re:publica: Crafting ist mehr als neue Handarbeit

Crafting ist angesagt: Im Internet ist in den letzten Jahren eine neue Strick-, Häkel- und Näh-Szene entstanden. Mit Omas Strickpulli hat das nicht mehr viel zu tun.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Philip Steffan

Auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin sprachen die Bloggerinnen Daniela Warndorf und Kiki Haas über den in den letzten Jahren wieder erstarkten Trend zur Handarbeit. Ihr Vortrag trug den ausführlichen Namen Yarnbombing, Social Commerce und die Craftistas: Wie das Internet Crafting und Crafting unsere Gesellschaft verändert.

Daniela Warndorf betonte zu Beginn, dass der Begriff "Crafting" nicht synonym mit der althergebrachten Handarbeit sei. Handarbeit sei eine Tätigkeit von Hausfrauen gewesen, Crafting dagegen beziehe auch eine gewisse Haltung ein: Das neue Arbeiten mit Textilien sei eine selbstgewählte Tätigkeit, die durchaus auch politisch sein kann. Besonders das "Yarnbombing", bei dem im öffentlichen Raum Objekte umstrickt werden, geschehe ganz bewusst nicht im stillen Kämmerlein.

Diese Form des "Strick-Graffiti", das legal oder illegal praktiziert werden kann, habe in der Öffentlichkeit viel für die Crafting-Bewegung getan. Als öffentliche Intervention mit starkem visuellen Charakter sei es mit Yarnbombing relativ einfach, im Internet und anderen Medien Verbreitung zu finden. Ohne das Internet mit der Möglichkeit, sich zu einem gemeinsamen Hobby auszutauschen, würde es die Renaissance der Textilarbeit wohl nicht geben: Eine zentrale Anlaufstelle ist die 2007 gegründete Strick- und Häkelcommunity ravelry mit über 3 Millionen aktiven Usern. Viele Crafter verkaufen ihre Produkte zudem auf den Online-Maktplätzen etsy und dawanda.

Crafting ist in: Das Internet hat eine neue Generation von Handarbeits-Fans hervorgebracht.

Eine Umfrage der Referentinnen, wie lange sich Crafterinnen und Crafter schon mit ihrem Handarbeits-Hobby beschäftigten, zeigt auch die Zweiteilung der Szene in Neueinsteiger, die weniger als fünf Jahre dabei seien und alte Hasen, die bereits seit über 30 Jahren nähen, stricken und häkeln. Junge Craftistas kommunizieren ihr Hobby zudem hauptsächlich über Facebook und Pinterest, die älteren Teile der Szene schreiben (noch) eigene Blogs. Der Einstieg ins Crafting sei nicht schwer, sagt Kiki Haas: Komme man selbst an einem Punkt nicht weiter, reiche ein Blick auf die unzähligen Tutorials auf Youtube.

Unternehmen haben das Potential von Crafting und Selbermachen längst erkannt: Der Buchmarkt verzeichnete im vergangenen Jahr ein zweistelliges Umsatzplus. Der Gesamtmarkt für Handarbeitswaren betrug 2012 bereits 1,2 Millarden Euro Umsatz. Crafting könnte nach den Kochshows das nächste "große Ding" in der Fernsehunterhaltung werden, hieß es im Vortrag. Mit die Kommerzialisierung gehe auch die ursprüngliche politische Haltung verloren, befürchten Haas und Warndorf. Sie hoffen daher darauf, dass die Szene das große Potential ihres Netzwerks erkenne, sich auch ohne Schützenhilfe durch Konzerne und traditionelle Medien weiterzuentwickeln. (phs)