Kommentar: Wo bleibt die Schnelltest-Strategie?​

Bayern erlaubt Apotheken, Corona-Schnelltests durchzuführen. Das müsste aber längst bundesweit einheitlich laufen und nachweisbare Selbsttests braucht es auch.

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Noch frustriert das Testregime.

(Bild: Annie Spratt / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
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In Bayern dürfen seit dem 11. März auch Apotheken Corona-Schnelltests bei symptomfreien Bürgern durchführen. Jeder hat Anspruch auf einen kostenlosen Test pro Woche. Das Ergebnis liegt dann innerhalb von 15 bis 30 Minuten schriftlich vor. Wer positiv getestet wird, soll sich in häusliche Quarantäne begeben. Ob ihnen im Positiv-Fall auch ein PCR-Test zur Absicherung empfohlen wird, geht aus der Pressemitteilung des bayerischen Gesundheitsministeriums nicht hervor.

Man könnte meinen, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man nun mehr Möglichkeiten für Selbsttests hat und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) inzwischen auch Heim-Schnelltests zulässt. Aber der an sich lobenswerte bayerische Vorstoß illustriert einmal mehr, wie zersplittert und erkennbar wenig durchdacht die deutsche Teststrategie ist. Strategie? Insgesamt ist es immer noch Glückssache, einen Termin im Testzentrum oder einen Selbsttest beim Discounter zu ergattern.

Bei Letzteren offenbart sich dann gleich das nächste Fiasko, weil es keinen vertrauenswürdigen Weg für ein zertifiziertes Ergebnis gibt. Die c’t-Kollegen haben gerade in einer vernichtenden Untersuchung aufgedeckt, wie leicht man sich einen Persilschein ergattern kann, ohne einen Test kaufen, geschweige denn benutzen zu müssen.

Aber zurück zur Teststrategie. Wenn die Schnelltests einen nennenswerten Effekt haben sollen, muss der Zugang und ihre Anwendung leicht sein. Nur dann werden ihn mehr Menschen benutzen. Das bedeutet, selbst wenn es leicht wäre, einen Termin im Testzentrum oder beim Arzt zu bekommen, das ist für viele immer noch zu zeitaufwendig – zumal wenn man – für mehr Effektivität – wenigstens alle zwei, drei Tage einen machen wollte. Genau weil sie selektiv die hochinfektiösen Menschen herausfischen helfen und sich die Viruslast schnell steigern kann.

Apotheken könnten die Testkapazität deutlich steigern, wenn genügend von ihnen mitmachen. Dann wären auch das Melden positiver Fälle und PCR-Tests zur Absicherung gewährleistet. Das Mitmachen ist in Bayern freiwillig. Der Freistaat legt „auf die Kostenpauschale des Bundes noch drei Euro drauf – damit erhalten Apotheker für die Tests bei uns genauso viel wie Ärzte“, so das Gesundheitsministerium.

Ein Kommentar von Veronika Szentpétery-Kessler

Veronika Szentpétery-Kessler ist gelernte Biologin und schreibt über Medizin(techik), Biotechnologie und benachbarte Themen-Biotope.

Aber um richtig etwas zu reißen, brauchen wir die Heimtests – inklusive fälschungssicherer und vertrauenswürdiger Zertifizierung. Es muss so leicht werden wie Zähneputzen, betont der US-Epidemiologe Michael Mina, der an solchen Tests forscht.

Der Blick nach Österreich und Dänemark zeigt, wie es besser ginge. Beide Länder bieten flächendeckende Möglichkeiten für Schnelltests. In Österreich gibt es bereits seit dem Spätherbst kostenlose Tests in Zentren, bei Ärzten und in Apotheken. Offenbar kann satte 80 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 15 Minuten das nächste Testzentrum erreichen. Die Abwicklung in den Apotheken gestalte sich trotz erhöhter Nachfrage reibungslos, sagte der österreichische Apothekerverband der Deutsche Welle.

Österreich schafft es sogar, Schulkinder zweimal pro Woche mit leicht anzuwendenden „Nasenbohrer-Tests“ zu testen. Experten zeigten sich positiv überrascht, dass die Schnelltests in der Masse eine höhere Spezifität zeigen als von den Herstellern angegeben. Natürlich gilt. Vermehrtes Testen erhöht zunächst die Fallzahlen. Aber man erhält natürlich einen besseren Einblick in die Dunkelziffer und ins reale Infektionsgeschehen, sagt Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

Vor allem aber unterbricht man mehr Infektionsketten. Kein Wunder, dass Österreich und Dänemark laut des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) die viert- und zweitniedrigste Positivitätsrate zeigen. Auf Platz 1 liegt Island und Platz 3 Zypern.

Massenschnelltests an bestimmten Terminen haben sich zwar auch in Österreich nicht durchgesetzt. Zuletzt nahm nur ein Viertel der Bevölkerung teil. Ich persönlich würde das einen nicht unerheblichen Teilerfolg nennen. Aber am Ende gilt wohl auch hier: Es ist für den Einzelnen wohl zu aufwendig. Klar wird nicht jeder den Heimtest benutzen. Aber ich bin überzeugt, dass genügend Menschen mehr als bereit sind. (vsz)