Zweischneidiger Fortschritt bei künstlicher Befruchtung

Eine neue Technologie namens in-vitro-Gametogenese könnte ein wahrer Segen für unfruchtbare Frauen sein. Auf der anderen Seite öffnet sie die Tür zu vielen ethisch problematischen Entwicklungen.

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Von
  • Emily Mullin
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Stellen Sie sich vor, Sie sind Brad Pitt. Sie verbringen eine Nacht in einem Luxushotel, und anschließend schleicht sich jemand in Ihr Zimmer und sammelt ein paar Hautzellen von ihrem Kopfkissen ein. So weit, so unspektakulär. Aber es geht noch weiter: Mit einer neuen Technologie werden Ihre Filmstar-Hautzellen in Sperma umgewandelt und genutzt, um ein Baby zu zeugen. Und dann werden Sie von jemandem auf Millionen an Kindesunterhalt verklagt.

Ein solches bizarr klingendes Szenario könnte tatsächlich Realität werden, sagen drei bedeutende Forscher aus den USA. Vergangene Woche sind sie mit einer Warnung vor den möglichen Folgen der so genannten in-vitro-Gametogenese an die Öffentlichkeit gegangen. Nach ihren Worten könnte es mit diesen Verfahren möglich werden, jeden Zelltyp zu Ei- oder Spermazellen umzuprogrammieren.

Japanische Forscher haben die Technologie bei Mäusen schon demonstriert. Und wie die Autoren des Meinungsbeitrags in Science Translational Medicine schreiben, dürfte sie bald auch bei Menschen verwendet werden. Dies könne eine Büchse der Pandora von "verzwickten politischen Herausforderungen" und ethischen Dilemmata öffnen, warnen sie.

Das Versprechen der Technologie ist, dass sie genutzt werden könnte, um eine unerschöpfliche Versorgung mit Eizellen für Frauen zu sichern. Das wäre ein revolutionärer Fortschritt für die Reproduktionsmedizin, der Frauen erlauben würde, auch dann schwanger zu werden, wenn sie – ob wegen ihres Alters oder wegen Krankheiten wie Krebs – von Natur aus keine geeigneten Eizellen haben.

"Für unfruchtbare Frauen ist das ein Segen. Es dürfte das Feld der künstlichen Befruchtung, wie wir es heute kennen, grundlegend verändern", sagt Eli Adashi, Medizin-Professor an der Brown University. Adashi ist einer der drei Autoren des Beitrags, ebenso wie George Daley, Stammzellbiologe und Dekan der Harvard Medical School, und Glenn Cohen, Bioethiker und Professor an der Harvard Law School.

Auf der anderen Seite könnte eine unerschöpfliche Versorgung mit Eizellen zugleich die Tür für eine Hightech-Eugenik öffnen. Beispielsweise würde sie für Befruchtungskliniken die Möglichkeit schaffen, Hunderte von Embryos zu produzieren und dann diejenigen mit den wünschenswertesten Eigenschaften auszuwählen, etwa besondere Sehschärfe oder hohe Intelligenz. Die Technik "könnte das Schreckgespenst von 'Embryo-Farming' in einem bisher unvorstellbaren Umfang heraufbeschwören", schreiben die Wissenschaftler.

In Kombination mit den schnellen Fortschritten bei Verfahren zum Editieren von Genen wie CRISPR könnte in-vitro-Gametogenese zudem die Möglichkeit schaffen, bestimmte Erbkrankheiten zu entfernen oder neue Eigenschaften herbeizuführen. Diese Technologien könnten es Eltern erlauben, "ihrer Vorstellung von Perfektion bei Kinder" näher zu kommen, sagt Cohen.

Selbst die Debatte darüber, wann Leben beginnt, bekommt mit der Technologie von im Labor erzeugten Keimzellen neue Nahrung. So fragt Cohen: Wenn jede Art von Gewebe das gleiche Potenzial für Leben hat wie Ei- und Spermazellen, "bedeutet das dann, dass wir den Blick auf unsere Hautzellen verändern müssen?", fragt Cohen.

(sma)