Activision: So läuft der Kartellstreit zwischen Microsoft und Sony

Mehr Konsolenkrieg geht nicht: Microsoft und Sony zanken vor Wettbewerbshütern über den Activision-Deal. Wo die Kartellprüfung steht und wie es weitergeht.

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(Bild: Sergei Elagin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
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Microsoft wedelt mit Verträgen, Sony ringt mit den Händen: Die Kartellanhörungen zur geplanten Übernahme von Activision Blizzard sind zur Auseinandersetzung der beiden Unternehmen gekommen, die sich auf dem Markt für Spielekonsolen schon seit Jahren fetzen. Microsoft möchte Activision Blizzard für 69 Milliarden US-Dollar kaufen, um seine Marktposition zu festigen. Sony, mit großem Abstand der lautstärkste Gegner der Übernahme, möchte das um jeden Preis verhindern.

Viel ist in den vergangenen Monaten passiert, was eine erfolgreiche Übernahme auf den ersten Blick unwahrscheinlich wirken lässt. Erst vertiefte die EU-Kommission im November ihre Prüfung der geplanten Übernahme, im Dezember kündigte die US-amerikanische Federal Trade Commission (FTC) dann eine Klage gegen den geplanten Deal an. Schließlich äußerte die britische Competition and Markets Authority (CMA) noch Bedenken am Deal: Höhere Preise, weniger Auswahl und weniger Innovation könnten seine Folgen sein, argumentierte die Behörde.

Drei unerlässliche Märkte also, die den Deal kritisch sehen. Dennoch wird Microsoft Activision Blizzard wahrscheinlich am Ende übernehmen dürfen, glaubt der Analyst Florian Müller. Der Betreiber des Blogs FOSS Patents ist Experte im Patent- und Kartellrecht und hat Unternehmen wie Microsoft bei App-Store-Themen beraten. Außerdem war er bis 1998 als Consultant für Blizzard tätig. "Die Kartellämter mussten zuerst Bedenken formulieren, um eine eingehende Prüfung und Verhandlungen über mögliche Zugeständnisse von Microsoft zu ermöglichen", sagt Müller gegenüber heise online. "So etwas liest sich dann immer endgültiger, als es ist. Am Ende wird dann doch oft stattgegeben."

Genau solche Zugeständnisse macht Microsoft gerade am Fließband. Um sich die Unterstützung der mächtigen Gewerkschaft Communications Workers of America (CWA) zu sichern, gab Microsoft etwa seine Blockadehaltung gegenüber Gewerkschaften unternehmensweit auf. Seitdem befürwortet die CWA den geplanten Activision-Deal.

Um Kartellhütern und Konkurrenten die Angst vor einem Microsoft-Monopol im Cloud-Gaming-Bereich zu nehmen, unterzeichnete Microsoft Verträge mit Nvidia und zuletzt den Cloud-Gaming-Anbietern Boosteroid und Ubitus. Sie legen fest, dass Microsofts und Activision Blizzards Videospiele künftig auch auf anderen Plattformen übers Netz gestreamt werden können, nicht nur bei Microsoft selbst. Und die beliebte "Call of Duty"-Spielereihe, ein Kernstück des Deals, soll zukünftig sogar auf den Konsolen von Nintendo erscheinen.

Tatsächlich ist Microsoft also nicht nur gewillt, den Status quo beibehalten, sondern sich sogar aktiv zu öffnen. So besänftigt Microsoft systematisch seine Gegner in den Kartellverhandlungen. EA, Tencent und Take-Two befürworten die Übernahme. Nur Sony hat Microsoft noch nicht auf seine Seite gezogen, obwohl ähnliche Zugeständnisse wohl auch den Japanern unterbreitet wurden: "Call of Duty" soll über Jahre weiter auf der Playstation erscheinen und dürfte sogar im Sony-Abo Playstation Plus angeboten werden. Auf einer Pressekonferenz in Brüssel hielt Microsoft-Präsident Brad Smith einen solchen Vertrag in die Kameras. Nur: Sony will ihn nicht unterschreiben.

