Die Woche: Going Open Source

Für den deutschen Softwarehersteller Innotek erwies sich die Offenlegung seiner Virtualisierungslösung VirtualBox als ausgesprochener Glücksgriff.

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Vor gut einem Jahr traf Innotek eine mutige Entscheidung: Man gab VirtualBox, eine vollständige Desktop-Virtualisierungslösung, als Open Source frei. Mutig war die Entscheidung, weil VirtualBox das wichtigste Produkt des kleinen deutschen Softwareherstellers ist. Und es war keineswegs der Mut der Verzweiflung: Mit VirtualBox verdiente man damals schon Geld – die Software wurde vor allem bei Behörden zur Desktop-Virtualisierung eingesetzt.

Warum dieser Schritt? "Innotek ist ein kleines, aus sich heraus gewachsenes Unternehmen ohne Risikokapital oder finanzkräftige Investoren im Hintergrund", erklärt Achim Hasenmüller, Geschäftsführer der Innotek GmbH. Da hatte man ein Produkt, das den Vergleich mit Konkurrenten wie VirtualPC oder VMware Workstation nicht zu scheuen brauchte, aber das Unternehmen mit seinen damals knapp 20 Mitarbeitern war nicht in der Lage, ein schlagkräftiges Sales- und Marketing-Team aufzubauen oder großformatige Anzeigen zu schalten, um die Software angemessen zu vermarkten.

"VirtualBox als Open Source freizugeben, hat uns viel Aufmerksamkeit gebracht", sagt Hasenmüller. Dabei wählte man eine Dual-Licensing-Strategie: Eine abgespeckte Version ist als Open Source Edition (OSE) unter GPL erhältlich, ein um einige Features erweitertes Produkt steht für Privatanwender und zum Testen kostenlos zum Download zur Verfügung, muss jedoch bei kommerziellem Einsatz in großem Stil lizenziert werden. Wer will, kann VirtualBox einfach herunterladen und ausprobieren – und bei Gefallen auf die kostenpflichtige Version umsteigen, sofern man die erweiterten Features oder Support benötigt.

Ein Selbstläufer ist Open Source allerdings nicht: "Sehr wichtig ist es, die Community aktiv zu pflegen. Die Leute wollen betreut werden und man muss ihre Eigenheiten berücksichtigen. Sehr wichtig ist guter Support, um Multiplikatoren aufzubauen", erklärt Hasenmüller. Auch rechtliche Fragen müsse man im Auge behalten, wenn man Open Source und kommerzielle Verwertung in Einklang bringen will: "Wir haben sicher 40 Anwaltsstunden pro Woche investiert, um die Offenlegung von VirtualBox vorzubereiten und durchzuführen", so Hasenmüller.

Aber die Rechnung ging auf: "Die Veröffentlichung als Open Source brachte uns eine Menge neuer Kunden", sagt Hasenmüller. Unternehmen, die Innotek mit seinen beschränkten Vertriebsmöglichkeiten nie hätte erreichen können, wurden auf VirtualBox aufmerksam. Im vergangenen Jahr verdiente Innotek mit seiner freien Virtualisierungslösung einen siebenstelligen Betrag. Und auch Sun, neuer Besitzer von Innotek, hätte VirtualBox wohl gar nicht wahrgenommen, wäre das Unternehmen weiterhin im Projektgeschäft mit deutschen Behörden steckengeblieben.

Den Kauf durch Sun sieht Hasenmüller als Glücksfall für Innotek: "Sun war unser Wunschpartner." Er ist von der Open-Source-Strategie von Sun-Chef Jonathan Schwartz überzeugt und fühlt sich und VirtualBox dort gut aufgehoben. "Die Übernahme durch Sun wäre nicht möglich gewesen, hätten wir VirtualBox nicht als Open Source freigegeben."

Das Beispiel Innotek zeigt, welche Chancen es bietet, eine attraktive Software unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen. Da ist zum einen der Marketing-Effekt: VirtualBox wurde nach der Freigabe als Open Source in fast allen deutschsprachigen IT-Zeitschriften und -Websites erwähnt und taucht mittlerweile auch zunehmend in internationalen Publikationen auf. Und zum anderen öffnen sich neue Türen: Während die wenigsten traditionellen Softwarehersteller noch vor Open Source zurückschrecken – Beispiel: die Übernahme von XenSource durch Citrix –, hat sich mittlerweile ein Markt gebildet, in dem es als Vorteil gilt, wenn eine Software unter einer Open-Source-Lizenz steht.

Achim Hasenmüller drückt das so aus: "Going Open Source war der wichtigste Schritt in der Geschichte von Innotek -- und der Schlüssel zum Erfolg von VirtualBox." (odi) (odi)