Kommentar: Microsoft Network bezeichnet verstorbenen Sportler als "nutzlos"

"Brandon Hunter useless at 42", titelte Microsoft Network (MSN). Der Basketballspieler starb einen frühen Tod. Microsofts Anstand auch.​

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Warnschild an Strand warnt vor Köpflern ins das seichte Wasser

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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"Brandon Hunter useless at 42" lautete die Schlagzeile eines Nachrufs im Microsoft Network (MSN). Zu Deutsch etwa: Brandon Hunter nutzlos im Alter von 42 Jahren. Hunter war einst Profi-Basketballspieler. Er starb am Dienstag bei Hot Yoga in Florida, wie echte US-Medien berichten.

Ein Kommentar von Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov schreibt seit 2002 für heise online, anfangs aus Wien. Seit 2012 versucht der Jurist, als Nordamerika-Korrespondent von heise online Kanadier und US-Amerikaner zu verstehen und ihr Wesen begreiflich zu machen.

MSN veröffentlichte den pietätlosen Text am Tag nach Hunters Ableben in einem Nachrichten-Kanal namens Race Track, der sich als "Essenz der Exzellenz von Sport" bezeichnet und als "erste Adresse für alle wichtigen Sportnachrichten" geriert. Tatsächlich ist der Kanal voller Plagiate miesester Qualität, wie Futurism aufgedeckt hat.

Die Machwerke sind offenbar von anderen Webseiten kopierte Berichte, die durch einen Algorithmus gelaufen sind, der ein Synonymwörterbuch gefrühstückt hat. Entsprechend ist der Rest des Textes eine Aneinanderreihung kaum verständlicher Satz-Wracks wie "Hunter’s expertise led to his choice because the 56th general decide within the 2003 NBA Draft." Der (un)geneigte Leser erfährt unter anderem, dass der Verblichene "a ahead" gewesen sei, in 67 "video games" mitgewirkt und einmal sage und schreibe 17 "factors" geschafft habe.

Race Track ist voll solchen Unrats, den MSN im Unterschied zum Nutzlos-Nachruf nicht entfernt hat. Red Bull wird dort regelmäßig zu Purple Bull, die Hall of Fame zum Korridor, und "Billy Horschel indignant along with his compatriots due to the event!". Da wird mir manches clearer, sagt Falco.

Das Problem beschränkt sich keineswegs auf den Race-Track-Kanal, der regelmäßig an Sport- und Kfz-Themen scheitert. Im August hat Microsoft Travel die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Kanadas Hauptstadt Ottawa vorgestellt. Nummer 3 war eine Essensausgabe für Arme. "Ziehe in Erwägung, mit leerem Magen zu kommen", empfahl Microsoft Travel.

"Wir glauben, dass freie, gut finanzierte Presse ein entscheidender Teil unseres sozialen Gefüges ist", schalmeit Microsoft Network, und stellt "vertrauenswürdige Inhalte" in Aussicht. Dazu gehören schon mal "Nachrichten" über Bigfoot, magische Kristalle, oder Fischer, die eine Meerjungfrau gefangen haben.

Wussten Sie, dass der Mars Rover auf dem Planeten ein dunkles Biest fotografiert hat? Nein? Dann lesen Sie vielleicht nicht MSN. Sogar Elon Musk musste sich auf der Microsoft-Seite schon üble Nachrede gefallen lassen; als gäbe es nicht genügend üble Nachrichten über ihn.

Journalisten sucht man bei MSN vergeblich. Die hat der Datenkonzern vor drei Jahren gefeuert. Seither wählen Algorithmen die Inhalte aus. Dazu komme, so Microsofts Versprechen, menschliche Aufsicht, "um sicherzustellen, dass die Inhalte, die wir zeigen, mit unseren Werten übereinstimmen."

Was sind diese Werte, Herr Nadella?

(ds)