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„Andere tun sich leichter“

Gordon Bolduan

Interview mit Rheinhold Eder, Leiter des Deutschland-Vertriebs für den Elektroroller Segway.

Rheinhold Eder leitet in Deutschland den Vertrieb des Elektrorollers Segway [1], der bislang nur in wenigen Bundesländern für den Straßeneinsatz zugelassen ist.

TR: Herr Eder, ich kann mich eigentlich an keine schlechte Schlagzeile über den Segway erinnern. Sie?

Eder: Nein. Ich auch nicht.

TR: Bis auf die [2] mit George Bush.

Eder: Der ihn nicht eingeschaltet hatte. [lacht]

TR: Wie bitte?

Eder: Er hatte ihn nicht eingeschaltet und ist einfach über den Segway drübergelaufen. Er hatte den Lenker im Beckenbereich so schräg zu sich gelehnt, hat ihn dann zu sich nach vorne genommen und ist dann einfach drübergelaufen. Ich habe diese Bildserie gesehen und mit jemanden gesprochen, der dabei war, als die Bilder gemacht worden. In der Zeitung stand dann aber: Bush ist gefahren und gestürzt. Verkauft sich vielleicht besser, war aber nicht so. Das war wirklich das einzige Negativbeispiel, was ich jetzt kenne, was so durch die Presse gegangen ist.

TR: Dennoch läuft in Deutschland der Verkauf schleppend, was nicht überraschend ist, wenn die bundesweite Zulassung fehlt. Was macht es so schwierig, diese zu bekommen?

Eder: Die Problematik liegt einfach darin, dass der Segway eine komplett eigene Fahrzeugart ist. Wir können sie nirgends einordnen. Sie ist weder ein Fahrrad noch ein Mofa. Wir können nicht sagen, dass ist ein Fahrzeug, was in eine bestimmte Gattung gehört. Das bedeutet, wir mussten eine eigene Gattung kreieren. Wenn sie etwas zulassen wollen und es ist nirgends reguliert, dann tut sich jeder sehr schwer, weil er sich fragen muss: Wie einstufen? Was kann das sein? Was kann es?

TR: Kann man nicht einfach eine eigene Segway-Klasse definieren?

Eder: Ja, da sind wir jetzt dran. Die Verordnung, die gerade vom Bundesverkehrsministerium vorbereitet wird, die definiert eine solche Klasse, wobei sie dann nicht Segway heißt, sondern eben elektronische Mobilitätshilfe.

TR: In Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen kann man bereits jetzt schon Segways in natura bestaunen. Steckt da ihr Marketing dahinter?

Eder: Nein, ich denke eher, das ist der Erfolg einer extrem innovativen Technologie. Ein Bundesland, das wird ja immer repräsentiert von zwei drei vier Leuten, die einfach die Entscheidung fällen können. Wenn sie da einen sitzen haben, der innovativ und aufgeschlossen ist, dann haben sie ein Bundesland, wo es schnell vorwärtsgeht. Bei anderen Bundesländern, da dauert es halt etwas länger. Da wartet man halt, bis noch andere Erfahrungen gesammelt worden sind, oder bis er sich da und da bewährt hat. Dann überlegt man auch da, Segways mit einzusetzen.

TR: Wie verhalten sich denn die übrigen Bundesländer?

Eder: Wir haben jetzt gerade die Aussage von Baden-Württemberg bekommen, dass sie keine Ausnahmegenehmigung wollen, weil die bundesweite Zulassung eh so absehbar ist.

TR: Wann rechnen Sie mit einer bundesweiten Zulassung?

Eder: Wir rechnen mit Februar, März 2008.

TR: Warum dauert das so lange?

Eder: Sie haben hier ein Bündel an Gesetzen. Ich habe einen Ausdruck bekommen, was für die Ausnahmegenehmigung bedacht werden musste. Das ist unfassbar, eine DIN-A4-Seite nur mit Verweisen auf Paragraphen und Verordnungen. Selbst Straßenverkehrsrechtler, die das durcharbeiten, sagen: Wahnsinn! Das ist einfach extrem komplex.

TR: Macht das Deutschland technologie-feindlich?

Eder: Nein, aber es ist unheimlich schwierig, gerade neue Sachen oder neue Technologien auf die Straße zu bringen. Ich denke, wir haben unheimlich gute Ingenieure, und wir können so etwas auch super entwickeln, nur eben in der Umsetzung, das man das einfach akzeptiert und man sagt: O. K., wir probieren das mal, da tun sich andere europäische Länder leichter.

TR: Welche?

Eder: Italien oder Spanien. Die Italiener haben halt gesagt: Wir lassen ihn mal zu, bis wir ihn verbieten. Die probieren halt mal aus, ob es verträglich ist mit den anderen Verkehrsteilnehmern, ob sich da etwas tut, ob da Unfälle passieren. Wenn es nicht funktioniert, dann verbieten sie es.

