Die Woche: Gnome 3.0 erst, wenn die Blätter fallen

Das Release-Team beschloss diese Woche, dass das mit Spannung erwartete neue Gnome 3.0 nicht schon im März 2010 kommt sondern im September. Die Entwickler halten nichts davon, ein unfertiges Release in die Welt zu setzen.

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Von
  • Alexandra Kleijn

Ein bisschen enttäuscht war ich schon, als die Entscheidung, Gnome 3.0 erst im September 2010 zu veröffentlichen, diese Woche amtlich wurde. Aber eine wirkliche Überraschung war es nicht. Tatsächlich ist der Beschluss ganz im Einklang mit dem Gnome-Motto: Verbesserungen an der Linux-Desktop-Oberfläche finden zwar stetig, aber nicht gerade im hohem Tempo statt.

Ganz anders ist da der Mitbewerber KDE. Als das Projekt vor fast zwei Jahren mit KDE 4 das Ruder umwarf und den Desktop völlig neu gestaltete, gab es zwar erstmal einen Aufschrei. Das lag jedoch in erster Linie daran, dass die KDE-ler ihren Anwendern ein halbfertiges Produkt präsentierten. Die eigentlichen Änderungen waren weniger das Problem.

Von KDE 4.0 – eigentlich eine verkappte Beta, die noch unter vielen Kinderkrankheiten litt – bis zum aktuellen KDE 4.3. hat sich jedoch eine Menge getan. Inzwischen hat sich fast jeder KDE-Benutzer mit dem System angefreundet und immer mehr KDE-zentrierte Distributionen entfernen KDE3 aus ihren Repositories.

Ein solches Vorgehen wäre bei Gnome undenkbar. Gnome 3.0 mit seinen vielen Änderungen freizugeben, ohne das System auf Herz und Nieren geprüft und getestet zu haben entspricht nicht der Gnome-Philosophie. So sind die vermutlich augenfälligsten neuen Features von Gnome 3.0, die Gnome Shell und Gnome Zeitgeist, zwar schon seit über einem halben Jahr verfügbar, aber noch lange nicht fertig. Bis März (Gnome wird zweimal jährlich, immer im März und September, in einer neuen Version freigegeben) erreichen sie vermutlich gerade mal Beta-Status.

Zudem bedeutet die Gnome Shell eine derartige Änderung dessen, was mit einem schönen englischen Wort User Experience heißt, sodass das Gnome-Team die neue Bedienung nicht auf die Anwender loslassen will, bevor sie ihre Vorzüge in Usability-Tests nicht unter Beweis gestellt hat. Ein vernünftiger Ansatz in einer Welt, wo Software nur allzu häufig halbgar aufgetischt wird und die User als Versuchskaninchen herhalten müssen.

Erschwerend hinzu kommt noch, dass Intel für das GUI-Toolkit Clutter, das zusammen mit Metacity die Basis für den neuen Fenstermanager Mutter in Gnome 3.0 ist, ein sogenanntes Copyright-Assignment verlangt. Im Prinzip eine Formalität, nur geklärt ist die Sache eben noch nicht.

Im März kommt also erstmal Gnome 2.30. Auch wenn einige Nachrichten-Sites das als eine Verspätung darstellen: Diese Möglichkeit hatte das Gnome-Release-Team von Anfang einkalkuliert, wie Release-Manager Vincent Untz in einem Interview zum Erscheinen von Gnome 2.28 im September deutlich gemacht hat: "Wir wollen Gnome 3.0 im März 2010 freigeben, aber wenn das nicht machbar ist, haben wir kein Problem damit, den Termin auf September 2010 zu verschieben. [...] Wenn März nicht realistisch erscheint, dann kommt Gnome 3.0 eben im Herbst".

Für Ubuntu-Nutzer dürfte der Termin im Herbst eh keinen so großen Unterschied machen. Das für April 2010 geplante neue Release 10.04 ("Lucid Lynx") ist eine sogenannte Long-Term-Support-Version, bei der die Mutterfirma Canonical keine Experimente mit brandneuer Software eingehen will. Also auch wenn Gnome 3.0 im März erscheinen würde, wäre diese Version erst im übernächsten Ubuntu 10.10 (Oktober 2010) dabei.

In OpenSuse und Fedora gibt Gnome 3.0 jetzt frühestens mit den Versionen Fedora 14 und OpenSuse 12 offiziell seinen Debüt. Experimentierfreudige können den neuen Desktop jedoch bei all diesen Distributionen schon jetzt aus den Repositories mit Entwicklerversionen installieren. (akl) (akl)