Die Woche: Freiheit für Suse

Nach sieben Jahren unter dem Dach von Novell soll Suse – nach Abschluss der Novell-Übernahme durch Attachmate – wieder auf eigenen Beinen stehen. Damit kehrt der Linux-Distributor ein Stück weit zu seinen Wurzeln zurück.

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Bei der Verbreitung von Linux spielte die Distribution aus Nürnberg in Deutschland eine bedeutende Rolle. Es begann 1994, als die Gesellschaft für Software und System-Entwicklung mbH, kurz S.u.S.E, ein SLS-basiertes Linux-System auf zehn 3,5-Zoll-Disketten mit einem knappen Handbuch auf den Markt brachte. Ein durchaus interessantes Angebot: Wer damals überhaupt einen eigenen Internet-Zugang besaß, wählte sich noch per Modem oder ISDN zu horrenden Minutenpreisen ein. Wenig später wechselte Suse auf Slackware, womit der Umfang bei Suse 11/94 auf sagenhafte drei CDs anwuchs – zu einer Zeit, als man CD-ROM-Laufwerke noch über die Soundkarte anschloss und Festplatten zwischen 250 und 512 Megabytes groß waren.

Größere Bekanntheit erlangte Suse aber erst, nachdem man sich von Slackware löste und Mitte 1996 mit Suse Linux 4.2 die erste eigene Linux-Distribution veröffentlichte: Gerade Einsteiger waren froh um ein (weitgehend) deutsches Benutzerhandbuch und ein gut bedienbares, deutsches Systemkonfigurationsprogramm, das YaST (Yet another Setup Tool). Ab Version 7.0, die Anfang 2000 erschien, gab es zwei verschiedene Varianten: die Personal Edition für Privatanwender und Suse Linux Professional für den Firmen- und Server-Einsatz – beide als stabile Box, mit umfangreichen deutschen Handbüchern und kostenlosem telefonischen Installations-Support. Damit wurde Suse Linux im deutschsprachigen Raum zur beliebtesten Linux-Distribution.

Entsprechend viel Aufsehen gab es, als Novell im November 2003 die Übernahme der damaligen Suse Linux GmbH verkündete. Die Sorge war groß, dass der amerikanische Großkonzern den (nicht mehr so kleinen) deutschen Linux-Distributor einfach schluckt, das Suse-Büro in Nürnberg schließt und die Entwickler auf verschiedene Novell-Standorte in aller Welt verstreut.

Die vermeintliche Bestätigung dieser Befürchtungen kam ein Jahr später, als Novell seinen Linux Desktop 9 vorstellte – eine Desktop-Linux-Version für den Firmen-Einsatz auf Basis von Suse Linux 9 mit durchgehend blauer statt traditionell grüner Farbgebung, mit Novell-Logos allenthalben und ohne ein einziges Suse-Chamäleon als Wappentier.

Doch es kam anders, die Linux-Sparte blieb weitgehend selbständig. Es kamen zwar Entwickler an verschiedenen Novell-Standorten hinzu, das Hauptquartier war jedoch weiterhin in Nürnberg. Mit der zunehmenden Verbreitung schneller Internetzugänge mit Flatrate verlor das Boxen-Geschäft immer weiter an Bedeutung, sodass man damit nichts mehr verdienen konnte. Also kopierte Novell kurzerhand das Konzept von Red Hat, indem man mit Suse Linux Enterprise Server (SLES) und Suse Linux Enterprise Desktop (SLED, vormals Novell Linux Desktop) zwei Produkte für Firmenkunden schuf und die Privatanwender in das OpenSuse-Projekt auslagerte, wie es Red Hat mit dem Fedora-Projekt vorgemacht hatte. Das Geld brachten fortan die Enterprise-Distributionen mit ihren langjährigen Support-Verträgen.

Nach der für das Frühjahr 2011 geplanten Übernahme will Attachmate Novell und Suse wieder scheiden. Am Verhältnis zur OpenSuse-Community soll sich dadurch aber nichts ändern. Suse soll also auch weiterhin mit dem Enterprise-Geschäft sein Geld verdienen – Umsatz, der dann Novell fehlt. Dabei erzielte allein die Linux-Sparte im 3. Quartal 2010 mit über 37 Mio. US-Dollar fast ein Fünftel des Gesamtumsatzes bei Novell und ist der einzige noch wachsende Geschäftsbereich. Alle anderen Bereiche schrumpfen Quartal um Quartal, genau wie der Gesamtumsatz von Novelll. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Spannend ist, wie das künftige Verhältnis von Novell und Suse aussieht. Schließlich bleibt das Copyright am Unix-Code weiterhin bei Novell und wird nicht auf Suse übertragen. Würde Novell etwa den Code an Suse lizenzieren, könnte man auch künftig von den Früchten der Nürnberger profitieren und so die hauseigene Bilanz um ein paar Millionen aufpolieren.

Für Suse ist die Scheidung in jedem Fall ein Gewinn, weil man keine Rücksicht mehr auf die anderen kommerziellen Novell-Bereiche wie Groupware oder Security- und Identity-Management nehmen muss. Auch kann Suse nun wieder zu einer echten Open-Source-Company werden, die ihre Linux-Distribution genau wie Red Hat komplett quelloffen entwickelt und nicht mehr Novells Mixed-Source-Ansatz gut heißen muss. (mid) (mid)