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Retro-USB-Telefon

Projekte Hatto Knittel

Das Telefon liegt im Trend der Retro-Geräte: Es bietet praktischen Nutzen als VoIP-Telefon. Über den Ziffernblock kann man wie gewohnt die Rufnummer wählen. Die Klangqualität ist besser als die eines analogen Endgerätes.

Zutaten
Beschreibung

Als Basis dient das Standard-Telefon der Deutschen Bundespost, das als erstes gebräuchliches Tastentelefon gilt und somit den Vorgänger mit Wählscheibe (übrigens im baugleichen Gehäuse) ablöste. Das verwendete Exemplar wurde im Oktober 1989 hergestellt. Im Inneren findet sich schon so einiges an Elektronik, so zum Beispiel ein IC zum Speichern von Kurzwahlnummern sowie ein piezokeramischer Schallwandler anstelle der zuvor verwendeten mechanischen Glocke. Auch gehörte eine Wahlwiederholungsfunktion damals schon zur serienmäßigen Ausstattung.

Als erster Schritt wurde die vermutlich noch funktionstüchtige Originalplatine von sämtlichen Bauteilen befreit, um einen Teileträger für die neuen Baugruppen zu schaffen und gleichzeitig eine Abschirmung der Komponenten zu gewährleisten. Die Platine war bereits zweilagig gefertigt und der obere Layer ist eine durchgehende Massefläche. Diese wurde mit der USB-Abschirmung (GND) verbunden. Außerdem befinden sich der Gabelkontaktschalter und das Poti für die Lautstärke weiterhin an ihren angestammten Plätzen, die durch die Platine vorgegeben sind.

Die USB-Buchse fand ihren optimalen Platz, da die dafür entfernte Plastikecke nahezu dieselben Abmessungen hatte – was wesentlich zu der Entscheidung beitrug, eine Buchse vom Typ B zu verbauen. Eine bekannte Kleinbohrmaschine leistete hier ganze Arbeit.

In die Öffnung, die zuvor das originale Anschlusskabel (aus einer Zeit, in der es noch keine TAE-Stecker gab) ausgefüllt hatte, passt nun wunderbar eine Niederspannungsbuchse, um den USB-Hub bei Bedarf mit Strom zu versorgen. Dank des 7805-Spannungregler im Hub kann ein handelsübliches Steckernetzteil mit bis zu 40V Ausgangsspannung verwendet werden. Der Spannungsregler, der lediglich in der Luft hing, wurde vorsichtshalber mit Wärmeleitkleber auf der Massefläche des Hubs angebracht. Ich entschied mich für ein 9V-Netzteil, was allerdings nach dem Zusammenbau überflüssig wurde, da sich sämtliche Komponenten mit den aus dem USB-Bus bereitgestellten 500mA begnügen.

Intern begibt sich der USB-Datenfluss auf die Reise durch eine Buchse Typ A, an die ein 4-Port-Hub mit seinem gekürzten Kabel angeschlossen ist. Da beim Versuchsaufbau wiederholt Verbindungsprobleme beim direkten Verlöten der USB-Leitungen auftraten, schien dies der komfortabelste Weg zu sein.

Der Hub wurde aus Platzgründen von seinem Plastikgehäuse befreit und mit Montageband auf der Trägerplatine fixiert. Seine Ports belegen nun drei Geräte: eine USB-Soundkarte im Stick-Format, die Elektronik aus einem USB-Numernblock (ebenfalls mit gekürztem Anschlusskabel) sowie ein 1-GByte-Flashspeicher. Der vierte Port muss ungenutzt bleiben, da der Anschluss des Tastenfeldes den Weg versperrt. Die Platinen der Geräte wurden ebenfalls aus ihren Gehäusen befreit.

Die problemloseste Komponente war zweifelfrei der Flash-Stick – hier greift der Begriff „Plug&Play“ voll und ganz. Die Platine des Sticks wurde wie die des Hubs mit Montageband auf der Trägerplatine angebracht.

Erste Probleme traten mit der Soundkarte auf. Da das Ganze ursprünglich als Low-cost-Projekt geplant war, erwarb ich einen Audio-Stick billigster Bauart (mit einem ASIC bestückt). Die Anschlüsse von Hörer und Mikrofon wurden mono gebrückt und über den trennenden Gabelkontaktschalter und den Lautstärkeregler an die Klinkenbuchsen angelötet. Bei ersten Tests funktionierten Wiedergabe und Aufnahme einzeln für sich einwandfrei; versuchte man jedoch beides zusammen – bei Telefonie üblich –, war nur furchtbarer digitaler Noise einzufangen. Die Wiedergabe lief weiterhin unverändert gut. Verschiedene Versuche, den Audiosignalweg abzuschirmen, schlugen fehl. Erst der Einbau eines geringfügig teureren No-Name-Audiosticks ohne ASIC schaffte Abhilfe. Glücklicherweise kommt der Audioeingang mit der Impedanz des originalen Telefonmikrofones gut zurecht.

