Zweite Luft aus dem Labor

Forschern der Yale University ist es gelungen, ein Lungentransplantat aus neuen Zellen wachsen zu lassen und erfolgreich in eine Ratte einzupflanzen.

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Von
  • Nidhi Subbaraman

Forschern der Yale University ist es gelungen, ein Lungentransplantat aus neuen Zellen wachsen zu lassen und erfolgreich in eine Ratte einzupflanzen.

Die Lunge ist ein empfindliches Organ, auch wenn Millionen Raucher das bekanntlich gerne verdrängen. Fällt sie aus, ist der letzte Ausweg eine Lungentransplantation – ein riskantes Unterfangen, falls denn überhaupt ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht. Doch nun ist es Wissenschaftlern der Yale University gelungen, im Labor ein Lungentransplantat aus neuen Zellen wachsen zu lassen und erfolgreich in eine Ratte einzupflanzen. Das Versuchstier konnte mit dem Ersatzorgan immerhin zwei Stunden atmen.

Die Studie der Yale-Forscher liefert damit den ersten Beweis, dass eine alte Lunge als Gerüst für neues Lungengewebe dienen kann. Das ist bemerkenswert, weil Lungengewebe im Unterschied zu anderen Gewebearten sich nicht von selbst regenieren kann. „Lungentransplantationen wiederum sind eine sehr schwierige Prozedur, und es gibt nicht genug Spenderorgane“, sagt Laura Niklason, Biomedizinerin an der Yale University.

Auch ist die Erfolgsquote nicht sonderlich hoch: Nur zehn Prozent der Patienten, die eine Ersatzlunge bekommen haben, überleben die folgenden zehn Jahre. Hauptprobleme sind Infektionserkrankungen und Organabstoßung. Zumindest dieses Risiko könnte der neue Ansatz vermindern: Mit ihm würden körpereigene Lungenzellen des Patienten auf einem fremden Lungenstück wachsen.

Niklason und ihre Kollegen entfernten zunächst aus toten Ratten deren Lungenflügel. Aus denen wuschen sie anschließend mit Reinigunsmitteln die Zellen heraus. „Zellen sind im Grund nur wassergefüllte Beutel“, sagt Niklason. „Wenn wir sie mit Reinigungsmitteln entfernen, bleibt ein Gewebeskelett übrig.“ In dieses Skelett spritzten die Forscher Lungen- und Blutgefäßzellen aus Rattenföten.

Die Gewebemasse wurde dann in einen Bioreaktor gegeben, in dem sie mit Frischluft versorgt wurde. Nach einer Woche hatten sich die Zellen vervielfacht und auf dem Gewebegerüst verteilt. „Wir haben für die Zellen die richtigen Bedingungen geschaffen, und sie haben sich an die richtigen Stellen bewegt“, freut sich Yale-Forscher Thomas Petersen.

Die derart wiederaufgebaute Lunge verpflanzte das Team in eine lebende Ratte. Dabei verbanden sie Atemwege und Blutgefäße aus dem Transplantat mit denen im Versuchstier. Mit Erfolg: In der neuen Lunge wurde tatsächlich Sauerstoff gegen Kohlendioxid ausgetauscht und sauerstoffreiches Blut in den Körper abgegeben. Erst nach zwei Stunden versagte das Ersatzorgan.

„Das ist eine bahnbrechende Arbeit“, urteilt Peter Lelkes, Experte für Gewebezüchtung an der Drexel University in Philadelphia. „Niemand hat bisher mit Erfolg versucht, solch ein komplexes gezüchtetes Organ zu verpflanzen und zum Funktionieren zu bringen.“

Auch andere Gruppen hatten bereits mit „zellenlosen“ Gewebegerüsten experimentiert, um Herz- oder Lebergewebe zu züchten. Die Lunge ist allerdings komplexer als diese beiden Organe, da sie verschiedene spezialisierte Zellarten enthält, die hauchdünne Röhrchen und Lungenbläschen bilden. So war die Ausbeute an nachgewachsenen Zellen bei bisherigen Versuchen mit Lungentransplantaten gering.

Für einen medizinischen Einsatz muss die Yale-Gruppe aber noch einige Hürden nehmen. Zum Beispiel sei die Bedeckung der Blutgefäße durch neue Zellen noch nicht optimal, erläutert Petersen. Daher könne Blut aus den Äderchen in die Atemwege sickern. Im nächsten Schritt wollen die Yale-Mediziner soweit kommen, dass das Ersatzorgan deutlich länger als zwei Stunden Sauerstoff aufnehmen kann.

„Ich hoffe, dass dieser Ansatz es am Ende in die klinische Wirklichkeit schafft“, sagt Peter Lelkes. „Das wird sicherlich nicht morgen geschehen, aber wohl noch zu meinen Lebzeiten.“ Laura Niklason schätzt, dass im Labor erzeugte Lungentransplantate frühestens in 20 Jahren eingepflanzt werden können. „Bis dahin sind noch einige Fortschritte in der Biologie von Stamm- und Lungenzellen nötig. Unsere Arbeit ist nur ein Stück in diesem Puzzle.“

Das Paper: Petersen, T. et al., "Tissue-Engineered Lungs for in Vivo Implantation", Science, 24.6.2010 (Abstract) (nbo)