Covid-19: Monopole vs. Mutantenbekämpfung​

Der Appell an Impfstofffirmen, ärmere Länder mitproduzieren zu lassen, damit auch sie impfen können, verhallt. Das kann zu gefährlicheren Virusstämmen führen.

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Ohne Impfung bleibt die Welt geschlossen.

(Bild: Edwin Hooper / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Während Großbritannien und die USA bei der Impfgeschwindigkeit richtig Gas geben, hinken Deutschland und andere westliche Länder deutlich hinterher. Bei dem Streit über die Ursachen und über Exportverbote gerät meist in den Hintergrund, dass der überwiegende Anteil der bisher hergestellten und der vorbestellten Impfdosen an wohlhabende Länder geht.

Bis einschließlich Februar wurden 75 Prozent der verabreichten Impfdosen in gerade mal zehn wohlhabenden Ländern verimpft, warnte António Gutteres, Generalsekretär der Vereinten Nationen. Mehr als 210 Länder mit 2,5 Milliarden Einwohnern hätten dagegen keine einzige Dosis erhalten. Zwar gibt es die von der Europäischen Union (EU), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Unicef und der Impfstoffallianz Gavi gestartete Initiative Covax (Covid-19 Vaccines Global Access), die weltweit für einen gleichmäßigeren und gerechteren Zugang zu Covid-19-Impfstoffen sorgen möchte.

Aber selbst da geht es natürlich mitnichten um eine hundertprozentig gerechte Verteilung. Die teilnehmenden Länder – 165 Länder, die 60 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, haben zugestimmt – sollten bis Jahresende einen garantierten Anteil an Impfdosen für die am stärksten gefährdeten 20 Prozent seiner Bevölkerung erhalten. Nicht nur für ältere Menschen, sondern zum Beispiel auch für Ärzte. Dafür will Covax zwei Milliarden Dosen einkaufen.

Doch selbst dieses Teilziel scheint gefährdet. Zu den aktuellsten Rückschlägen gehören Produktionsprobleme eines südkoreanischen Auftragsherstellers und der temporäre indische Exportstopp etwa für den AstraZeneca-Impfstoff. Das indische Serum Institute hatte sich verpflichtet, eine Milliarde Impfdosen für Covax zu produzieren, doch nun hat offenbar die indische Regierung angesichts steigender Fallzahlen Eigenbedarf angemeldet. Covax-Empfängerländer müssen sich auf Wartezeiten einstellen, darunter nicht nur der Irak, Yemen, Südsudan oder Mauritius, sondern etwa auch Bosnien-Herzegowina in Europa. Andere WHO-Initiativen wie der „Covid-19 Technology Access Pool“ bügelte etwa Pfizer-Chef Albert Bourla gleich als „Nonsense“ ab. Ohne Eigentumsrechte könne sei keine sichere Impfstoffproduktion gewährleistet.

Doch selbst wenn alles nach Plan liefe, wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die WHO, viele Hilfsorganisationen und Regierungen appellieren deshalb seit einiger Zeit an die Impfstoff-Hersteller, ihr Knowhow und Eigentumsrechte mit anderen Ländern zu teilen – oder zumindest auszusetzen, die bei der Produktion tatsächlich maßgeblich helfen könnten.

So hatte sich etwa Abdul Muktadir, Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Incepta in Bangladesh, der Washington Post zufolge per E-Mail an die Geschäftsleitungen von Moderna, Johnson & Johnson und Novavax gewandt. Er bot ihnen die Produktionskapazität seines Unternehmens an, die 600 bis 800 Millionen Impfdosen pro Jahr für die Versorgung asiatischer Länder liefern könnte. Offenbar bekam er nie eine Antwort. Stattdessen schließen die Hersteller Einzelverträge mit den Ländern ab und kassieren dabei gerade von ärmeren Ländern höhere Preise pro Impfdosis, in Abhängigkeit etwa von der Bestellmenge und lokalen Produktionskosten.

Nun kann man sagen, dass der Markt eben so ist wie er ist. Doch das Beharren auf hohe Einnahmen und Eigentumsrechte dürfte den wohlhabenden Ländern noch auf die Füße fallen. Jeder Nichtgeimpfte wird, sobald er erkrankt, zur Virenschule, wie es ein Virologe so treffen formuliert hat.

Mit anderen Worten: Das Virus erhält neue Chancen zu mutieren und hat vor allem in immunschwachen Menschen, die den Erreger über einen längeren Zeitraum zu bekämpfen versuchen, viel Zeit dafür. Das sind dann auch gesteigerte Chancen für die Entstehung von Mutationen, die von den existierenden Impfstoffen nicht effektiv genug abgewehrt werden können.

Die neuen Virusmutanten reisen dann wieder alle schön um den gesamten Erdball, bis hin zu den reichen Ländern, die sich angesichts der guten Impfstoffversorgung in Sicherheit wähnen und wieder alles öffnen. Wir wären gut beraten, bessere Lösungen zu finden, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es ist allerdings zu befürchten, dass sich selbst angesichts einer globalen Pandemie, in der solche Entscheidungen die ganze Welt betreffen, nichts ändern wird.

(vsz)