"Ein Prozent des Energiebedarfs"

Mary Lou Jepsen will mit Technologien aus dem 100-Dollar-Laptop-Projekt die Herstellung von Bildschirmen revolutionieren.

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Von
  • Kate Greene

2005 wurde Mary Lou Jepsen Teil des "One Laptop per Child"-Projektes (OLPC), mit dem der MIT-Media Lab-Gründer Nicholas Negroponte versuchte, kostengünstige Rechner für Kinder in der Dritten Welt zu bauen. Beim Bau des so genannten 100-Dollar-Laptops stellte Jepsen als Technologiechefin fest, dass sich ein solcher tragbarer Rechner deutlich billiger und stromsparender herstellen ließ, wenn nur der Bildschirm anders gebaut wurde. Deshalb entwarf sie ein Flüssigkristall-Display, das nur einen kleinen Teil der Energie benötigt, die normale Bildschirme brauchen. Um sicherzustellen, dass die Technik auch kostengünstig produziert werden konnte, legte sie großen Wert auf Standardherstellungsverfahren.

Anfang 2008 verließ Jepsen das OLPC-Projekt, um mit weiteren Mitstreitern ein Start-up namens Pixel Qi zu gründen. Die Firma aus San Francisco soll Displays bauen, die die 48 Patente ausnutzen, die Jepsen bei ihrer Arbeit am 100-Dollar-Laptop beantragen konnte. Die ersten Geräte sollen bereits nächstes Jahr auf den Markt kommen. Im Gespräch mit Technologie Review erläutert Jepsen ihre Ideen.

Technology Review: Frau Jepsen, warum haben Sie das OLPC-Projekt verlassen?

Mary Lou Jepsen: Mein Job war erledigt. Ich sollte herausfinden, wie man einen kostengünstigen Laptop entwickeln kann und die Hersteller anschließend davon überzeugen, mit uns zusammen zu arbeiten. Mir wurde schließlich klar, dass der beste Weg, dem OLPC-Projekt zu helfen, ein Spinoff in Form einer kommerziellen Firma war. Dort wäre es dann möglich, größere Stückzahlen der im 100-Dollar-Laptop enthaltenen Komponenten zu bauen. Durch diese Massenproduktion entsteht wiederum eine Kostensenkung.

TR: Welche technologischen Lektionen konnten Sie vom OLPC-Projekt mitnehmen?

Jepsen: Dass es wesentlich schneller und einfacher ist, die großen Herstellungskapazitäten der Welt als Labor zu benutzen, als nur im stillen Kämmerlein von Hand zu arbeiten. Dazu musste ich aber die Beziehungen und Strukturen zu den Produzenten aufbauen. Eine der wichtigsten Lektionen dabei war, dass man, um in einem Kostenrahmen für die Entwicklungsländer zu bleiben, die Kosten überall senken muss. Außerdem ist es besonders bedeutsam, den Stromverbrauch solcher Geräte dramatisch zu reduzieren. Alle wollen Batterien, die zehn Mal länger durchhalten.

TR: Warum gab es bei den Bildschirmtechnologien in den letzten Jahren verhältnismäßig wenige Innovationen?

Jepsen: Viele Leute lassen sich von der Demonstration der jeweils nächsten Display-Technik blenden. Ich selbst fiel vor 20 Jahren unter diesen Fluch. Ich arbeitete damals an Heads-up-Displays, also Bildschirme, die man sich für den Bereich der virtuellen Realität vor den Kopf schnallen konnte. Auch holographische Technologien testete ich damals aus, machte viele coole Sachen. Display-Technologie ruft beim Nutzer immer eine emotionale Antwort hervor, die Leute wollen das haben. Die Wahrheit ist aber, dass es in den vergangenen 50 Jahren nur eine einzige Technologie in die echte Massenproduktion geschafft hat – und das ist LCD. Die anderen beiden populären Technologien sind Plasma und DLP, aber das jeweils in viel kleineren Konzentrationen.

TR: Ihr Ziel bei Pixel Qi ist es, den LCD-Herstellungsprozess zu verbessern. Wie wird uns das bessere Displays verschaffen?

