"Die Leute entwickeln triviale Dinge"

Der Paypal-Mitgründer und Investor Max Levchin ist unzufrieden mit der Gründerkultur des Silicon Valley. Im TR-Interview verrät er, was schief läuft und welches Start-up ihn wirklich fasziniert.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Conor Myhrvold

IT-Start-ups reden gerne von Innovation. Besonders im Silicon Valley. Doch wie gut sind sie wirklich darin, wichtige neue Technologien zu erfinden und zu kommerzialisieren? Nicht gut genug, finde Max Levchin, 36, einer der Gründer von Paypal und heute Investor im Silicon Valley. Derzeit arbeitet er mit seinem früheren Paypal-Partner Peter Thiel und dem früheren Schachweltmeister Garri Kasparow an dem Buch „The Blueprint“, in dem die drei die heutige Start-up-Kultur einer kritischen Analyse unterziehen.

Levchin selbst hat nach seinem Engagement bei Paypal eine durchwachsene Start-up-Bilanz vorzuweisen. Mit Slide.com entwickelte er eher dümmliche Facebook-Anwendungen wie Superpoke! Pets. Google kaufte Slide 2010 für 200 Millionen Dollar, beendete die meisten Dienste jedoch im vergangenen Jahr. Technology Review sprach mit Levchin, warum er mit den Start-ups von heute unzufrieden ist, welches Start-up ihn wirklich beeindruckt und welche Lehren er aus seiner eigenen Firmengründung gezogen hat.


Technology Review: Herr Levchin, was stört sie an der derzeitigen Start-up-Kultur am meisten?

Max Levchin:
Ich habe das Gefühl, dass wir uns größere Ziele setzen sollten. Eine ganze Reihe von Firmengründern, mit denen ich zu tun habe, wollen gar nicht erst etwas Großes machen. Sie wollen nur ein Unternehmen aufbauen, das dann aufgekauft wird, für einen ordentlichen, aber nicht unbedingt riesigen Betrag. Der Preis selbst spielt eigentlich keine Rolle, er spiegelt vielmehr indirekt den Ehrgeiz der Gründer wider.

TR: Was ist an dieser Strategie falsch?

Levchin:
Ich glaube, dass sie kaum revolutionäre oder bahnbrechende Unternehmen hervorbringt. Im Silicon Valley nimmt die Zahl der Start-ups rapide zu, die man leicht mit einer technischen Funktion oder Dienstleistung verwechseln kann.

TR: Aber was ist mit den großen Innovationen der letzten Jahre, etwa dem Smartphone oder sozialen Netzwerken?

Levchin:
Es werden schon durchschlagende Technologien entwickelt. Ich mache mir keine Sorgen über Innovationen an sich, die kommen auf jeden Fall voran. Worum es mir geht, ist, dass eine Menge Anstrengung verschwendet wird, die nie zu bedeutsamenn Innovationen führen wird. Ich halte das für problematisch. Diese Firmen ohne Ehrgeiz verbraten eine Menge Ressourcen – vor allem talentierte Ingenieure und Entwickler.

TR: Warum?

Levchin:
Üblicherweise muss alles einen Filter aus knappen Ressourcen passieren, beispielsweise Kapital. Angenommen, Sie wollen Geld auftreiben und beschreiben Ihre Idee so: „Ich schau mir dieses Videospiel an und mache es dann etwas billiger“. Dann würde unter normalen Umständen jeder Investor sagen: „Was für eine blöde Idee. Dafür gebe ich keinen Cent her. Warum macht Ihr nicht etwas richtig Interessantes?“

Weil aber viel zu viel Kapital da ist, als Folge der ungeheuren Erfolge im Silicon Valley in den letzten Jahren, werden auch solche mittelmäßigen Ideen finanziert. Also entwickeln die Leute mitunter triviale Dinge.

TR: Mit Verlaub, aber Slide.com wirkte genauso trivial wie die Firmen, denen sie mangelnden Ehrgeiz vorwerfen. Wünschen Sie sich nicht manchmal, Sie hätten nicht Jahre damit zugebracht, virtuelle Haustiere zu entwickeln?

Levchin:
Spiele und Unterhaltung können ziemlich viel bewirken. Kunst, Musik oder Literatur können manchmal so außergewöhnlich sein, dass sie die Welt verändern. Wir haben zum Teil großartige Arbeit bei Slide geleistet. Das Ehrgebnis blieb aber hinter unseren Erwartungen zurück. Die Lektion, die ich daraus gelernt habe, war, dass ich nicht gut genug bin, die Welt durch Kunst zu verändern. Dass ich bei dem bleiben sollte, von dem ich etwas verstehe: Wissenschaft.

TR: Haben Sie Ihre Investitionen entsprechend neu ausgerichtet? Nennen Sie uns ein Start-up, an dem Sie beteiligt sind und das eine wahrhaft große Idee verfolgt.

Levchin:
Kaggle finde ich sehr spannend...

TR: ...Kaggle will die besten Daten-Analysten der Welt anzapfen.

Levchin:
Analysten können oft in der Firma, die sie eingestellt hat, eine Menge aus deren Daten machen, nicht jedoch aus den Daten von anderen. Die Idee einer Plattform, auf der Data-Mining-Experten fallweise angeheuert werden, ist fantastisch.

Denn dann könnte jemand, der bei der Nasa Datenreihen von Radioteleskopen auswertet, bei Bedarf für ein Krebsforschungsprojekt eingesetzt werden oder bei Aufgaben wie dem Humangenom-Projekt, ohne dass er seinen Job aufgeben muss. Ich halte das für ein sehr leistungsfähiges Konzept. (nbo)