Die eigentliche Herausforderung war jedoch der Anschluss des originalen Tastenfeldes an das USB-Numpad. Wohl wissend, dass beide mit Matrizen arbeiten, dachte ich an eine 1:1-Verdrahtung der Tastenbeschaltung. Als das USB-Numpad auf dem Tisch lag, kam aber die große Ernüchterung: während die Telefontasten als Standard-4x4-Matrix ausgeführt sind, erfolgt die Ansteuerung der Numpad-Elektronik auf eine Art und Weise, die keinerlei System erkennen lässt (vermutlich ein Nebeneffekt der Kostenersparnis). Nach einigem Kopfzerbrechen war klar: ein Matrix-Adapter muss konstruiert werden – was die Verabschiedung des Low-cost-Vorsatzes zur Folge hatte.

Die Lösung offenbart sich durch den Einsatz eines Mikrocontrollers. Die Wahl fiel auf einen PIC 16F877, da dieser griffbereit war und obendrein von Haus aus genügend Pins bietet, um auf externe Erweiterungen verzichten zu können. Sicher könnte man auch mit kleineren, billigeren Controllern auskommen.

Die auf Lochraster entstandene MRP-Platine (Massive Ratsnest Protoboarding, eine von mir so benannte und gern verwendete Technik, die sich den exzessiven Einsatz von alten Floppykabel-Adern zu Nutze macht – siehe Bild) wurde mit fünf ICs bestückt: das mit 20MHz getaktete "Gehirn" 16F877 sowie vier 4066-Schalter, die die originalen Kontakte des Numpads schließen. Dafür werden nun insgesamt drei Ports mit insgesamt 24 Pins benötigt: acht zum Auslesen der Matrix und 16 Ausgänge die Tasten. Die Stromversorgung erfolgt direkt über den USB-Hub.

Die in JAL programmierte Firmware erlaubt das gleichzeitige Betätigen von drei Tasten – wie auch beim originalen Numpad. Dies ist besonders für das gleichzeitige Starten mehrerer Loops wichtig. Der PIC kann jederzeit über die ICSP-Schnittstelle mit Firmware-Updates gefüttert werden.

Das Tastenlayout wurde am NumLock-Modus ausgerichtet. So entsprechen die Tasten 0 bis 9 auch den Ziffern auf dem Numpad. Stern ist mit Backspace zur Korrektur der Eingaben und Raute mit Enter belegt. Die vier Symboltasten auf der rechten Seite betätigen Plus, Minus, Mal und Geteilt – von oben nach unten betrachtet. Schaltet man den NumLock-Modus aus, so lassen sich die Tasten 2, 4, 6 und 8 auch als Cursortasten verwenden. Um komfortabel umzuschalten, wurde an unauffälliger Stelle die entprechende Taste am Gerät angebracht.

Ursprünglich war geplant, den Gabelkontakt in Max/MSP/Jitter auszulesen. Da das Numpad noch einige freie Tasten zur Verfügung hatte, wäre dies kein Problem gewesen. Da aber durch den ständig geschlossenen Kontakt das Signal permanent gesendet würde, käme es zu einer Beeinträchtigung der Funktionsweise, insbesondere wenn das Telefon ohne die LittlePhoneDJ –Software verwendet wird. Daher wurde auf dieses Feature verzichtet.

Bei der Endmontage zeigte sich, dass es recht eng in dem ursprünglich so leeren Telefongehäuse zugeht. Einen Großteil des Platzes nimmt der großzügig dimensionierte Matrix-Adapter in Anspruch. Gewichtsmäßig dürfte das Gerät sogar einige Gramm zugenommen haben. Durch die Schallaustrittsöffnungen im Gehäuse lässt sich bei geeignetem Betrachtungswinkel ein geheimnisvolles Leuchten und Blinken der USB-Peripheriegeräte erkennen.

Weitere Bilder sind in der des Projekts zu finden.

Inspiration

Die Idee stammt von Rebecca Steinhart, die einen Audio-Player mit Spielzeugcharakter umsetzen wollte. Bei der Suche nach einem angemessenen Controller beteiligte ich mich mit dem Ziel, ein bestehendes Objekt mit handelsüblichen Geräten zu „USB-fizieren“. (cr [1])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1745558

Links in diesem Artikel:
[1] mailto:cr@ct.de