Kommentar: Ohne Edge steht nur noch Firefox gegen die Chromium-Dominanz

Nach dem mutmaßlichen Ende von Edge als eigenständiger Browser-Engine droht dem Web eine Chromium-Monokultur, meint c't-Autor Herbert Braun.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 677 Kommentare lesen
Kommentar: Das Ende von Edge bedroht die Vielfalt im Web

Google Chrome ist dominanter Marktführer unter den Browsern. Edge hingegen blieb immer ein Nischen-Produkt.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Herbert Braun
Inhaltsverzeichnis

Es sieht ganz so aus, als würde Microsoft Edge als eigenständigen Browser aufgeben – und ich fühle mich daran mitschuldig. Als Internet-Nutzer konnte ich mich nie mit dieser spartanischen Software anfreunden, die immer noch nach Internet Explorer riecht. Als Web-Entwickler steht dieser Nischen-Browser nicht gerade im Fokus der Aufmerksamkeit. Und als Technik-Journalist kommt beides zusammen.

Edge ist – oder muss man schon sagen: "war"? – ein Flop. Je nach Statistik ist der Anteil der Edge-Nutzer klein oder mikroskopisch; nicht einmal den halbtoten Vorgänger Internet Explorer konnte man einholen. Als ich meiner Frau am Frühstückstisch von "Edge" erzählte, dachte sie an den Mobilfunkstandard.

Ein Kommentar von Herbert Braun

Herbert Braun ist Webentwickler und hat 2004 bei der c't angeheuert, wo er sich als Redakteur um Webtechniken, Browser und Online-Trends gekümmert hat. 2013 verließ er schweren Herzens (aber auf eigenen Wunsch) die Redaktion, um sich von Berlin aus als freier Autor und Webentwickler durchzuschlagen.

Die Web-Plattform entwickelt sich noch immer so schnell, dass es selbst für einen Riesenkonzern wie Microsoft ein zu teures Hobby wird, sich eine eigene Rendering-Engine zu leisten. Die Marktanteile, der Chromium-Unterbau für die Android-Version von Edge und die zuletzt sehr spärlichen Einträge im Edge-Entwicklerblog deuten auf die – von Microsoft bislang nicht bestätigte – Einstellung von EdgeHTML hin.

Dabei war das Konzept gut: Die Nutzer wollen einen Browser, der "schlank" (was immer das bedeuten soll) und "schnell" (gefühlte, nicht gemessene Geschwindigkeit) ist. Microsoft gab ihnen einen Browser mit moderner, minimaler Bedienoberfläche und einer nach allen Messungen konkurrenzfähig schnellen, standardkonformen Engine. Für mich sah das Ergebnis aus, als sollte es anderen Leuten gefallen – nur ich selbst wurde das Gefühl nie los, dass Edge etwas fehlt.

Edge schnitt radikal alte Zöpfe ab und versuchte, damit auch das zunehmend schlechte Karma des Internet Explorerm loszuwerden. Zwar blieb der Quelltext Firmengeheimnis, aber die gute Kommunikation geplanter Features inklusive Abstimmungsmöglichkeit strahlte für mich mehr Offenheit aus als Chromium.

Eigentlich hat Microsoft alles richtig gemacht – aber zu spät, wie so oft in den volatilen Märkten Web und Mobile. Chromiums Erfolg basiert auf dem von Google in diesen beiden Gebieten, und Microsofts Scheitern mit dem Browser hat mit dem Ende von Windows als Smartphone-OS zu tun. Und in den Web-Agenturen hat Microsoft einen schwierigen Stand: Die meisten Rechner haben dort einen angebissenen Apfel auf dem Notebook-Lid. Tests mit dem Windows-Nischen-Browser fallen da schnell unter den Tisch. Eher probiert man aus, ob's auf IE11 läuft, denn im Zweifelsfall surft der Auftraggeber mit dem zickigen Browser-Fossil.

Nachdem schon vor gut fünf Jahren Opera seine Engine aufgab, bleibt nicht viel mehr als Chromium. Schon jetzt steckt es in Chrome, Opera, Vivaldi, Samsung Internet, UC Browser, Yandex Browser und Dutzenden weiteren. Vielfalt besteht hier nur noch in den Bedienoberflächen, Versionsständen und Implementierungsdetails. Safaris WebKit ist eng mit Chromium verwandt und unterscheidet sich von diesem vor allem durch die verschleppte Einführung von Neuerungen. Statt Möhren, Zucchini, Tomaten und Paprika gibt es nur noch Kartoffeln – wenn auch in verschiedenen Sorten.

In Deutschland hat Google Chrome einen Marktanteil von knapp 42 Prozent. Edge liegt bei nur 7 Prozent – Tendenz: stagnierend. Selbst der veraltete Internet Explorer ist beliebter (10 Prozent).

(Bild: Statista )

Mit einer Chromium-Dominanz jenseits der 90 Prozent steuert das Web auf eine Monokultur zu. Wenn Sie das nicht schlimm finden, denken Sie an die beiden Produkte, die bisher als einzige solche Marktanteile verzeichnen konnten: Internet Explorer und der Flash Player, die beiden meistgehassten Web-Clients. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich das Web am besten entwickelt, wenn mehrere gleichstarke Kräfte in einer Mischung aus Kooperation und Konkurrenz daran arbeiten. Diese Mischung ist jetzt endgültig aus der Balance geraten. Mit Android, der Suchmaschine und YouTube dominiert Google für meinen Geschmack bereits mehr als genug Märkte. Werden wir uns eines Tages den Internet Explorer als Gegengewicht zu Chromium zurückwünschen?

Nein, natürlich nicht. Aber um so wichtiger wird es, dass Mozilla stark und innovativ bleibt. Denn Firefox ist jetzt das gallische Dorf im Chromium-Imperium. Wegen der schwachen Präsenz im mobilen Web droht dessen Marktanteil unter eine kritische Schwelle zu sinken. Dass Mozilla den Mobil-Browser Focus/Klar für Android vorübergehend mit einer Chromium-Engine auf den Markt gebracht hat, ist ebenso alarmierend wie der Mangel an populären Alternativ-Browsern mit Quantum-Engine.

Denn eins ist klar: Ein Mitbewerber wird nicht nachwachsen. Eine grundlegend neue Browser-Engine wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. (dbe)