TR: Wie viele Segways haben sie denn bisher in Deutschland verkauft?

Eder: Zwischen 800 und 1000 sind unterwegs in Deutschland.

TR: Wie viele davon sind an Privatleute gegangen?

Eder: Zehn bis 15 Prozent.

TR: Zu welchem Preis?

Eder: Dem normalen.

TR: Der ist?

Eder: 5990 Euro plus Mehrwertstuer für die Straßenversion, 6290 plus Mehrwertsteuer für die Geländeversion und 6790 plus Mehrwertsteuer, das ist die Golfvariante.

TR: Wenn die bundesweite Zulassung durch ist, wird sich dann auch der Preis eines Segways verringern? Eder: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, dass es günstiger werden wird. Wenn größere Stückzahlen produziert werden können, dann wird auch der Preis günstiger.

TR: Wie weit wird er runtergehen?

Eder: Dass kann man heute noch schlecht abschätzen. Denn ob der Segway wirklich ein Massen-Transportmittel wird, kann ich nicht sagen. Es gibt in Deutschland 73 Millionen Fahrräder. Wenn wir in fünf Jahren 10.000 Segways auf der Straße haben, dann wäre das schon O. K. Auch für Segway. Es ist eine Nische, die hier besetzt wird. Das heißt nicht, dass jeder Fußgänger oder Fahrradfahrer jetzt auf den Segway umsteigen soll. Ganz im Gegenteil. Ziel von Segway ist, dass für die Kurzstrecke Autos stehengelassen werden.

TR: Machen denn die geringen Stückzahlen den Segway so teuer?

Eder: Nein. Das ist vor allem die komplette Redundanz. Der Segway ist ja von der Sicherheit her gebaut, wie ein Flugzeug. Das heißt, alles was zum Fahren benötigt wird, habe ich doppelt im Segway. Im Prinzip stehen sie auf zwei Motherboards, zwei Kreiselsensoren, das sind alles Zwillingsmodule. Sollte eins ausfallen, schaltet sofort das andere dazu. Die Sicherheit des Fahrers hat oberste Priorität.

TR: Online, im deutschen Segway-Forum, sind die deutschen Segway-Fahrer ja schon sehr aktiv. Allerdings klagen sie darüber, dass ihr Untersatz so schwer zu verladen sei. Ist der auf der diesjährigen IAA vorgestellte Opel Flextreme [3] mit einer Ladestation für zwei Segways die Antwort drauf?

Eder: Das könnte eine sein. Aber es gibt auch schon Lösungen für Anhänger-Kupplungen, wo sie einfach den Segway auf einer Art Fahrradanhänger mit einer Hebelvorrichtung arretieren. Der ist auch schon fertig, da können sie einfach zwei Segways oben drauf packen.

TR: Was versprechen sie sich dann von der Flextreme-Studie und der Kooperation mit General Motors Europe?

Eder: Im Prinzip ist das eine große Anerkennung, die man Segway ausspricht. Mittlerweile sind wir halt so groß geworden, dass uns auch die Automobilindustrie nicht mehr belächelt, sondern als strategischen Partner wahrnimmt. In dem Zusammenhang hat General Motors eben drauf gesetzt und gesagt: Gut, wir machen so ein Zukunftsfahrzeug und wollen aber auch noch einen Schritt weitergehen und Mobilität gewährleisten, auch da wo ein Auto nicht mehr hin kann.

TR: Wie kam es zu der Kooperation? Eder: Die Marketing-Abteilung von General Motors hat sich an Segway gewandt mit der Idee dieses Fahrzeug zu kreieren.

TR: Sind weitere Erweiterungen für die Zukunft geplant?

Eder: Die Marke Segway wird gerade weltweit unheimlich schnell bekannt. Es könnte durchaus sein, dass in drei, vier, fünf Jahren ganz andere Produkte von Segway auf den Markt gebracht werden. Segway hat sich ja nicht darauf konzentriert, ein einachsiges Fahrzeug zu machen, sondern Segway ist hier von der Maxime her darauf ausgelegt, dass sie zukunftsträchtige Projekte umsetzen wollen, die mit extrem wenig Energie auskommen.

TR: Noch eine letzte Frage: In Hessen geht die Polizei jetzt mit Segways auf Streife. Hat sie einen Behördenrabatt erhalten?

Eder: Das sind ganz normale Konditionen. Es gibt zwar spezielle Konditionen für die Polizei, aber das ist kein Behördenrabatt. (wst [4])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-280357

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.segway.de/welcome.php?language=de
[2] http://politicalhumor.about.com/library/images/blbushsegway.htm
[3] http://www1.opel.de/aktuell/news/index.php3?mode=intro&app=da7955b82fa9704f85c10dd9ac04cd3c&app1
[4] mailto:wst@technology-review.de