Die Woche: Microsofts Position zu Open Source

In einem Whitepaper erläutert Microsoft seine Position zu Open Source – und entwickelt zwischen den Zeilen eine interessante Alternative zur Open-Core-Strategie der kommerziellen Open-Source-Entwicklung.

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Unter dem Titel Participation in a World of Choice hat Microsoft dieser Tage ein Whitepaper veröffentlicht, in dem das Unternehmen seine Position zu Open Source darlegt. Inhaltlich steht nicht viel Überraschendes darin: Open Source habe sich fest in der IT etabliert, sei jedoch keineswegs ein revolutionärer Paradigmenwandel bei der Softwareentwicklung. Weder Open Source noch proprietäre Software könne alle Kundenwünsche befriedigen. In manchen Bereichen konkurriere Microsoft mit Open Source, in anderen sei das Verhältnis komplementär. Offenheit sei wichtig für die Zusammenarbeit mit anderen. Offene und proprietäre Software nähere sich immer mehr an. Microsoft suche in allen Bereichen nach sinnvollen Möglichkeiten der Zusammenarbeit und einem vernünftigen Maß eigener Offenheit.

Das ist alles nicht neu, ähnliche Positionen hatte Sam Ramji, Open-Source-Chef bei Microsoft, bereits vor einem Jahr im Gespräch mit heise open vertreten. Was hingegen neu ist: Mit dem Dokument legt Microsoft erstmals eine firmenweite Open-Source-Strategie vor – bislang, so hatte man zumindest den Eindruck, entschied jede Gruppe für sich, wo und wie weit sie in Richtung Open Source gehen möchte.

Noch interessanter finde ich aber die angeführten Beispiele, in welchen Bereichen Microsoft mit der Open-Source-Welt kooperiert. Zusammenarbeit gibt es beispielsweise mit der Apache Foundation und der PHP-Community, damit in PHP geschriebene Web-Anwendungen vernünftig auf Windows laufen. Zusammenarbeit gibt es mit Novell, um mit Moonlight eine freie Silverlight-Implementierung zu schaffen und so den Flash-Konkurrenten zu stärken. Einblick in die Quellen von .NET (allerdings ohne das Recht, sie zu ändern) soll das Framework für Entwickler attraktiver machen. Für sein Cloud-Betriebssystem Azure bietet Microsoft nicht nur .NET-, sondern auch Java- und Ruby-Schnittstellen an sowie die Möglichkeit, Azure-Anwendungen in Eclipse zu entwickeln.

Das alles sind eher periphere Bereiche, weit weg von den Kernprodukten – ein interessanter Gegensatz zu der bei kommerzieller Open-Source-Software gerne genutzten "Open-Core"-Strategie. Open Core bedeutet: Die Kernplattform wird als Open Source offen gelegt, um sie populär zu machen; proprietäre Erweiterungen sollen dann das Geld bringen. Microsoft macht das genaue Gegenteil: Das Kernprodukt ist proprietär, Open-Source-Egänzungen sollen seine Attraktivität erhöhen. Diese Strategie fährt man bei Windows ebenso wie beispielsweise bei MS-Office, für das Microsoft gerade zwei Add-ons als Open Source veröffentlicht hat, oder dem Sharepoint-Server, für den Microsofts Open-Source-Site Codeplex etliche Open-Source-Projekte vorhält.

Bryan Kirscher, Director Open Source bei Microsoft, hat das in einem Gespräch auf der Open Source Meets Business Anfang des Jahres noch klarer ausgedrückt. Sein Unternehmen verstehe sich als Plattform-Anbieter, so Kirschner, wobei auch MS-Office für Microsoft eine Plattform ist. Für die Plattformen ist Open Source keine Option, wohl aber für alles, was die Attraktivität der Plattformen erhöht.

Offenheit – wenn auch nicht im Sinne von Open Source – habe eine lange Tradition bei Microsoft. So habe man schon immer die eigenen Plattformen durch offengelegte APIs attraktiv gemacht. In einer anderen Welt, meint Kirschner, hätte Microsoft durchaus zu einem Open-Source-Vorreiter werden können.

Wer das Open-Core-Paradigma der (kommerziellen) Open-Source-Welt verinnerlicht hat, mag mit dieser exakt gegenteiligen Strategie zunächst seine Schwierigkeiten haben; aber sie zieht einfach aus den gleichen Prämissen eine andere Schlussfolgerung: Einerseits erhöht Open Source die Attraktivität einer Software, andererseits ist es schwierig, mit Open-Source-Software Geld zu verdienen. Open Core ist eine Antwort auf dieses Dilemma; Microsoft hat eine Antwort gefunden, die das Open-Core-Prinzip auf den Kopf stellt. Man wird sehen, welche Strategie am Ende aufgeht – und das wird auch davon abhängen, was den Anwendern die größeren Vorteile bringt. Die Zeiten, in denen Open Source für Microsoft noch Teufelszeug war, sind auf jeden Fall vorbei. (odi) (odi)