Im Kino: "Alien: Romulus" ist keine Weltraum-Oper

Im siebten Film der "Alien"-Reihe kehrt das Franchise zu seinen Wurzeln zurück. Dass das Alien jetzt Disney gehört, ist überraschenderweise kein Problem.​

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Gang einer Raumstation; eine webliche Figur, betrachtet von hinten, bewegt sich auf Licht zu

"In Space No One Can Hear You Scream".

(Bild: 20th Century Studios)

Lesezeit: 6 Min.
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Alien, Baby! Der namenlose Terror des Universums treibt mal wieder sein Unwesen, ab Donnerstag läuft "Alien: Romulus" in deutschen Kinos. Fans des legendären SF-Horror-Klassikers werden es mit Schrecken zur Kenntnis genommen haben – schließlich hat sich Disney einen gewissen Ruf erarbeitet, von der jeweiligen Fanbase religiös verehrte Franchises ohne Rücksicht auf Verluste zu "modernisieren".

Der "Micky Maus"-Konzern hat 20th Century Fox, seit 1979 die Heimat des Alien-Franchises, im Jahr 2019 übernommen und in 20th Century Studio umbenannt. "Alien" reiht sich damit in den bunten Gemischtwarenladen ein, der Disney heute ist – neben "Star Wars", dem Marvel-Universum, Pixar und den Zeichentrick-Klassikern.

War das der Todesstoß für das Alien, das Ridley Scott, Dan O'Bannon und Ronald Shusett unter maßgeblicher Mithilfe des Künstlers H.R. Giger erstmals 1979 aufs Publikum losließen? Ohnehin schien in dem Franchise kaum noch außerirdisches Leben zu stecken, nachdem ausgerechnet Scott dem Mythos mit "Prometheus" und "Alien: Covenant" den Garaus gemacht hatte.

Besorgte Fans dürfen aufatmen: "Alien: Romulus" haucht der Serie neues Leben ein. Das liegt maßgeblich an Regisseur Fede Alvarez und seinem Co-Autor Rodo Sayagues. Sie arbeiten lieber mit Bildern, als ihre Figuren erzählen zu lassen. Alvarez hat mit seiner Neuauflage von "Evil Dead" schon einmal bewiesen, dass er das Genre beherrscht – und wie man einen Kultklassiker mit Respekt modernisiert.

Der Sage nach hat Alvarez seine Idee für einen weiteren Alien-Film zuerst Ridley Scott vorgeschlagen, der das Projekt mit seiner Produktionsfirma Scott Free schließlich 2021 bei 20th Century Studios untergebracht hat. Im Laufe der Entwicklung des Stoffes ist neben Scott auch James Cameron ("Aliens") beratend zur Seite gestanden. Mit Walter Hill ist sogar ein Produzent der ersten Stunde wieder dabei.

Die Geschichte von Alvarez und Sayagues beginnt rund 20 Jahre, nachdem die Crew des Raumschleppers USCSS Nostromo tödliche Bekanntschaft mit dem Xenomorph machen musste – und damit 37 Jahre bevor Ellen Ripley mit einer Horde Marines auf LV-426 zurückkehrt. Sie beginnt in einer Kolonie der übermächtigen Weyland-Yutani Corporation – und wie so viele Horror-Filme mit einer dummen Idee.

In der Kolonie von "Jackson’s Star" sind die Kinder der ersten Siedler inzwischen erwachsen. Wie ihre Eltern werden sie von Weyland-Yutani ausgebeutet, die Arbeit in den Minen ist hart und nicht ohne gesundheitliche Risiken. "Jackson's Star" ist ein dunkler Ort, unter der dichten Wolkendecke sieht nie jemand die Sonne dieses Systems.