Sony bezeichnet den Deal als wettbewerbsbeschädigend. Microsoft könne nach der Übernahme Preise erhöhen, was unabhängigen Entwicklerstudios schaden könnte, argumentiert das japanische Unternehmen etwa in Schreiben an Kartellbehörden. Die "Call of Duty"-Reihe sei wegen ihrer riesigen Reichweite unersetzbar. Mittelfristig würde ein "signifikanter" Teil der Playstation-User zu Microsoft wechseln, sollte die Übernahme samt "Call of Duty"-Spielen genehmigt werden.

Tatsächlich ist Sonys Position schwer haltbar: Einerseits wäre Microsoft auch nach der Übernahme noch das drittgrößte Spieleunternehmen hinter Sony und Tencent. Andererseits hat Microsoft vielen von Sonys Beschwerden schon den Zahn gezogen. Bereits abgeschlossene Verträge und im Raum stehende Angebote, die langfristige Verfügbarkeit von "Call of Duty" auf der Playstation und anderen Plattformen garantieren, lassen Sonys Befürchtungen überzogen wirken. Die "Call of Duty"-Spiele würden nach einer Übernahme auf mehr, nicht weniger, Plattformen verfügbar werden.

Im Angesicht von Microsofts Vertragsoffensive musste Sony seine Argumentation anpassen. Die von Microsoft angebotenen Verträge seien finanziell nicht tragbar, die Versprechen unzureichend. Jüngst sorgte Sony mit einer kontroversen Antwort an die CMA für Aufsehen. Darin schreiben Sonys Anwälte, Microsoft könne "Call of Duty"-Spiele auf anderen Plattformen sabotieren – etwa, indem Microsoft die besseren Entwickler nur an der Xbox-Version arbeiten lässt oder nachträglich absichtliche Bugs in der Playstation-Version platziert. Ein Eigentor, meint Florian Müller: "Mit solchen Theorien verlässt Sony den seriösen Argumentationsbereich. Das war ein Fehler, weil die Regulierungsbehörden so sehen, dass Sony die Argumente ausgegangen sind."

Wasserdicht ist Microsofts Position nicht. Die FTC merkte etwa an, dass Microsoft bereits nach der Übernahme von ZeniMax Media (Bethesda) vorher abgegebene Versprechen gebrochen habe. Und Sony wirft Microsoft vor, Kompromisse nur auf Druck von Wettbewerbshütern einzugehen. Microsoft äußere sich lieber öffentlichkeitswirksam in den Medien, anstatt ernsthaft mit Sony zu verhandeln, schreibt das japanische Unternehmen an die CMA.

Es deutet vieles darauf hin, dass Microsoft in den Kartellverhandlungen trotz Gegenwind noch gute Karten hat. Einem aktuellen Bericht von Reuters zufolge hat sich zumindest die EU-Kommission bereits entschieden, den Deal zu genehmigen. Wettbewerbshüter in Brasilien, Chile, Serbien und Saudi-Arabien haben dem Activision-Kauf schon vorher vorbehaltlos zugestimmt. Blieben von den großen Märkten also noch die britische CMA und die US-amerikanische FTC. An der Börse hat man die größten Befürchtungen vor der CMA, sagt Müller, da deren Entscheidungen nur schwer vor Gericht anzugreifen seien.

Sollte die CMA dem Deal jedoch stattgeben, sieht der Analyst auch gute Chancen bei der FTC: "Wenn Microsoft von der EU und im UK die Freigabe hat, dann könnte auch die FTC nachgeben. Und selbst wenn die FTC stur bliebe, bräuchte sie Rückendeckung von der Justiz." Die US-Behörde kann den Deal nicht direkt verhindern, sondern muss ihre Position vor Gericht verteidigen.

Die Würfel fallen also vielleicht schon im April. Die EU-Kommission will ihre Entscheidung am 25. April ankündigen, die britische CMA nur einen Tag später. Microsoft will den Deal spätestens im Sommer abschließen. Einem US-Gericht versicherte Microsoft zuletzt, bis mindestens 22. Mai warten zu wollen.

In jedem Fall wird der Ausgang der Kartellprüfungen Auswirkungen auf künftige Akquisitionen der Big-Tech-Konzerne haben, sagt Müller: "Hängen bleiben wird, dass es eine langwierige Zitterpartie war. Sowohl die potenziellen Käufer als auch die Aktionäre der Übernahmeziele wissen dann, dass solche Transaktionen mit erheblichen Verzögerungen und großen Unsicherheiten behaftet sind. Es wird also weniger Übernahmeversuche dieser Dimension geben."

(dahe)