"Das wäre früher nicht möglich gewesen"

Lucy Bradshaw, leitende Produzentin von "Spore", über die Arbeit an dem heiß erwarteten Computerspiel mit evolutionsbiologischem Hintergrund.

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Von
  • Erica Naone

Das "Kreaturenlabor", der erste Teil des lange erwarteten Simulationsspiels "Spore", ist seit Mitte Juni erhältlich. Das Spiel von Will Wright, dem Macher hinter so bekannten Titeln wie "SimCity" und "Die Sims", bietet dem Nutzer die Möglichkeit, einen einzelligen Organismus durch zahlreiche evolutionsbiologische Schritte zu führen, bis er schließlich eine Raumfahrernation vor sich hat. Das Kreaturenlabor ist Teil des Spiels und besteht aus einem Modellierungsstudio, in dem der Spieler seinen eigenen Organismus aus einer Reihe frei konfigurierbarer und flexibler Teile formen kann.

Als Wright 2005 erstmals über Spore sprach, betonte er seine Vision eines Games mit vollkommener Nutzerkontrolle. Statt Tausende von 3D-Modellen vorab zu schaffen und ihr Verhalten zu programmieren, entwickelte er mit seinem Team Algorithmen, die die vom Nutzer geschaffenen Kreaturen zum Leben erwecken sollen. Im Kreaturenlabor entscheidet jede gestalterische Auswahl, wie das geschaffene Lebewesen mit anderen interagieren kann. Das Spiel besteht vor allem aus Lebewesen, die Nutzer geschaffen haben; dennoch ist es kein Mulitplayer-Spiel. Weitere Kreaturen werden von KI-Algorithmen gesteuert und nicht von anderen Spielern.

Das Kreaturenlabor liegt als kostenlose Demoversion vor, die vollwertige Variante kostet zehn Euro. Das komplette Spore selbst soll im September folgen. Im Interview mit Technology Review sprach Lucy Bradshaw, ausführende Produzentin von Spore, über die wissenschaftlichen Hintergründe des Spiels.

Technology Review: Ihr Hauptalgorithmus, die so genannte "Procedural Generation" (PG), wurde einst in den frühen Tagen der Computerspielindustrie entwickelt, als Rechner noch nicht genügend Speicher hatten, um viele Details zu Spielfiguren und Umgebung abzulegen. Damals wurde voll auf Prozessorleistung gesetzt, um Spielwelten aus einer kleinen Anzahl von Instruktionen zum Leben zu erwecken – damalige Programmierer hatten keine andere Wahl. Seither wurde diese Technik nicht mehr verwendet, schließlich haben PCs genügend Platz für riesige Datenmengen. Warum haben Sie sich bei Spore an die PG-Technik zurückerinnert?

Lucy Bradshaw: Will Wright hat sich für PG entschieden, weil er so viel Kreativität wie möglich in die Hand der Spieler legen wollte. Bei den meisten Spielen schaffen Entwickler doch nur eine Auswahl vordefinierter Skelette und vorbestimmter Texturen. Wir wollten, dass der Spieler alles selbst bauen kann, was er sich nur vorstellt. Dass wir die Inhalte prozessorientiert erstellen, erlaubt uns dies. Dadurch entsteht eine Dynamik, die jeder vom Spieler geschaffenen Kreatur einen Sinn im Spiel zuordnet.

TR: Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie das funktioniert?

Bradshaw: Die Fähigkeiten einer Spore-Kreatur ergeben sich daraus, welche Körperteile ihr der Spieler verpasst hat. Körperteile, die dem Sozialverhalten dienen, erlauben es einem Lebewesen beispielsweise, andere Kreaturen mit Charme zu begegnen, zu tanzen, zu singen oder zu posieren. Mit dem Kreaturenlabor kann man diese Körperteile nach belieben anbringen. Das könnte beispielsweise eine kleine Blume sein oder eine Art Antenne, die einem diese Fähigkeit verleiht. Die Kreaturen verhalten sich danach, was man ihnen mitgibt.

Wenn ich mich also dafür entscheide, dass mein Lebewesen mit anderen Spezies besonders sozial umgehen soll, entscheide ich mich dafür, ihm viele solcher Teile zu verpassen und entsprechende Möglichkeiten zu schaffen. Wenn ich hingegen angriffslustig bin und mich mit Gewalt durchsetzen möchte, investiere ich besser in Körperteile, die zum Kampf dienen. Mein Wesen kann sich dann anschleichen und andere anspringen. All diese Dinge zusammengenommen ergeben eine Strategie, die man sich überlegen muss, wenn man im Spiel erfolgreich sein will.

TR: Bestimmt die Gestaltung einer Kreatur auch über andere Dinge mit?

Bradshaw: Eine unserer ursprünglichen Visionen war, auch prozessorientierte Musik zu nutzen. Das haben wir mit der Hilfe des Musikers Brian Eno umgesetzt. Wenn man seine Kreatur im Editor also etwas aggressiver macht, wird auch die Musik ein bisschen bedrohlicher. Wenn man hingegen ein sozialeres Wesen schafft, werden die Melodien kesser und fröhlicher. Und all das passiert auch noch im Laufe des Spiels.

TR: Eines der Ziele des Kreaturenlabors scheint gewesen zu sein, es leicht bedienbar zu machen, dem Spieler aber dennoch viele Möglichkeiten an die Hand zu geben. Wie gelang Ihnen das?

[b]Bradshaw: Mit der Arbeit an dieser Schnittstelle haben wir wahrscheinlich die meiste Zeit verbracht. Es sollte so einfach sein, wie wenn man Ton formt. Man kann jeder Zeit neue Körperteile ergänzen, sie strecken und skalieren. Wir haben dazu dem Computer beigebracht, darauf zu reagieren, was der Spieler macht. Wenn die Kreatur direkt vor dem Spieler steht, werden die Gliedmaßen anders manipuliert als von der Seite. Bringt man ein Bein an, wird auch ein zweites hervorgezaubert. Und so weiter.

TR: Weil sich das Verhalten der vom Spieler geschaffenen Lebewesen aus dem Spielverlauf ergibt, scheinen Sie die Dateigröße für einzelne Kreaturen sehr klein gehalten zu haben.

Bradshaw: Wir speichern eine Art Rezeptur für jedes Lebewesen. Weil der Computer die Kreaturen dann prozessorientiert aufbaut, reduziert sich die Dateigröße, die ein Lebewesen abdeckt, auf nur 8 K. Und wir sprechen hier von Kilobytes, nicht Mega- oder Gigabytes, wie man sie bei 3D-Modellen kennt.

TR: Werden Sie aufgrund dieser Dateigröße auch Mobilversionen von Spore schaffen können?

Bradshaw:Wir haben bereits eine Spore-Version in Arbeit, die sich "The Beginning" nennt. Sie ist für Handys geeignet. Im kompletten Spiel verlangt die prozessorientierte Animation und ein Teil der verwendeten KI-Technik jedoch die Leistung einer echten PC-Plattform. Der Spieler kann zwar sehr kreativ sein und sich über kleine Dateigrößen freuen.. Allerdings ist die Umsetzung des Spiels dann derart komplex, dass wir ziemlich viel Rechenleistung brauchen.

TR: Auf welchem PC wird Spore dann laufen?

Bradshaw: Unsere Mindestanforderung liegt bei einem System, das vor drei Jahren auf den Markt kam. Wir bringen gleichzeitig Versionen für Mac und PC in die Läden. (bsc)