Jepsen: Nach meiner Zeit bei Intel, wo ich von 2003 bis 2004 Technologiechefin der inzwischen eingestellten Display-Abteilung war, wurde mir klar, dass die Silizium-Leute die Dinge anders machen als die Bildschirm-Leute. Ingenieure, die an neuen Chips arbeiten, schicken ihr Design an eine Fabrikationsstätte und erhalten ihre Komponenten nach einigen Monaten fertig zurück. Ingenieure, die Displays bauen, können ihr Design nicht einfach in die Herstellung schicken. Deshalb dachte ich mir: Warum nutzten wir nicht einfach eine Herstellungsinfrastruktur, die eine derart große Ausbeute ermöglicht wie bei Chips? Genau das machten wir beim 100-Dollar-Laptop. Ich entwickelte ein massenproduzierbares Produkt in sechs Monaten und umging damit 20 Jahre Entwicklungszeit, mehrere Millionen Dollar an Kosten und all jene verpassten Gelegenheiten, die es in der Display-Industrie so häufig gibt.

Wir haben inzwischen Verträge mit 40 Prozent der LCD-Herstellungsbranche. Am Anfang haben die alle noch negativ reagiert. Wir mussten uns und unsere Designs erst beweisen. Jetzt sind die Produzenten bereit, mit uns und unseren Kunden richtig zusammenzuarbeiten.

TR: Wo liegen die Unterschiede zwischen Pixel Qi-Bildschirmen und herkömmlicher Technik?

Jepsen: Wir haben neue Displays in der Pipeline, die auf den gleichen Ideen wie beim OLPC-Projekt basieren. Am wichtigsten ist, dass es im Vergleich zu traditionellen LCDs keine Herstellungsveränderungen und keine Unterschiede bei den Materialien gibt. Wir nutzen die gleichen Prozesse und Design-Regeln.

Man kann trotzdem viele interessante Dinge tun, wenn man das Design verändert. Ein Beispiel sind Bildschirme, die unter Sonnenlicht ablesbar sind und eine enorme Farbsättigung aufweisen. Man kann wirklich gut reflektierende Bildschirme erzeugen, die mit E-Paper-Displays konkurrieren – und zwar zu einem erstaunlich günstigen Preis und mit fantastischen Stromsparmöglichkeiten. Diese Displays besitzen ein Prozent des Energiebedarfs herkömmlicher Bildschirme, in dem sie einen Reflektor hinter dem LCD-Gitter verwenden, der das Umgebungslicht zurückstrahlt und es erlaubt, das Backlight in hellen Umgebungen zu deaktivieren oder zumindest herunterzudrehen. Hinzu kommt, dass man ein Power-Management-System wie beim 100-Dollar-Laptop nutzen kann, das den Bildschirminhalt nur dann erneuert, wenn sich wirklich etwas tut. Das spart noch mehr. Wir haben dies alles erreicht, indem wir das Display neu erfunden haben – und zwar stets mit den Dingen im Hinterkopf, die in der Herstellung ablaufen. All die technischen Ansätze funktionieren bereits und können nächstes Jahr ausgeliefert werden.

TR: In welchen Produkten wird Ihre Technik stecken?

Jepsen: Wir können weder Kunden noch Produkte nennen. Stromsparende Laptops gehören aber dazu.

TR: Wie entwickelt sich die Display-Technologie in den nächsten zwei Jahren weiter?

Jepsen: Ich sehe Verbesserungen bei der Lesbarkeit von Bildschirmen. Der Hauptgrund dafür, warum die Menschen sich immer noch Bildschirmseiten ausdrucken, liegt in der zu geringen Auflösung, Außerdem haben sie keine Lust darauf, ständig in eine Taschenlampe hinein zu starren. Letztlich wollen wir in ein oder zwei Jahren Monitore für Anwälte oder Redakteure bauen – gut ablesbare Displays, die nur für das Lesen gemacht sind. Als ich Kinder in den Entwicklungsländern traf und sah, dass ihre Schulen oft in der freien Natur sind, sah ich die Möglichkeit, Displays zu entwickeln, die unter Sonnenlicht gut ablesbar sind. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die ärmsten Kinder der Welt die beste Bildschirmtechnologie erhielten. Doch bald werden auch die Reichen im Rest der Welt Zugriff darauf haben.

TR: Was kommt danach?

Jepsen: Wir haben eine Roadmap, die ziemlich weit geht. Wir können Verbesserungen bei diversen Bildschirmsorten vornehmen. Nehmen Sie beispielsweise das Display von Apples iPhone. Das sind eigentlich zwei Bildschirme. Das eine ist der berührungsempfindliche Teil, der andere das eigentliche Display. Warum nutzen wir nicht die Schichten im Display selbst, um sie berührungsempfindlich zu machen? Das löst Probleme wie die Ausrichtung und verringert die Kosten. Wir folgen den Trends und schauen uns an, wie sie sich weiter entwickeln. Das Tolle ist, dass wir heute einen Bildschirm erfinden können und innerhalb eines Jahres produktionsreif sind. Wir können das wirklich in einem solchen Zeitraum tun. (bsc)