Kommentar: Firefox ist wieder cool

Mit großem Tamtam hat Mozilla Firefox Quantum veröffentlicht. Ein längst überfälliges Update: Endlich kann es der Browser mit seinem ärgsten Rivalen aufnehmen. (Nicht nur) Chrome-Nutzer sollten einen Blick riskieren und Firefox eine (zweite) Chance geben.

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Kommentar: Firefox ist wieder cool

Cooler Fuchs: Firefox Quantum.

(Bild: Mozilla [m])

Lesezeit: 4 Min.

Googles Webbrowser Chrome konnte viele Firefox-Fans verführen, denn er ist schnell, schlank und sicher. Im direkten Vergleich wirkte Firefox einfach nicht so flink. Gerade komplexe Seiten mit vielen JavaScript-Spielereien und dynamischem Gedöns verlangten dem Browser einiges ab. Wer Chromes Sirenen-Gesang (V8! Sandbox! Webkit!) trotzdem widerstand, nutzte Firefox tapfer weiter – ging aber Kompromisse ein. Der Marktanteil von Firefox schrumpfte, während Chrome immer beliebter wurde (und fleißig Nutzerdaten an Google schickte). Selbst in Deutschland, wo die Nerds ihren Firefox lieben, übernahm Chrome schließlich auch die Führung. Der ehemalige Mozilla-Technikchef Andreas Gal meinte dann sogar, dass Chrome den Browser-Krieg wohl gewonnen habe.

Ein Kommentar von Daniel Berger

Daniel Berger schreibt seit 2013 für c't und heise online. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Blogs, Browsern und sozialen Medien. Außerdem befasst er sich mit Webentwicklung und obskuren Content-Management-Systemen.

Nun ja – das war etwas voreilig: Mit Firefox Quantum veröffentlichte Mozilla jetzt nämlich das "größte Update aller Zeiten". Es soll die Chrome-Nutzer endlich zurückholen und begeistern. Keine leichte Aufgabe, dennoch ist die Hoffnung auf eine "Wiedergeburt von Firefox" groß. Ihr vorausgegangen ist ein mehrjähriger Transformationsprozess, der nun einen vorläufigen Abschluss fand. Eine "ziemlich große Sache" sei das, findet Firefox-Chef Mark Mayo. Stimmt: Genau 6.886.199 Codezeilen haben die Entwickler geändert und 4.888.199 neue hinzugefügt. Firefox wechselte auf eine Multiprozess-Architektur und erhielt einen kräftigen Motor, die CSS-Engine Quantum CSS (Stylo). Ein längst überfälliges Power-up.

Und tatsächlich: Der Aufwand hat sich gelohnt, Firefox Quantum ist schneller als seine Vorgänger – vor allem gefühlt. Was die Benchmarks sagen, ist schön und gut, im Alltag letztlich aber egal. Hauptsache bei YouTube bleibt der Bildschirm nicht so lange weiß und es tut sich was im Tab. Hier gibt sich Quantum keine Blöße und liefert ordentlich ab, das Surfen macht richtig Spaß. Selbst die neue Bedienoberfläche Photon kommt bei den kritischen Firefox-Nutzern gut an, man erinnere sich nur an den Aufschrei, als Australis den Browser aufhübschen sollte. Großes Geschrei! Viel Gemecker! Alles schlimm! Heute aber: Alles gut – oder?

Wer braucht eigentlich 21.000 Add-ons?

Natürlich nicht, es gibt immer was zu meckern. Zum Beispiel die Add-ons: Weil Mozilla entschied, nach vorne zu blicken, sind viele Erweiterungen auf einen Schlag nutzlos geworden. Der Katalog schrumpfte von über 20.000 Erweiterungen (inklusive Karteileichen) auf 6.000. Quantum setzt nämlich nur noch auf WebExtensions, was viele Vorteile hat. Zum Beispiel unterstützen sie die Multiprozess-Architektur von Firefox und erleichtern die Browser-übergreifende Entwicklung. Gute Sache, heißt aber auch, dass die veralteten XPCOM- und XUL-Schnittstellen trockengelegt sind. Das war nicht allen Nutzern klar, was auch ein bisschen Mozillas Versäumnis ist.

Die Entwickler hingegen wussten eigentlich früh genug Bescheid und hatten Zeit, ihre Add-ons umzubauen. Von Mozilla hätten sie sich aber mehr Unterstützung gewünscht, schließlich sind es die Erweiterungen, die Firefox erst besonders machen – und nicht der Umstand, dass "eine Seite 0,3 Sekunden schneller lädt als mit Chrome", kommentiert ein Max im Mozilla-Blog. Vor allem von Hobby-Entwicklern ist nicht zu erwarten, dass sie sich mal eben in WebExtensions einarbeiten. Gefragt ist also, wie so oft im Leben: Geduld. Denn "letztendlich ist es zu spät für deine Beschwerden", kommentiert wiederum ein Jim den Kommentar von Max. Also lieber nach vorne blicken.

Immerhin bietet sich nun eine schöne Gelegenheit, die Add-ons mal auszumisten. Minimalismus ist gerade angesagt – warum nicht auch den Browser entschlacken? Vieles hat Firefox inzwischen direkt eingebaut, das praktische Screenshot-Tool zum Beispiel. Oder Pocket. Wenn es aber so gar nicht geht, bleibt erst mal noch die ESR-Version von Firefox. Und all jene, die sich einst von Chrome haben verführen lassen, sollten Firefox Quantum einfach mal ausprobieren. Der ist auch ohne 20.000 Erweiterungen einen Blick wert.

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(dbe)