicklung gar nicht ausgelegt wurde.

Es ist bereits das zweite umfangreichere Update innerhalb der Sonde, nachdem die Software der Gyroskopsteuerung 2018 aktualisiert wurde. Ob die absturzgefährdete Steuerungshardware ebenfalls mit Windows 98 in Verbindung hing, ist nicht überliefert.

Ach, und liebe Nerds: Auch wenn die Sonde den Marsmond Phobos, einen der Handlungsorte des Spiels, besonders erforscht, ist es dennoch nicht ratsam Doom darauf zu installieren. Ein Delay vom Mars zur Erde zwischen 3 und 22 Minuten aufgrund der Entfernung beider Planeten, schränkt den Spielspaß selbst hartgesottener Retrozocker doch sehr ein.

(mawi)