Die junge Rain (Cailee Spaeny) und ihr "Bruder", ein umprogrammierter Android mit leichten Fehlfunktionen (David Jonsson), begleiten ihre Freunde auf eine riskante Mission: Im Orbit des Planeten haben sie eine von Weyland-Yutani aufgegebene Raumstation entdeckt. Sie wollen die Tiefschlafkapseln der Station stehlen und mit ihrem kleinen Raumtransporter "Corbelan" zu einer monatelangen Reise in ein besseres Leben aufbrechen.

Weil "Alien: Romulus" auch ein Horrorfilm ist, dürfte es niemanden überraschen, dass es nicht ganz so reibungslos läuft, wie sich Rains Ex-Freund Tyler (Archie Renaux) das gedacht hat. Denn dort oben im Orbit stellt sich schnell heraus, dass die verlassene Zwillings-Raumstation "Romulus" und "Remus" ein tödliches Geheimnis birgt: Unser außerirdischer Freund ist quicklebendig.

Alien: Romulus (10 Bilder)

Rain und Android Andy. (Bild: 20th Century Studios​)

Man möchte "Alien: Romulus" sofort lieben. Mit der Titelsequenz wird der Zuschauer Zeuge, wie ein Bergungsschiff etwas aus dem Wrack der Nostromo sichert. Die Filmemacher beweisen schon mit diesen ersten Bildern, wie sehr sie ihr Material respektieren. Bei Alvarez sieht alles immer noch so aus, wie es Ridley Scott 1979 erschaffen hat: Der Weltraum ist ein gefährlicher Arbeitsplatz und keine Oper.

Einen wesentlichen Anteil an diesem guten Eindruck haben die Spezialeffekte. Alvarez und zahlreiche Effekt-Teams, darunter Studio Gillis und Peter Jacksons Weta Workshop, setzen viel auf echte Tricks, animatronische Puppen und gebaute Sets, in denen sich Schauspieler und Crew frei bewegen konnten. Das wirkt auf der Leinwand sehr überzeugend. Ganz ohne digitale Effekte kommt aber auch Alvarez nicht aus – leider sorgt CGI in einer wichtigen Szene für einen ziemlichen Bruch.

Wenn man Alvarez etwas vorwerfen will, dann, dass er es mit dem Fanservice ein bisschen übertreibt. "Alien: Romulus" plündert sich munter durch den Alien-Kanon, greift musikalische Motive der legendären Soundtracks von Jerry Goldsmith und James Horner auf und zitiert ein paar ikonische Szenen. So viel sei schon mal verraten: Auch Fans von "Alien Resurrection" kommen auf ihre Kosten.

Das Ganze wirkt stellenweise wie eine bunte Zitatensammlung, die den metaphysischen Ballast der jüngeren Vorgänger abwirft und von einem fluffigen Skript für knappe zwei Stunden zusammengehalten wird. Bis Alvarez gegen Ende dann in David-Cronenberg-Territorium vordringt – und spätestens hier jedem klar wird, dass es sich um einen Horrorfilm handelt, der seine "Ab 16"-Freigabe zu Recht trägt.

Ganz spurlos geht die Disneyfication aber auch an "Alien: Romulus" nicht vorbei. Dass die Protagonisten so gerade mal als Erwachsene durchgehen, dürfte Hollywoods Obsession mit jungen Zielgruppen und dem anhaltenden Trend der "Young Adult Fiction" geschuldet sein. Immerhin sind die Figuren glaubhaft – nach jahrelanger Arbeit in den Minen sind die Kids schon alright. Dem Alien ist das Alter seiner Wirte ohnehin egal.

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"Alien: Romulus". USA 2024. Regie: Fede Alvarez. Drehbuch: Fede Alvarez und Rodo Sayagues. Kamera: Galo Olivares. Musik: Benjamin Wallfisch. Schnitt: Jake Rogers. Produktion: Ridley Scott, Michael Pruss, Walter Hill. Laufzeit: 119 Minuten. FSK: Ab 16. Ab 15. August 2024 im Kino.

(vbr)